Handwerk

[328] Handwerk heißt jedes Gewerbe, welches sich mit Verarbeitung der Natur- und Kunstproducte zur Benutzung des Menschen beschäftigt, und das nach gewissen herkömmlich überlieferten Regeln, die sich bei der fortwährenden Beschäftigung als zweckmäßig bestätigt haben, geübt wird. Durch das Haften am Hergebrachten unterscheidet sich das Handwerk von der Kunst, welche freier nach Kenntniß und Talent des sie Ausübenden gepflegt wird, obschon auch jeder Kunst etwas Handwerksmäßiges anhaftet. Wesentlicher unterscheidet sich das Handwerk von der Kunst dadurch, daß es mehr auf Befriedigung der wirklichen Lebensbedürfnisse des Menschen ausgeht, während die Kunst den vorwaltenden Zweck hat, mit ihren Erzeugnissen dem Menschen zum geistigen Genuß zu dienen. Hierdurch ist nicht ausgeschlossen, daß nicht auch das Handwerk mit sinnreicher Überlegung getrieben werden könne, es wird vielmehr der denkende Handwerker dem gedankenlosen stets mit seiner Arbeit den Preis abgewinnen; aber die große Masse der Handwerker ist ohne höhere Vorbildung und hält sich an Das, was ihnen [328] handgreiflich beigebracht wird. Für Solche ist es dann besonders zweckmäßig, zu reisen und in fernen Städten in Arbeit zu treten, denn vieles Förderliche und Gute, was anderswo in das Handwerk übergegangen, werden sie so erlernen und besonders in Werkstätten, die von denkenden Männern geleitet werden, nützliche Kenntnisse einsammeln. Die Erlernung des Handwerks geschieht nicht durch fortgesetzten Unterricht, sondern durch praktische Übung, indem dem Lehrling oder Lehrburschen vom Lehrmeister immer schwierigere Arbeiten übertragen werden, sowie er durch die Übung zu größerer Fertigung gelangt. Nach einer gewissen Reihe von Jahren, welche länger dauert, wenn der Lehrling kein Lehrgeld bezahlt hat und während welcher derselbe keinen Lohn empfängt, wird er freigesprochen und heißt nun Gesell. Dieser tritt, bei welchem Meister sich ihm Gelegenheit darbietet, in Arbeit, wandert von einem Orte zum andern und wird, nachdem er eine gewisse Anzahl von Jahren in der Fremde sich aufgehalten, unter bestimmten Bedingungen, unter denen das der Innung vorzulegende Meisterstück das Wesentlichste, Meister. Die Handwerke haben sich als Beschäftigung freier Menschen erst im Mittelalter ausgebildet, indem man früher die Herbeischaffung Dessen, was man zur Bequemlichkeit des Lebens bedurfte, den Frauen und Sklaven überließ. Auf der Ausbildung der Handwerke beruht größtentheils die äußere Wohlfahrt, deren wir uns gegenwärtig zu erfreuen haben, denn nicht allein haben Millionen von Menschen in den Handwerken eine ergiebige und achtungswerthe Erwerbsquelle gefunden, sondern indem Alle für Alle arbeiten und Jeder in seiner Arbeit Ausgezeichnetes liefert, lebt Jeder zugleich billiger und besser. Das Emporblühen der Handwerke ist wesentlich eine Folge des im Mittelalter dem Geiste desselben gemäß sich ausbildenden Zunstwesens (s.d.). In der neuern Zeit sind die Beschäftigungen verschiedener Handwerke wenigstens theilweise von Fabriken und Manufacturen übernommen worden, und Vieles, welches sonst Menschenhände Stück für Stück arbeiteten, stellen jetzt Maschinen massenweise her. Durch diesen Umstand haben allerdings einzelne Handwerke Schaden gelitten, indeß haben sich mit zunehmender Bildung auch die Bedürfnisse des Menschen gesteigert, und das Sprüchwort wird innerhalb gewisser Grenzen stets wahr bleiben, daß das Handwerk einen goldenen Boden habe. Deutschland steht an der Spitze der Staaten, welche einen ehrenwerthen und wohlhabenden Handwerksstand besitzen, und es ist Zeichen eines sehr mangelhaften Culturzustandes, wo die Handwerke noch gänzlich darniederliegen oder wo dieselben heruntergekommen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 328-329.
Lizenz:
Faksimiles:
328 | 329
Kategorien: