Das Pasquill

[374] Das Pasquill (aus dem Italiän. die Schandschrift) ist eine ohne oder unter falschem Namen öffentlich verbreitete Schrift, die eine entweder namentlich angegebene oder wenigstens kenntlich gemachte Person eines Verbrechens beschuldigt. Es muß also von einer Schmähschrift, worin einer Person keine verbrecherischen, sondern bloß unmoralische Handlungen zur Last gelegt werden, wie von der bloß persönlichen Satyre unterschieden werden, ob man gleich diese Begriffe im gemeinen Leben nicht immer genau trennt. Neuere Criminalisten haben den Begriff der Anonymität des Verfassers als ein wesentliches Erforderniß des Pasquills festgesetzt: denn außerdem dürfte das Verbrechen des Verfassers von einer groben Injurie wenig verschieden sein; und die Strafe eines Pasquillanten wäre überhaupt für den, der seinen Namen zu nennen wagt, viel zu hart. Der Ursprung des Wortes Pasquill ist Italiänisch, und kommt daher, weil in Rom an eine gewisse am Ursinischen Pallast stehende Statue, die den Namen Pasquino führte, zur Nachtzeit viele anonyme Schandschriften aufgehangen und von dem daselbst häufig versammelten Volke begierig gelesen wurden. Dieser Bildsäule selbst stand eine andre gegenüber, welche die Antworten auf jene Einfälle enthielt, und die Marforio genannt wurde. Jene Statue ist ohne Arme und Füße, stellt einen Gladiator, nach Andern einen Soldaten vor, und soll ihre Benennung, der [374] Volkssage nach, dadurch erhalten haben, daß sie im Grunde eines Hauses ausgegraben wurde, dessen Besitzer, mit Namen

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 374-375.
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