Michael Baron

[122] Michael Baron. Dieser berühmte Schauspieler, der Sohn eines Kaufmanns zu Issoudin, welcher auch Schauspieler ward, und seinem neuen Stande nicht nur Ehre machte, sondern auch als ein Opfer desselben starb, ging zu der Gesellschaft des Molliere, nachdem er vorher bei der Gesellschaft des la Raisin gewesen war. Man nennt ihn einstimmig den Roscius seines Jahrhunderts. Er verließ i. J. 1691 das Theater, mit einer Pension von tausend Thalern, betrat aber dasselbe i. J. 1720 als ein Greis von acht und sechzig Jahren aufs neue, und fand seinen ehmabligen Beifall wieder. »Man war,« sagt Dorat (la Declamation theatrale) »als Baron nach einem Privatleben von zwanzig Jahren wieder auf die Bühne trat, an den Schwulst und Unsinn der damahligen Schauspieler schon verwöhnt; und Baron mit seinem edlen, simpeln Spiele gefiel nicht: aber da er beim Hersagen der Verse aus Corneilleʼs Cinna:

Au seul nom de Céfar, dʼAuguste et dʼEmpereur

Vous eussiez vu leurs yeux sʼallumer de fureur

Et dans un meme instant par un effet contraire

Leur front palir dʼ horreur et rougir de colere.

wirklich hinter einander bleich und roth ward; so riß er alle Zuschauer zur Bewunderung hin, und die Cabale verstummte.« Vorausgesetzt, daß diese Erzählung wahr ist. (Engels Mimik 1 Th.); so würde doch gerade dieses Spiel, welches eine fehlerhafte Mahlerei enthält, nach dem scharfsinnigen Urtheil des eben genannten Schriftstellers, am wenigsten für Barons Größe beweisen. Baron hatte eine sehr hohe Idee von seinem Stande; er pflegte zu sagen, die tragischen Schauspieler sollten an den Brüsten von Königinnen gesäugt werden. Nicht weniger groß als sein Enthusiasmus für seinen Stand war seine Eitelkeit; nach ihm sieht die Welt alle Jahrhundert einen Cäsar, aber es werden tausend Jahre erfordert. einen Baron hervorzubringen. So oft er den Talenten oder Verdiensten ausgezeichneter Personen ein Compliment machen wollte, wählte er eine der schönsten Stellen des Schauspiels, in welchem er auftrat, und sahe sie dabei an. Eine Bemerkung, welche er über die Schauspielkunst machte, verdieut noch angeführt zu werden: »es ist gegen die Regel (sagte er), die Hände über den Kopf zu heben: erhebt sie aber die Leidenschaft dahin, so ist es vortrefflich; die Leidenschaft weiß mehr als die Kunst,« Er starb im J. 1729, sieben und siebzig Jahr alt. Im J. 1760 erschienen drei Bändchen Schauspiele unter seinem Namen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 122-123.
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