Turin

[254] Turin, der Mittelpunkt von Piemont, und vorher die Residenz des Königs von Sardinien, liegt am Po, der zwischen ihren Mauern und einer der Vorstädte hindurch fließt. Für die Handlung ist diese schöne Stadt, welche auf 90,000 Einwohner zählt, sehr bequem gelegen; und die Reise, die man über die Alpen machen muß, wenn man aus Frankreich hieher will, wird durch die Maulthiere äußerst erleichtert. Turins Haupthandel besteht in Piemontesischer Seide, worin auch hier vorzüglich die Manufakturen arbeiten. Unter den Gebäuden zeichnen sich vorzüglich die Cathedralkirche, der königliche Palast, das Zeughaus und hauptsächlich auch die Citadelle sehe aus. Die Dotation der hier befindlichen Universität und der dazu gehörigen Anstalten beträgt 300,000 Franken. – Turin, schon zur Zeit des Ersten Punischen Kriegs als Hauptstadt der Tauriner bekannt, ward zur Zeit [254] Cäsar Augustus unter dem Namen Augusta Taurinorum eine Römische Pflanzstadt. Unter den Langobarden sowohl, als unter den Karolingischen Königen diente sie, so wie auch nachher unter den Grafen und Herzogen von Savoyen, zur Residenz. Von den Franzosen ist diese Stadt in älterer und neuerer Zeit sehr heimgesucht worden: in den Jahren 1536, 1638, besonders 1706, wo sie 3½ Monate von ihnen vergeblich belagert und zuletzt vom Prinz Eugen entsetzt, die Französische Armee aber gänzlich geschlagen wurde. In dem neuesten Französischen Revolutionskriege mußte auch Turin abermahls ein ähnliches Schicksal erfahren: die Citadelle wurde von den Franzosen eingenommen, und dann 1799 von der Oestreichischen Armee bombardirt und zur Uebergabe gezwungen. Seit der merkwürdigen Schlacht bei Marengo aber ist auch sie wieder in die Hände der Franzosen gekommen, und im Jahre 1802, da Piemont durch einen Beschluß des Erhaltungs-Senats förmlich dem Gebiet der Französischen Republik einverleibt wurde, Turin die Hauptstadt des Po-Departements geworden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 254-255.
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