Börne

[299] Börne (Ludw.), unter den deutschen politischen Schriftstellern der neuesten Zeit vielleicht derjenige, welcher das meiste Aufsehen erregte, ist der Sohn eines jüdischen Wechslers, Jak. Baruch, und 1784 zu Frankfurt am Main geboren. Nachdem B. die Universitäten Berlin und Halle besucht hatte, um Medicin zu studiren, die einzige Wissenschaft, bei der ihm seine Religion nicht unbedingt hinderlich war, entsagte er ihr doch 1807, als sich den Israeliten günstigere Aussichten hinsichtlich ihrer bürgerlichen Stellung zu eröffnen schienen, widmete sich in Heidelberg und Gießen den Staatswissenschaften und wurde nach der Rückkehr in seine Vaterstadt daselbst als Policeiactuarius angestellt. Als aber nach dem Untergange des franz. Kaiserthums Frankfurt wieder in den Besitz seiner alten reichsstädtischen Freiheiten und Rechte kam, wurde B. unter Ertheilung eines Jahrgeldes seiner Stelle entsetzt und betrat nun die ihm mehr zusagende schriftstellerische Laufbahn. Er wurde Herausgeber mehrer Zeitschriften, veranlaßte aber durch die darin ausgesprochenen politischen Ansichten, daß er verhaftet und in eine peinliche Untersuchung verwickelt wurde, aus welcher er jedoch als völlig schuldlos hervorging. Hierauf trat B. 1817 zur evangelischen Kirche über wobei er den Namen Börne annahm, lebte abwechselnd in seiner Vaterstadt, in Hamburg und Paris und erregte erst durch Herausgabe seiner »Gesammelten Schriften« (10 Bde., Hamb. 1829–31) wieder allgemeine Aufmerksamkeit. Die ersten acht Bände derselben beweisen, daß B. ein geistvoller, scharfsinniger und ebenso gewandter als witziger Schriftsteller, wenn auch nicht grade ein tiefer Denker sei, und sich ein edles Ziel für seine Thätigkeit vorgesteckt habe. In seinen spätern Schriften dagegen, die nach der Juliusrevolution meist in Paris verfaßt wurden, hat er, vielleicht aufgeregt vom Anschauen eines großartigern Volkslebens, als er es in Deutschland gewohnt war, sich über Zustände der Gegenwart mit so wilder, sorgloser und gewissenloser satirischer Laune und mit einer Leidenschaftlichkeit ausgesprochen, welche kaum vermuthen lassen, daß er seine frühern Ansichten nicht verändert habe.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 299.
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