William Jones

[492] William Jones (spr. Williäm Dsjanes), einer der berühmtesten Orientalisten der neuern Zeit, geb. den 28. Sept. 1746 zu Wales, wurde schon frühzeitig durch seinen Vater (einen Schüler und Freund Newtons) anʼs Denken gewöhnt. Nach dem bei [492] diesem zuerst genossenen Unterricht in der classischen Literatur kam er auf die Schule zu Harrow, zeichnete sich schon hier durch Fassungskraft und besonders durch seine Liebhaberei für lateinische Poesie aus, bezog dann 1763 die Universität Oxford, und ehe er das 22. Jahr erreicht hatte, war er nicht blos mit der griechischen, hebräischen, lateinischen, sondern auch mit der arabischen und persischen Sprache ganz vertraut, ohne jedoch dabei die französische Sprache zu vergessen, in welche er in seinem 24. Jahre die Geschichte Nadir Shahs aus dem Persischen übersetzte, dessen Original der König von Dänemark nach England gesendet hatte, damit gelehrte Orientalisten eine französische Uebersetzung davon fertigen möchten. – Bei diesem entschiedenen Hange für die orientalische Literatur entschloß er sich doch, die Rechtsgelahrtheit zu studiren, ja er widmete sich nebenher auch noch der Naturgeschichte. Bald erwarb er sich durch mehrere Arbeiten und auch Uebersetzungen einen bedeutenden Ruf und die Bekanntschaft der ersten Köpfe jener Zeit, eines Johnson, eines Josuah Reynolds u. m. Bei einer Reise, die er 1782 nach Frankreich und Paris machte, wurde er dem König Ludwig XVI. vorgestellt: dieser legte ihm mehrere Fragen über die durchreisten Provinzen vor, und Jones beantwortete sie allemal in dem besondern Dialecte dieser Provinzen. Ein Hofmann machte nach Jones Entlassung, da der König seine Verwunderung über jene Kenntnisse äußerte, die Bemerkung, es sei in der That merkwürdig, daß Jones alle Sprachen der Welt, nur seine eigne nicht verstünde (nemlich die Walliser – ein bekannter Vorwurf, den man den in Wallis lebenden Engländern macht).

Im J. 1783 wurde Jones zum Mitgliede des Obergerichts zu Calcutta ernannt, wohin er, nachdemer nur erst geheirathet hatte, sich einschiffte, und unter andern auch zu Hinzuan (Johanna), einer kleinen Insel, sich mit den dasigen Einwohnern, einer arabischen Colonie, zu ihrem Erstaunen in ihrer Muttersprache unterhielt. Eben auf dieser Reise entwarf er auch den Plan zu der gelehrten asiatischen [493] Gesellschaft, den er denn bald nach seiner Ankunft zu Calcutta bekannt machte, Beifall damit fand, und, da der Beförderer dieser Gesellschaft, der durch seinen Proceß berühmt gewordene General-Gouverneur Hastings, das ihm angetragene Präsidium nicht annahm, selbst dazu gewählt wurde, wo er denn im Februar 1784 die Gesellschaft mit einer feierlichen Rede eröffnete. Hier studirte er denn nun mit dem angestrengtesten Fleiße, und ohne doch seinen Amtsgeschäften im mindesten Abbruch zu thun, hauptsächlich die Sanscrit-Sprache, die er sich innerhalb drei Jahren zum Erstaunen der gelehrtesten Braminen ganz zu eigen machte. Bei dieser strengen Eintheilung seiner Zeit war es denn auch nur möglich, daß er zugleich von 1788 bis 93 einige interessante Werke (unter andern auch eine Uebersetzung des Schauspiels Sacontala, wovon wir auch von Forster und Hüttner deutsche Uebersetzungen erhalten haben) drucken lassen konnte. Das nützlichste Unternehmen für Indien war unstreitig eine ausführliche Sammlung der Hindus- und Mahomedanischen Gesetze aus dem Sanscrit und aus dem Arabischen mit Hülfe sachverständiger Landesgelehrten; allein er konnte sie nicht vollenden: eine gallichte Krankheit, die ihn 1794 übersiel, und an welcher er den 27. April auch starb, entriß ihn der Vollendung dieser Arbeit und dem so thätigen Wirken für Alles, was nur durch Gelehrsamkeit fürs allgemeine Wohl gethan und bewirkt werden kann. Allgemein betrauert – da auch selbst sein liebenswürdiges musterhaftes Benehmen gegen Andere so sehr für ihn einnahm – suchte man auch nach seinem Tode noch sein Andenken zu ehren, und in England wurden ihm 1803 zwei Grabmonumente, Eins von mehreren Mitgliedern der Universität Oxford und Cambridge, das Andere von seiner Wittwe errichtet. Seine Grabschrift, die er sich selbst verfertiget, ist zu schön, als daß wir sie nicht zum Schlusse noch zugleich als eine Charakteristik des treflichen Mannes hier aufführen sollten: »Hier liegt der sterbliche Rest eines Mannes, der Gott fürchtete, aber nicht den Tod; der auf Unabhängigkeit [494] hielt, aber keine Reichthümer suchte; der keinen unter sich hielt, als den Niedrigdenkenden und Ungerechten, keinen über sich, als den Weisen und Tugendhaften; der Verwandte, Kinder, Freunde, Vaterland mit einem Eifer liebte, der die Hauptquelle aller seiner Freuden und Leiden war, und der, nachdem er ihrem Dienst und seiner geistigen Vervollkommnung sein Leben geweiht hatte, ihm ruhig entsagte, und seinem Schöpfer die Ehre gab, Friede auf Erden wünschend und mit gutem Willen gegen alle Geschöpfe etc.«

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 492-495.
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