Turin

[500] Turin, die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Sardinien, liegt in Piemont am linken Ufer des Po, in welchen sich hier die Sagona und die Dora Riparia ergießen, in einer reizenden, nach einer Seite besonders malerisch von Hügeln mit Landhäusern, Schlössern und Dörfern begrenzten Ebene, und hat 125,000 Einw. Sie wird in Alt- und Neu-T. getheilt, hat zwei Vorstädte, eine sehr starke Citadelle, welche ein regelmäßiges Fünfeck bildet und [500] Zeughäuser und eine Stückgießerei enthält; die ehemaligen Festungswerke der Stadt selbst sind aber jetzt abgebrochen und an deren Stelle Spaziergänge angelegt worden, sodaß T. keine Mauern mehr und blos noch ein Thor hat. Es gehört zu den regelmäßigsten und schönsten ital. Städten, ohne jedoch allgemein wichtige Werke der Baukunst zu besitzen, und hat 32 Hauptstraßen, die sich alle rechtwinklich durchschneiden. Mehre derselben und auch der viereckige Königs- oder Karlsplatz, der größte von den sechs öffentlichen Plätzen, sind von Bogengängen eingefaßt. Viele Häuser sind palastähnlich gebaut und vier Stockwerk hoch; ausgezeichnete Gebäude sind das königl. Schloß aus dem 17. Jahrh., das neuere Schloß, Castello, mit einer Gemäldesammlung, der geschmackvolle Palast Carignano, der Senatspalast, das Museum mit seinen berühmten Kunst- und (besonders ägypt.) Alterthümersammlungen, die Gebäude der Akademie und Universität, die St.-Johannis- und Kathedralkirche mit der von einer ringsum von Fenstern geschlossenen Kuppel bedeckten Kapelle des h. Schweißtuchs. Außerdem gibt es noch 42 Kirchen, von denen die des h. Philipp's von Neri die schönste ist, 16 Mönchs-, 9 Frauenklöster und ein Jesuitencollegium. T. ist der Sitz eines Erzbischofs, einer 1404 gestifteten Universität mit beträchtlicher Bibliothek, einer Sternwarte und einem botanischen Garten; berühmt sind die hiesigen Sammt- und andere Seidenfabriken, und für den Seidenhandel und den Landhandel zwischen Italien und Frankreich ist T. ein Hauptplatz. Unter den königl. Lustschlössern in der nächsten Umgegend der Stadt sind Valentino am Po, welches durch eine Stunde lange Allee mit T. verbunden ist, das ebenso nahe La Veneria und das prächtige Jagdschloß Stupinigi die bedeutendsten. – In der frühesten Zeit hieß T. Taurasia, und weil es sich Hannibal bei seinem Marsche nach Italien widersetzte, ward es von ihm erstürmt und dabei alle wehrhaften Männer niedergemacht. Nachdem die Römer eine Colonie dahin geführt hatten, bekam T. den Namen Augusta Taurinorum und war nach Untergang des röm. Reichs abwechselnd den Gothen, Hunnen, Longobarden unterthan; nach Zerstörung ihres Reichs errichtete Karl der Große dort ein Markgrafthum. Später war es Hauptstadt von Savoyen, und von 1536–62 im Besitz der Franzosen, die es 1640 nach kurzer Belagerung eroberten. Dagegen mußten sie 1705–6 ihre Belagerungen von T. aufheben; 1796 eroberten es ihre republikanischen Heere, 1799 aber nahmen es die Östreicher, die es nach der Schlacht bei Marengo 1800 ihnen wieder überlassen mußten, worauf es mit Piemont bis 1814 unter franz. Botmäßigkeit blieb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 500-501.
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