Versöhnung

[917] Versöhnung, im theol. Sprachgebrauch die durch Christus bewirkte Wiederherstellung der durch die menschliche Sünde zerstörten Gemeinschaft mit Gott. Paulus rückte die durch Christi Blut vermittelte V. zwischen Gott und den Menschen in den Mittelpunkt der christl. Heilslehre. Ihre volle Ausbildung erhielt die kirchliche Lehre durch Anselm von Canterburys sog. Satisfaktionstheorie: die Verletzung der Ehre Gottes durch die menschliche Sünde erheischt eine Genugtuung (satisfactĭo), die an Stelle der dazu unfähigen Menschen der Gottmensch Christus durch die freiwillige Hingabe seines sündlosen Lebens leistet (stellvertretende Genugtuung Christi). Die altprot. Theologie bildete diesen Gedanken dahin weiter, daß sie die Genugtuung Christi nicht sowohl wegen einer Ehrbeleidigung Gottes, sondern wegen der Verletzung des heiligen Gesetzes, das Gott aufrecht zu erhalten hat, für notwendig erachtete, und sah die von Christus geleistete Genugtuung in seinem aktiven und passiven Gehorsam, d.h. seiner Gesetzerfüllung und seiner Erduldung der Sündenstrafen an unserer Statt. – Vgl. Ritschl, »Die christl. Lehre von der Rechtfertigung und der V.« (3 Bde., 3. Aufl. 1888-89; Bd. 3, 4 Aufl. 1895); Häring, Zur Versöhnungslehre (1893).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 917.
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