Pauline

[431] Pauline (Christine Wilhelmine), die berühmte Fürstin zur Lippe, geb. 1769 zu Ballenstedt, war eine Tochter des Fürsten Friedrich Albert von Anhalt-Bernburg und erwarb sich aus Neigung so gründliche und vielseitige wissenschaftliche Kenntnisse, daß sie sehr bald ihren Vater bei den Regierungsgeschäften unterstützen konnte und seit 1790 besonders den Verhandlungen mit andern Höfen vorstand. Auch sonst hatte ihre ganze Bildung eine mehr männliche Richtung und in Dem, was gewöhnlich für weibliche Fertigkeiten gilt, war sie wenig bewandert; dagegen war sie geistvolle Dichterin, der latein. Sprache mächtig, in den Rechten erfahren und mit dem gesammten Mechanismus einer Regierung vertraut. Den lebhaftesten Antheil nahm sie an der Beförderung der Volksbildung und dieser Gegenstand blieb fortwährend Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit, nachdem sie 1796 aus eigner Wahl dem regierenden Fürsten Leopold von Lippe-Detmold ihre Hand gereicht und nach dessen Tode 1802 die vormundschaftliche Regierung für ihren Sohn übernommen hatte, der sie in den schwierigsten Zeitverhältnissen mit großer Auszeichnung vorstand. Selbst Napoleon's Achtung gewann sie in so hohem Grade, daß er Befehl gab, ihr Fürstenthum von Kriegsrequisitionen frei zulassen. In Regierungssachen erstreckte sich ihre einsichtsvolle Selbstthätigkeit über Alles und wie sie Begründerin der ersten Kleinkinderschule (s.d.) in Deutschland war, ebenso ordnete sie die zweckmäßige Organisation und Verpflegung ihres Militairs, führte den Vorsitz bei den Versammlungen ihrer Räthe und behauptete 1812 und 1818 in Streitigkeiten mit Lippe-Schaumburg ihr Ansehen sogar mit Hülfe von Truppen. Einen ungewöhnlichen Beweis von Vertrauen gab ihr die Stadt Lemgo, welche ihr das Bürgermeisteramt antrug, das sie auch übernahm; dagegen verhinderten die Landstände die Einführung einer von ihr selbst entworfenen neuen Verfassung. Am 4. Jun. 1820 übergab sie die Regierung ihrem ältesten Sohne Leopold Paul Alexander (s.d.) und starb im Genusse der allgemeinsten Achtung am 29. Dec. desselben Jahres.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 431.
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