Leopold Mozart

[183] Leopold Mozart, Vater des großen Mozart, geb. zu Augsburg 1719, war der Sohn eines Buchbinders, und studirte anfangs die Rechtsgelahrtheit in Salzburg, kam aber 1743 als Hofmusicus in die fürstliche Kapelle, und ward endlich 1762 Vice-Kapellmeister. Als braver Violinist gab er außer seinem Dienste Unterricht auf der Violine und im Componiren, schrieb auch einen sehr schätzbaren Versuch einer gründlichen Violinschule: den größten Ruhm erwarb er sich aber sicher durch die Erziehung seiner beiden Kinder, die ihm von sieben übrig geblieben waren; diese sind eine Tochter, Maria Anna, welche nachher an einen fürstlich-Salzburgischen Rath verheirathet wurde, und damahls wegen ihrer großen musikalischen Talente ein Gegenstand der Bewunderung war, und

Johann Chrysostomus Wolfgang Gottlieb (gewöhnlicher noch unter dem Namen Wolfgang Amadei) Mozart, geb. den 27. Jan. 1756. Schon im dritten Jahre zeigte dieß außero dentliche Genie sein Talent, indem er immer Terzen am Clavier zusammensuchte, und dann über die aufgefundene Harmonie seine innige Freude bezeigte. Im vierten Jahre lernte er in kurzer Zeit kleinere und größere Stücke, um sie sodann mit der größten Nettigkeit und festem Takte zu spielen; und im fünften componirte er kleine Stücke, die ihm der Vater dann zu Papiere bringen mußte. So ward sein Hang [183] zur Musik immer stärker; und selbst seine Spiele und Zerstreuungen mußten, so viel möglich, damit verbunden sein. Wie sehr dieser Hang schon in den jüngsten Jahren selbst zu Schwierigkeiten sich hinneigte, beweist folgende Anekdote von ihm: Der Vater kam einst mit einem Freunde aus der Kirche, und traf den kleinen Wolfgang in voller Arbeit. »Was machst du da?« fragte der Vater – »ein Concert fürs Clavier.« – Lachend nahm ers ihm weg, sah aber bald mit Erstaunen, daß die Composition selbst richtig und nach der Regel gesetzt war. Mit Thränen im Auge zeigte er sie dem Fremdem, setzte aber hinzu: »Schade, daß man es nicht brauchen kann! denn es ist so schwer, daß es kein Mensch zu spielen vermag.« – »Dafür ists auch ein Concert!« erwiederte der Kleine, und stellte sich ans Clavier, um es herauszubringen, welches ihm freilich nicht gelang, wobei er aber doch zeigte, welches seine Ideen gewesen waren. – Bald unternahm der Vater mit den beiden kleinen Virtuosen eine Reise nach München, und 1762 nach Wien, wo dieselben allgemeine Bewunderung erregten. Schon hier war der sechsjährige Knabe ganz Aufmerksamkeit und Feuer, wenn er vor Kennern spielte, ziemlich gleichgültig aber gegen das Lob der Großen, die nichts von der Kunst verstanden. »Ist Herr Wagenseil nicht hier?« fragte er den Kaiser Franz, als er sich ans Clavier setzte, »er soll herkommen; der versteht es.« Und als er hierauf kam, sagte der Kleine zu ihm: »Ich spiele ein Concert von Ihnen, Sie müssen mir umwenden.« – Die zweite musikalische Reise wurde von der Mozartschen Familie 1763 angestellt; sie kamen nach Paris, ließen sich zu Versailles, und der Sohn auch in der Capelle auf der Orgel hören. Zu Paris kamen auch schon von unserm siebenjährigen Mozart die ersten beiden Werke – Claviersonaten – heraus. Zu London, wohin sie auch im April 1764 reisten, und wo der Knabe besonders als Orgelspieler sich unter außerordentlicher Bewunderung vor dem König hören ließ, wurden in ihrem Benefiz-Concert alle Sinfonien von des Sohnes Composition aufgeführt; hier eben sowohl als schon vorher in Paris spielte der Sohn die schwersten Stücke von Bach, Händel etc. so wie man sie ihm vorlegte, vom Blatte. Auch hier componirte er in seinem achten Jahre sechs Sonaten, die er der [184] Königin dedicirte. Nach länger als drei Jahren, die sie vollends in Flandern, Holland, der Schweiz etc. zubrachten, kamen sie wieder in Salzburg an. Wolfgang vervollkommnete sich immer mehr, erhielt bei einer nochmahligen Reise nach Wien 1768 vom Kaiser Joseph den Auftrag, die Oper la finta semplice zu setzen, fertigte auch bei der Einweihung der Waisenhaus-Kirche das Offertorium, und dirigirte als zwölfjähriger Knabe diese feierliche Musik in Gegenwart des kaiserlichen Hofes selbst. In Italien war Mozarts Erscheinung im J. 1769 der Gegenstand des höchsten Erstaunens. In Bologna ward der berühmte Pater Martini, dem der junge Mozart über jedes aufgegebene Fugenthema sogleich die Ausführung auf dem Claviere erwiederte, sein enthusiastischer Bewunderer. In Rom gingen Vater und Sohn – es war die Charwoche – in die Sirtinische Capelle, um das berühmte Miserere (welches kein päpstlicher Musiker bei Strafe der Excommunication abcopiren durfte) zu hören. Mozart