Danzig

[512] Danzig, seiner Größe und Bevölkerung von 61,000 Einw. nach. die fünfte Stadt im preuß. Staate und eine der wichtigsten Festungen, liegt 1 M. von der Ostsee am linken Ufer des Hauptarmes der Weichsel, die hier die schiffbare Mottlau mit der Radaune aufnimmt, und wird schon im 10. Jahrh. als eine ansehnliche Handelsstadt erwähnt, die unter poln. Herrschaft stand und während der Zeit der Blüte der Hanse eine der vier Hauptstädte derselben war. Nachdem der deutsche Orden die heidnischen Preußen unterjocht hatte, wurde D. während des 14. und 15. Jahrh. zu den Besitzungen desselben gerechnet, bis 1454 das jetzige Westpreußen und mit ihm D. sich Polen anschloß, welches der mächtigen Handelsstadt Sitz und Stimme auf dem Reichstage verlieh und ihr so viele Vorrechte und Freiheiten einräumte, daß D. fast als unabhängig zu betrachten war, bis es 1793 bei der zweiten Theilung Polens zu Preußen kam. Als preuß. Festung wurde D. 1807 von den [512] Franzosen belagert und erst nach der tapfersten Gegenwehr eingenommen, wofür der franz. Marschall Lefèbre zum Herzog von D. ernannt ward. Im Frieden von Tilsit zwar für eine freie Stadt erklärt, blieb es doch bis 1814 von den Franzosen besetzt, litt während dieser Zeit, wo der Seehandel fast ganz stockte, große Drangsale und wurde erst am 1. Jan. 1814 den Russen übergeben. Seit dem 3. Febr. 1814 wieder preußisch, fing der Handel nach wiedergekehrtem Frieden an, sich aufs Neue zu heben, sodaß D. wieder zu den blühendsten Seestädten des baltischen Meeres gehört.

Die eigentliche Stadt, die aus der Alt-, Vor-, Recht-und Niederstadt, Langgarten und Speicherinsel besteht, ist mit weitläufigen Festungswerken umgeben, zu denen auch der starkbefestigte Hagelsberg und der Bischofsberg gehören. Außerhalb liegen die Vorstädte Petershagen, Altschottland, Stadtgebiet, St.-Albrecht, Langefuhr mit Neuschottland, Neugarten, Stolzenberg, Schidlitz, und an der Mündung der Weichsel Neufahrwasser, gegenüber das Fort Weichselmünde mit dem Hafen von D. und einem Leuchtthurme. Von den Einwohnern sind 43,000 Evangelische, 15,000 Katholiken; die übrigen sind Mennoniten oder Juden. Der schönste Stadttheil ist die Rechtstadt; die Speicherinsel enthält viele Waarenspeicher, es wird dort aus- und eingeladen und sie ist überhaupt der Mittelpunkt des Handels. Von den wenigen Plätzen ist der schönste der Längemarkt, auf welchem sich ein großer, steinerner Springbrunnen und die Börse, auch der Artushof genannt, befindet, die noch aus den Zeiten der Hanse herrührt. Merkwürdig ist die alte und große Marien- oder Domkirche, mit dem jüngsten Gericht, einem berühmten Altargemälde von dem Niederländer van Eyck, das von den Franzosen nach Paris entführt, 1814 aber wieder zurückgenommen wurde, und mit einer künstlichen Uhr und schönen Orgel. Von öffentlichen Bildungsanstalten sind zu nennen: eine Handelsakademie seit 1832; ein Gewerbverein seit 1829; Kunst-, Handwerks- und Schiffahrtsschulen; ein Gymnasium, eine Sternwarte, ein Hebammen- und Entbindungsinstitut, die Stadtbibliothek, eine naturforschende Gesellschaft und mehre Bürger- und Elementarschulen. Besonders reich ist D. an Wohlthätigkeitsanstalten, unter denen sich auch ein Findelhaus befindet. Unter den Fabriken sind die Liqueurbrennereien, die Zucker- und Seifensiedereien die bedeutendsten. Ausgeführt werden vorzüglich Branntwein, Getreide, Holz, Flachs, Pottasche, Seife, Zucker und Tuch; eingeführt Colonialwaaren und Wein und es kommen jährlich zwischen 3–4000 Fahrzeuge theils zur See, theils auf der Weichsel an. An der Weichsel zieht sich die fruchtbare Danziger-Niederung hin und eine Meile nordwestl. von der Stadt liegt die ehemalige Abtei Oliva, die Winterresidenz des Bischofs von Ermeland, und in der Nähe der anmuthige Karlsberg mit einer weiten Aussicht über die See.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 512-513.
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