Der Thee

[114] Der Thee (Engl. Thea). Dieser so bedeutende Nebenbuhler des Kaffees verdient doch wohl für alle die vielen Freunde dieses Getränks einige nähere Anzeige. Dieß Gewächs hat bekanntlich China und Japan zu seinem Vaterlande, und die Holländer brachten es zuerst nach Europa. Thee sind denn nun getrocknete Blätter von einem Strauche, der in vielen Provinzen Asiens, hauptsächlich aber in China, Japan, Siam und Tunkin wächst. Man nimmt zwei Gattungen von diesem Theegewächse an: 1) der braune Thee (Theebou genannt). Dieser ist ein 5 bis höchstens 6 Fuß hoher Strauch, von unten auf mit Aesten versehen, die sich wieder in mehrere, größere und kleinere, Zweige verbreiten, und glatte, vorn etwas abgestumpfte, Blätter an kurzen Stielen haben; die Blüthe ist röthlich weiß, beinahe wie bei der einfachen wilden Rose. Sechs Blumenkronblätter sind das Gattungszeichen, wodurch sich dieser von dem grünen Thee unterscheidet. Der Same, welcher aus Kapseln, wie ungefähr unsre Schlehen, herausfällt, dient theils zur Fortpflanzung des Strauchs, theils zu einem Oehl. Von dieser Gattung brachte der [114] Schwedische Schiffskapitän Ekeberg zuerst die Pflanze nach Europa (1763), und ein Strauch stand lange in dem akademischen Garten zu Upsala, worauf denn auch die Engländer und Franzosen, und endlich auch die Deutschen sich den Strauch zu verschaffen wußten. 2) der grüne Thee kommt dem braunen im Wuchse ziemlich gleich, nur daß die Blätter länger sind, und die Blüthen Neun Kronenblätter haben. Man will nach sehr häufigen Untersuchungen gefunden haben, daß beide, sowohl der braune, als grüne Thee, von einer und derselben Pflanze herkommen; ja, man will den ganzen Unterschied nur darein setzen, daß der grüne in Schatten getrocknet, der braune geröstet werde.

In China pflanzt man denn nun den Thee mehr in bergigten Gegenden, wo die Ränder und Grenzen der Felder auf den darum gezogenen Dämmen mit Theesträuchen, etwa 4 Fuß weit aus einander, besteckt werden. Man läßt den Strauch nicht hoch gehen, und pflegt ihn vom 3ten Jahre an bis zum 7ten zu benutzen. Die Blätter, welche ganz jung gegen Ende des Februars, oder mit Anfange des März (als dem ersten Monathe des Japanischen Jahrs) eingesammlet werden müssen, und jung und frisch, wie sie sind, einen bittern Geschmack und eine sehr betäubende Kraft haben, pflückt man einzeln ab; dann werden sie noch einmahl zu Anfange Aprils, und endlich im Mai zum letzten Mahl abgenommen. Jener erste, welchen man auch den Kaiserthee (weil der Kaiser und seine Vornehmen bloß solchen Thee trinken), oder auch den Blumenthee nennt, ist der beste, theuerste und seltenste. Das Röston der Blätter, welches noch an dem Tage, wo man sie pflückt, vorgenommen wird, geschieht, indem die vorher gekräuselten oder zusammen gerollten Blätter auf sehr dünnen eisernen Platten über einem gelinden Kohlenfeuer so lange gedörrt werden, bis alle Feuchtigkeit aus ihnen verdunstet ist. Dann werden sie noch auf Marten an der Luft getrocknet, und nun in dünnen Bleiplatten in Küsten gepackt.

Die Sitte des Theetrinkens hat bei den Chinesen und Japanesen schon seit undenklichen Zeiten Statt gefunden, nur daß bei den letzten die Art, ihn zu bereiten, anders ist, indem sie ihn mehr zu Pulver [115] trocknen, und so, gleichsam wie den gemahlnen Kaffee, durch siedend Wasser auflösen. In Europa kennt man dieß Getränk nicht viel über 200 Jahre; der erste Thee wurde 1600 durch Holländische Chinafahrer mitgebracht. Die Seltenheit, der hohe Preis, und was man etwa sonst von der Trefflichkeit des Thees rühmte, reitzten die Reichen, diesen Aufguß zum Lieblingsgetränk zu erkiesen, und die Holländer – befanden sich wohl dabei. Jetzt haben freilich die Engländer, die auch ohnehin, wie bekannt, sehr große Verehrer dieses Getränks sind, den stärksten Handel damit an sich gezogen; sie selbst verbrauchen für sich allein jährlich auf 18 bis 20 Millionen Pfund (in Frankreich wurde zu Ende des vorigen Jahrhunderts für 12 Millionen Liv. jährlich consumirt). Daß es für China der beträchtlichste Ausfuhrartikel bleibt, und ungeheure Summen dafür aus Europa dorthin gehen, ist ausgemacht. Auch durch die Russen wird der so genannte Karavanenthee aus China zu Lande in kleinen Büchsen nach Petersburg gebracht; und es hat dieser allerdings große Vorzüge, weil er nicht den mancherlei Unfällen zur See (z. B. den Ausdünstungen, ja wohl gar dem Eindringen des Seewassers, den üblen Gerüchen im Schiffsraume etc.) ausgesetzt ist. Aus Japan kommt bloß durch die Holländer einiger Thee.

Uebrigens giebt es der Sorten Thee im Handel mancherlei, deren Verschiedenheit meistens von der größern oder geringern Sorgfalt herrührt, welche man auf das Sortiren der Blätter verwendet. Von dem braunen Thee sind die bemerkenswerthesten: der Soatchong, der Pekko (durch Caravanen nach Rußland kommend), der Congo, der Liu-Hysan etc. vom grünen Thee: der Kaiserthee, der Hysan, der Songlo, der Tonkay etc. Auch hat man sich sehr bemüht, in Europa Surrogate für dieses Chinesische Kraut, das für so ungeheure Geldsummen eingeführt wird, aufzufinden: dahin gehören der officinelle- oder Apotheker-Ehrenpreis, der edle Ehrenpreis, die Pfeffermünze, die Blätter der Preiselbeere, des Schlehdorns, der Erdbeere, besonders auch der Citronenmelisse etc.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 114-116.
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