Die Zeitungen

[465] Die Zeitungen. Man kenntʼ die Wichtigkeit der Blätter, die diesen Namen führen, und bekannter Maßen eine periodische Nachricht von der von Zeit zu Zeit vorgefallenen Begebenheiten bezeichnen, in gelehrter und politischer Hinsicht. Gelehrte Zeitungen sind, ungeachtet der Parteilichkeit, die sehr oft darin herrscht, doch immer das brauchbarste Mittel zur Kenntniß der Literatur. Man kannte weit früher gelehrte Journale, als Zeitungen. Ein gewisser Prof. Krause war der erste, der im Jahre 1715 in Leipzig gelehrtte Zeitungen herausgab, die sich lange im Werthe erhielten, und auch jetzt noch fortgesetzt werden. Unter den übrigen bekanntern folgten die Göttingischen im Jahr 1739, und die allgemeinen Literatur-Zeitungen in Jena 1784, denen denn nun, wie bekannt, sehr viele andere in Form u. Einrichtung nachgefolgt sind. Der Ursprung der politischen Tageblätter ist früher. Einzelne Zettel, worauf Neuigkeiten geschrieben wurden, findet man in Venedig ums Jahr 1536. Nachher fing man an, Relationen von gewissen merkwürdigen Begebenheiten zu drucken, von Kriegsvorfällen, Naturerscheinungen u. dgl. In Deutschland scheint scho - 1612 ein so genanntes Avviso, oder eine regelmäßign Zeitung, im Gange gewesen zu sein. Aber 1615 entstand das Frankfurter Journal, und 1617 die Frankfurter Postavisen. Beide werden jetze noch fortgesetzt, und sind also unter allen politischent Neuigkeitsblättern der Deutschen die ältesten. Ein Theil der übrigen Europäischen Länder ist in diesem Fache noch fruchtbarer, als Deutschland; und sogar die vereinigten Staaten in Nordamerika haben seit der Revolution eine beträchtliche Menge Zeitungen erhalten, da vorher, bis zum Jahre 1718, nur eine einzige daselbst erschien. Portugal und Spanien ist arm daran, so wie auch die Schweiz und Italien; aber England und Frankreich hat einen solchen Ueberfluß an Neuigkeitsblättern, daß es kaum möglich ist, sie zu zählen. Im Jahr 1794 erschienen 105 verschiedene Zeitungen in England; und die Stadt London hatte dazu allein 46 geliefert. Nicht geringer war die Anzahl 1795 in Frankreich, wo Paris 27 Journale, und 41 Tageblätter hatte. Die Revolution gab[465] den meisten davon das Dasein, und änderte den Ton der bisher bestandenen. Alle Parteien wirkten durch dieses Mittel am unwiederstehlichsten auf die öffentliche Meinung. Die Revolution vom 4ten Sept. 1797 bereitete einer Menge politischer Blätter den Untergang. Mehrere Journalisten wurden eingekerkert und ihre Pressen zerstört. Welche Autorität seit der gänzlichen Umformung des Französischen Staats diesen öffentlichen Blattern, besonders dem Moniteur etc. gelassen ist, davon wird in den künftigen Nachträgen die Rede sein. Wir bemerken hier nur noch in Ansehung der Englischen Zeitungen, daß diese, den Freiheitsgeist der Engländer so ganz charakterisirenden, Blätter in Rücksicht ihres Oppositionsgeistes von der Regierung nie zu unterdrücken gewesen sind. Immer entstehen sie unter einem andern Namen; aber ihr Geist bleibt derselbe. – Unter allen Europäischen Ländern ist die Türkei das einzige, das in Rücksicht der politischen Begebenheiten in Dunkelheit lebt, und keine eigene Zeitung aufzuweisen hat. Zwar ließ der bekannnte Fürst Potemkin während des Feldzugs gegen die Türken eine Druckerei zu Jassy anlegen, in welcher eine Zeitung gedruckt wurde; aber sie war ohne Bestand. Auch die politischen Neuigkeitsblätter, die Bürger Verniac als Französischer Botschafter in Constantinopel drucken ließ, waren von keiner langen Dauer. Merkwürdig ist es dagegen, daß sogar in China eine Zeitung erscheint, welche für die Reichsannalen angesehen werden kann, und unter der unmittelbaren Censur des Kaisers steht.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 465-466.
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