Äquilibristik

[103] Äquilibristik bezeichnet, übereinstimmend mit seiner lat. Abstammung, die Kunst, Etwas im Gleichgewichte zu halten, sei es nun der Körper selbst oder irgend ein anderer Gegenstand, und einen Äquilibristen nennt man Den, der dieses kunstgemäß übt. In den Kreis der äquilibristischen Künste gehört das Laufen, Springen, Ringen, Klettern, Seiltanzen, Reiten, Balanciren u.s.w., keineswegs aber die sogenannte Taschenspielerei. In Griechenland bildeten Körperübungen seit den frühesten Zeiten einen wesentlichen Theil der öffentlichen Erziehung, und körperliche Gewandtheit durfte Keinem abgehen, der auf allgemeine Bildung Anspruch machen wollte. Das wahre Vaterland der äquilibristischen Künste ist Indien und es leisten noch gegenwärtig die indischen Äquilibristen, gewöhnlich Jongleurs genannt, Dinge, welche an das Unglaubliche grenzen. Sechs, acht und noch mehr Kugeln von bedeutender Schwere und Größe werfen sie in den verschiedensten Kreisen um sich herum und fangen sie regelmäßig auf, um sie neue Bohnen beschreiben zu lassen. An einem oft mehr denn 30 F. hohen Bambusrohre klettern sie in die Höhe, legen sich oben, wo auf dem Bambus eine Scheibe befestigt ist, mit dem Bauche über dieselbe und hüpfen dann, indem sie die Stange mit sich in die [103] Höhe ziehen, längere Zeit herum. Daß aber indische Jongleurs einen Knäuel Bindfaden in die Luft werfen und an dessen sich abwickelndem Faden hinanklettern und dergleichen, sind Fabeln, denen, obgleich sie in Reisebeschreibungen sich finden, nur Thörichte Glauben beimessen. Unter den Europäern haben die Italiener und Franzosen die meisten Anlagen zu äquilibristischen Künsten, die Deutschen sind zu ernst für dieselben; doch zeigte sich in der neuern Zeit unter ihnen ein reges und lobenswerthes Streben, eine größere Körperausbildung zu erzielen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 103-104.
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