St. Petersburg

[401] St. Petersburg, die kaiserl. Russische Residenz- und zweite Hauptstadt des Reichs, an der Newa und mehrern Canälen, mit einer gegenwärtig durch die unausgesetzte Erweiterung der Stadt (welche bekanntlich Peter I. anlegte) fast in die Mitte derselben gerathenen Festung und einem Hafen, eine der größten und prächtigsten Städte in Europa. Sie ist über eine starke Deutsche Meile lang und eben so breit, hat ein einziges aber colossalisches Stadtthor, aber keine Mauern, und liegt theils auf Inseln, theils auf dem festen Laude. Die Stadt wird in folgende zehn Haupttheile getheilt: die 1. 2. u. 3. Admiralitätsseite, die Stückhofs, Moskowische, Jamskoi [401] und Weogner Seite, die Wasili-Ostrowsche, St. Petersburgische und Wiburgische Seite.

Der vorzüglichste Theil von Petersburg (welches, wie alle große Städte von einem solchen Umfange, mehrere oft einander ganz entgegengesetzte Partien bildet) ist die Admiralitätsseite; eine prächtige Insel, die von der Newa und Fontanka, einem Arme von jener, umgeben wird. Den Namen führt sie von dem daselbst sich befindenden Admiralitätsgebäude, an welchem die Vergoldung der Thurmspitze 60,000 Ducaten kostet. Nahe bei dem letztern ist a) der berühmte Winterpallast; ein überaus großes und prächtiges Gebäude, wo Catharina II. den größten Theil des Jahres residirte. Im Brillantenzimmer bewahrt man bei einem großen Schatz von Diamanten die Reichsinsignien; am Zepter ist der berühmte große Stein von 779 Gran. In der Eremitage befinden sich eine Menge Kunstwerke, die Handbibliothek und mehrere Sehenswürdigkeiten. b) Der kaiserl. Sommerpallast; ein einfaches Gebäude mit vortrefflichen Gärten, von denen der eine für jederman offen ist und zu öffentlichen Spazirgängen dient. c) Der große Platz, der schönste in Petersburg, mit der berühmten Statue Peters des Großen, deren Fußgestell, ein ungeheures Felsenstück, 3 Millionen Pfund wiegt, und von Cephalim 6 Werste weit zu Lande bis an die Newa, und auf derselben 20 Werste weit nach Petersburg gebracht wurde (vergl. d. Art. Falconet). d) Die Russischen Buden; ein überaus weitläuftiges Gebäude, eine der schönsten Einrichtungen der Stadt. Sie fassen die beiden Vierecke des großen Marktes ein, und sind größten Theils auf Kosten der Krone, die sie dann vermiethet, von Steinen erbaut; ein Augenzeuge vergleicht sie mit dem Palais Royal zu Paris.

In dem Petersburger Theile liegt die Festung, die Peter i. J. 1703 anlegte, und 1740 vollendet wurde; da sie aber jetzt fast mitten in der Stadt liegt, so dient sie theils zum Glanze derselben, theils zu einem sichern Gefängniß. Mitten in der Festung steht die St. Peter- und St. Paulkirche, worin man die Grabmähler Peter I. und der Kaiserinnen Catharina, Anna und Elisabeth findet. Hinter [402] dem Sarge Peter I. sind verschiedene Sachen aufgestellt, welche dieser Kaiser selbst schnitzte1. – – – In dem Wasili-Ostrowschen Theile befinden sich: die kaiserl. Akademie der Wissenschaften, die hohen kaiserl. Collegia, das Land-und See-Cadetten-Corps, die Börse u. s. f.

Die kaiserl. Kunst- und Naturaliensammlungen sind sehr bedeutend; und es ist kraft eines ausdrücklichen Decrets jedem Aufseher über eine davon verboten, eine Erkenntlichkeit anzunehmen. – Die Akademie der Wissenschaften, deren jährliche Einkünfte 70 bis 80,000 Rubel betragen, ist sehr ermuntert worden, deßgleichen die Akademie der Künste, mit welcher eine Lehranstalt für 300 junge Leute verbunden ist, und die ein sehr schönes Gebäude und 60,000 Rubel jährliches Einkommen hat. Es giebt überhaupt viele gemeinnützige Anstalten in Petersburg; und Catharina II. verdient den Namen einer zweiten Schöpferin dieser Stadt.

Petersburg hatte übrigens im J. 1787 3431 Häuser, von denen 1291 von Stein erbaut sind, und i. J. 1789, ohne Hofstaat, Akademie und drei abwechselnde Feldregimeuter, 217 948 Einwohner, unter denen man ein Achttheil Deutsche rechnet. Die dasigen Fabriken sind noch lange nicht das, was sie sein könnten. Uebrigens dauert die für den Ausländer äußerst empfindliche Winterkälte daselbst gewöhnlich 5 Monathe, November bis Anfang April2. So kalt indeß der Winter ist, so heiß ist wieder der Sommer. Eine wahre Wohlthat für Petersburg ist bas Newa-Wasser, das ganz vortrefflich und rein wie Krystall ist.

[403] Von den kaiserlichen Lustschlössern nenne ich bloß: Czarskoe-Selo, nach dem Urtheile der Kenner eins der prächtigsten Lustschlosser in der Welt (es war der vorzüglichste Sommeraufenthalt der verstorbnen Kaiserin, welche den trefflichen Garten nach ihren Ideen auf das reitzendste verschönert und in einen wahren Zaubergarten verwandelt hat); ferner Petershof, ebenfalls sehenswerth, wohin ein trefflicher Weg führt, wo sich aber die Kaiserin den Sommer nur einige Wochen aufhielt; Oranienbaum, wo sie ein Haus bauen lassen, das die Eremitage genannt wird.


Fußnoten

1 Auch ist auf der Petersburger Insel noch die erste Wohnung vorhanden, die Peter im J. 1703 für sich erbauen ließ; ein kleines hölzernes Häuschen, das man, um es zu erhalten, mit einer Mauer eingefaßt und einem Dach bedeckt hat.


2 Es werden auf den Straßen, öffentlichen Plätzen und vor dem kaiserl. Palais auf öffentliche Kosten große Feuer angemacht, wobei sich die vorbei gehenden und fahrenden wärmen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 401-404.
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