Samuel Richardson

[265] Samuel Richardson, ein Romanendichter, der in diesem Fache alle Schriftsteller seiner Nation, der Engländer, verdunkelte, und auch im Auslande als einer der ersten Muster geschätzt wurde, war 1689 zu Derbyshire geboren, erlernte, da ein ganz geringes Vermögen ihm seinen Lieblingswunsch, zu studiren, unmöglich gemacht hatte, in London die Buchdruckerkunst, um wenigstens einiger Maßen seine Neigung zur Leetüre zu befriedigen, errichtet auch daselbst, als er einige Jahre Corrector gewesen war; eine eigne sehr beträchtliche Buchdruckerei, wandte sein ansehnliches Vermögen, das er sich vermittelst derselben und der Schriftstellerei erworben hatte, großen Theils zu Unterstützung der Armen an, und starb in dem Ruf exemplarischer Rechtschaffenheit 1761 am Schlagflusse. Drei Romane, Pamela, Clarissa und Grandison, haben seinen Namen auch auf die Nachwelt gebracht. In diesen Werken, die vielleicht bloß der Vorwurf der Weitschweifigkeit trifft, lehrt er mit dichterischer Schönheit und Menschenkenntniß die reinste Moral, schildert die Leidenschaften aufs trefflichste (der Wahnsinn Clementinens z. B. im Grandison ist ein Meisterstück), und verdient ganz die ehrenvollen[265] Beinahmen des Shakespears der Romanendichter, oder des Rousseauʼs der Engländer. Sein vorzüglichstes Werk, das Rousseau selbst für den schönsten aller Romane, die je geschrieben worden, erklärt hat, ist die Clarisse. Seine Grundsätze, die er überall zeigt, sind so erhaben, daß selbst Prediger auf den Kanzeln seine Schristen allgemein empfahlen. Wir haben ältere Deutsche Uebersetzungen von Richardsons Werken, z. B. von der Clarisse eine vom Ritter Michaelis, auch eine treffliche Nachahmung von Musäus unter dem Titel Grandison der Zweite; aber erst neuerlich hat dieser Engländer einen ganz würdigen Uebersetzer an Herrn Kosegarten gefunden, der die Clarisse, Leipzig 1790–93. in mehrern Bänden geliefert hat.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 265-266.
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