horte aufmerksam zu, setzte es, als er nach Hause kam, auf, und hielt, als es den Charfreitag wieder gegeben wurde, sein Manuscript im Hute, um es hie und da zu verbessern. Kurz darauf fang er es in einer Akademie zum Erstaunen aller, besonders eines Castraten, der es selbst in der Capelle gesungen hatte. Der Papst beehrte ihn bald darauf selbst mit dem Kreuz und Breve als Ritter des goldnen Sporns. Nachdem er 1770 zu Mailand im vierzehnten Jahre die Oper Mitridate mit allgemeinem Beifall componirt hatte, verließ er Italien, das ihm den Namen: il Cavaliere filarmonico beigelegt hatte. Jetzt kamen von allen Orten Aufträge; und die Reisen, zu denen ihn diese veranlaßten, gaben Gelegenheit zu mehreren trefflichen Musiken, durch welche sich sein Ruhm immer mehr und mehr in Europa verbreitete. Seit seinem vier und zwanzigsten Jahre lebte er größten Theils in Wien, ungeachtet er öfters größere Reisen vornahm, und noch im Jahre 1789 von Prag auf Dresden, Leipzig, Berlin etc. ging. Die Erwartungen wurden erfüllt, zu welchen seine außerordentlichen Talente das musikalische Publicum berechtigten, dessen Liebling er auch immer, selbst und besonders nach seinem Tode, geblieben ist. Die größten Männer zollten ihm ihre Bewunderung; und der große Joseph Haydn [185] versicherte noch 1785 Mozarts Vater, er erkenne seinen Sohn für den größten Componisten, der Geschmack und die gründlichste Kenntniß in der Kunst der Composition besitze. Zu früh starb leider dieser für die Tonkunst außerordentliche Mensch in seinem sechs und dreißigsten Jahre am 5. Dec. 1791. Seine zahlreichen musikalischen Werke in jeder Art, namentlich auch fürs Clavier – obgleich hier vielleicht seine Phantasie sich etwas zu eingeschränkt sah – und für die Vocalmusik, zeigen einen so ungeheuern Reichthum an neuen Gedanken, an glücklichen Melodien, an beständig abwechselnden harmonischen Wendungen, daß ihn sein unermeßliches Genie – wenn man gleich öfters in seinen Opern Fehler in der Declamation und Recitation, freilich wohl nicht immer ohne Grund, finden will – auch für die Nachwelt zum Gegenstand der größten Bewunderung macht. Ein großer Theil seiner Opern, besonders die Entführung aus dem Serail, sein Idomeneo (eine der größten und reichhaltigsten Opern) sein Figaro (der sogar zu Paris mit untergelegtem wieder ins Französische übersetztem Text zu seiner Musik 1793 aufgeführt wurde), sein Don Giovanni und Cosi fan tutte, endlich seine letzte Oper, die bekannte Zauberflöte (die ihn selbst den Laien verehrungswürdig und so manchen Theaterdirecteur, besonders Schikaneder, für den er sie eigentlich schrieb, reich gemacht hat) beurkunden dieses Urtheil. Zwar behauptet ein Theil, Mozart sei ein größerer Instrumental- als Singcomponist gewesen; und man will selbst in seinen Arbeiten für den Gesang finden, daß er öfters die Worte nur angenehmen und glücklichen Instrumental Sätzen untergelegt habe. Allein, wenn dieß auch bisweilen der Fall sein sollte, so ist es doch unläugbar, daß in Ansehung des Ausdrucks und dessen, was große, prächtige Wirkung hervorbringen muß, Mozart immer Muster bleibt. Er besaß eine gränzenlose Phantasie; von ihrem Strome hingerissen, sah er nur auf das große Ganze: und so entstanden wohl öfters Schwierigkeiten bei der Ausführung, die für einzelne Instrumente beinahe unausführbar sind. – Seine letzte Arbeit, die er noch auf dem Krankenbette schrieb und kaum vollenden konnte, war eine Todten-Messe, ein so genanntes Requiem, welches nachher seine Witwe [186] (geb. Weber) an mehreren Orten, namentlich auch in Leipzig (zu Ostern 1796), den Verehrern ihres verstorbenen Gatten hören ließ; ein Meisterstück, das selbst nach dem Urtheile Hillers, gewiß eines competenten Richters, den Arbeiten von Sebast. Bach an die Seite gesetzt werden kann, und welches zeigt, daß sich Mozart, wenn er länger gelebt, auch in diesem Fache hätte unsterblich machen können. Sobald man ihn übrigens als Mensch betrachtet, so hatte er wohl der Schwächen viele, so daß er oft wie ein Kind geleitet werden mußte. Seine Gutmüthigkeit und Sorglosigkeit ließen ihn sicher den Nutzen von seinen Geisteswerken nicht ziehen, den hundert andre davon gezogen hätten; und bekannt ist es auch, daß der ihm ausgesetzte Gehalt von 4000 Fl. erst kurz vor seinem Tode ausgezahlt wurde. Von Person war er eine kleine aufgedunsene Figur, obgleich sein Vater und seine Mutter für das schönste Ehepaar in Salzburg galten.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 183-187.
Lizenz:
Faksimiles:
183 | 184 | 185 | 186 | 187
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon