Variationen (Musik)

[294] Variationen (Musik): dieser Kunstausdruck, welcher bekannter Maßen Veränderungen bezeichnet, wird in zweifacher Bedeutung gebraucht: 1) wenn eine Melodie, die in einem Satze öfterer vorkommt, von Sängern oder Spielern bei der Wiederhohlung abgeändert, oder anders als das erste Mahl, jedoch, ohne die eigentlichen Harmonieen oder Akkorde, auf welche sie gebaut ist, zu verletzen, vorgetragen wird: ehedem war dieß besonders für Sänger ein Feld, sich herum zu tummeln, da öfters die Componisten nur die Hauptnoten setzten, und nun die Verzierung und Ausführung derselben jenen überließen; mit Recht aber haben die [294] neuerlichen verständigern Tonsetzer diese eigenmächtigen Veränderungen, die öfters ohne Einsicht von den Sängern herausgegurgelt wurden, abgeschafft, und selbst genau die Verzierungen vorgeschrieben, welche diese auch nun in dem Vortrage genau beobachten müssen. 2) sind Variationen ein jetzt sehr beliebtes Musik-Stück, wo über ein und eben dasselbe Thema mehrere Melodieen, die von jenem Hauptsatze mehr oder weniger abweichen, bald für ein Instrument, bald für mehrere abwechselnd, gesetzt werden. Daß diese Art äußerst angenehm und unterhaltend ist, weiß jeder Musikliebhaber; daß der unvergeßliche Mozart auch hierin treffliche Meisterstücke gegeben hat, weiß jeder Clavierspieler; auch Haydn hat selbst in seinen Sinfonien öfters mit großem Effect für mehrere Instrumente solche Variationen geschrieben; ja, neuerlich hat man für Singstimmen über beliebte einfache Liedermelodieen sehr glückliche Versuche der Art gemacht (z. B. Nighini u. m.): allein daß auch hierin großer Mißbrauch, und die Sucht zu variiren von dem Nachahmer-Heere gar sehr ins Kleinliche und Unbedeutende getrieben wird, ist eine sehr unangenehme Wahrnehmung. – Daß übrigens ein einfaches Thema, besonders einzelne einfache Volkslieder dazu am passendsten sind, ist leicht einzusehen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 294-295.
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