Die Sirenen

[293] Die Sirenen (Mythol.) waren Jungfrauen, die sich auf einem mit Klippen umgebenen Felsen der Meerenge zwischen Sicilien und Italien aufhielten, und die Vorbeisegelnden durch ihren lieblichen Gesang dergestalt bezauberten, daß, wenn diese sich hinreißen ließen, die Insel zu betreten, sie dieselbe nicht wieder verlassen konnten, und von den Sirenen nachher zerrissen und gefressen wurden. Nach der neuern Fabel gab es deren drei; die ältere kennt nur zwei. Sie werden für Töchter des Archelous ausgegeben, und als geflügelte Jungfrauen mit Adlerklauen und einem Vogelschwanz abgebildet. Als Nymphen, von dem Gefolge der Prinzessin [293] Persephone, wollten sie, da diese entführt wurde, sie übers Meer hin suchen, und erhielten auf ihren Wunsch Flügel; allein, müde des vergebenen Suchens, ließen sie sich auf jenem Felsen nieder. Da Ulysses sich von ihrem zauberischen Gesange nicht verführen ließ – gewarnt von der Circe, verstopfte er die Ohren seiner Gefährten, und sich selbst ließ er an den Mastbaum binden – so sollen sie vor Schmerz gestorben sein. – Bildlich nennt man denn nun eine Sirene das, was den Sinnen schmeichelt, aber, im Uebermaß genossen, zum Verderben gereicht.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 293-294.
Lizenz:
Faksimiles:
293 | 294
Kategorien: