Raffiniren

[34] Raffiniren ist ein Term des Chemikers, und bedeutet so viel als Feinmachen, Reinigen, Läutern. Selten sind die Substanzen, die wir der Natur oder den ersten Bearbeitungen der Scheidekunst verdanken, ohne fremdartige Stoffe. Der krystallisirte Salpeter, der in Indien, Thibet, Pern auf Steinen oder an der Erdfläche sich erzeugt, und Kehrsalpeter genannt wird, ist nicht immer rein; den durch die Kunst erhaltenen Salzen und geistigen Flüssigkeiten sind häufig Materien beigesellt, welche nicht in die Mischung jener Producte eingehen sollten: oft muß daher der Chemiker läutern; eine Operation, für die er nicht immer das Wort raffiniren braucht. Nur das Läutern gewisser Substanzen, das Läutern des Zuckers, des Camphers, des Tinkals deutet er durch jenen Term seiner Kunst an. Das Raffiniren der genannten Materien besteht übrigens in sehr verschiedenen Bearbeitungen derselben. Bei der Reinigung des Zukkers muß der Laborant, wenn er seinen Zweck erreichen will, anders als bei der Läuterung des Camphers verfahren. Wir wollen die verschiedenen Verfahrungsarten, die man bei dem Raffiniren des Zuckers, des Camphers, des Tinkals befolgt, dem Leset bekannt machen.

Der durch Sieden, Abschäumen und Eindicken des Zukkersaftes gewonnene Zucker, welcher roher Zucker, auch Cassonade, Moskoyade genannt wird, ist mit einer Menge schleimiger und färbender Stoffe verbunden. Diese Unreinigkeiten verrathen sich theils durch die weiche Consistenz, theils durch die bräunliche Farbe, die dieser Zucker besitzt. Will man ihm nun jene fremdartigen Theile entziehen, so löst man ihn in reinem Wasser auf, siedet die Auslösung in einer kupfernen Pfanne mit Kalkwasser und etwas Rinderblute, schäumt sie ab, seihet sie durch wollene Tücher, und bringt sie, um durch Abdampfen ihr Wäßriges zu vermindern, in den so genannten Klärkessel, aus diesem aber in die Kühlpfanne. Hat sich hier der Sud gehörig abgekühlt, so gießt man ihn in die mit Zuckerwasser benetzteu, thönernen, kegelförmigen, an den [34] niederwärts gekehrten Spitzen mit verstopften Oeffnungen versehenen Zuckerformen. In diesen gerinnt der Zukker; und so wie er gerinnt, werden jene Löcher geöffnet, durch welche nun das Flüssigbleibende, oder der so genannte Syrup abträufelt. Man bedeckt endlich, um alles Unreine zu scheiden, die Grundflächen jener Formen mit Thonerde, die man von Zeit zu Zeit mit Wasser anfeuchtet, das dann allmählich hinab in den Zucker dringt, sich mit den noch zurück gebliebenen schleimigen Stoffen verbindet, und zuletzt durch die Oeffnungen der Formen abfließt. Nicht so verfährt man mit dem Campher, einer Substanz, welche hauptsächlich aus den Theilen der Wurzel, der Rinde, des Holzes des auf Japan wachsenden Campherbaumes durch Sublimation (s. d. Art.) gewonnen und in Holland durch Wiederhohlung dieser geläutert wird. Den Campher, der raffinirt werden soll, pflegt man, um ihn erst von den gröbern Unreinigkeiten zu befreien, durch ein Sieb zu schlagen. Dann wirft man ihn, mit gepulverter Kreide oder zerfallenem Kalke vermischt, in gläserne Sublimirgefäße, die man in kleine mit Sand gefüllte Kapellen eines Windofens stellt. Ueber die mit Baumwolle nur locker verstopften Oeffnungen dieser Gläser bringt man blecherne mit heißem Sande beschüttete Hüte oder Calotten an. Die Gefäße werden anfänglich so erhitzt, daß der Campher wie ein Oehl fließen und alle Feuchtigkeit desselben sich verflüchtigen kann. Ist diese verdünstet, so wird das Feuer vermindert, und die blecherne Calotte mit einem von Pappe oder Leder verfertigten, in der Mitte durchbohrten Hute vertauscht. Bei dem zur Sublimation nöthigen Wärmegrade steigt nun der Campher auf, und legt sich als eine halbgeschmolzene durchsichtige Masse in den obern Theilen der Gläser an. Ist er ganz aufgetrieben, so läßt man die Gefäße erkalten, die man zuletzt zerschlägt, um den raffinicten Campher, der nun die Form convexconcaver Kuchen besitzt, heraus nehmen zu können. Von dieser Raffinirung weicht nun wieder die des Tinkals oder des rohen Borax ab, der eine theils weißgraue, theils grünlicht ansschende Masse darstellt, und aus China und Persien zu uns gebracht wird. Man hält zwar in Holland die Art, den Tinkal zu reinigen, geheim; allein man kann, wenn man die Nachrichten sicherer Schriftsteller vergleicht, fast mit Gewißheit annehmen, [35] daß diese Reinigung hauptsächlich in Auslaugen, Durchseihen und Krystallisiren der in der Lauge aufgelösten Salztheile bestehe. Das Salz, das bei der Verminderung des Wäßrigen der Lauge anschießt, ist der aus Mineralalkali und einer eigenthumlichen Säure bestehende Borax, den man eben durch die Läuterung gewinnen will, und den man in der Chemie und in der Heilkunde anwendet. Die Raffinirung des Zuckers, des Camphers, des Tinkals beruht also auf sehr verschiedenen Operationen; sie kann auch nicht auf eine und eben dieselbe Verfahrungsart sich gründen, da die Natur jener Substanzen und der ihnen beigemischten Materien verschieden ist.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 34-36.
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