Ehebruch

[277] Ehebruch. Die Heiligkeit des ehelichen Bündnisses ist eine so erhabene, dem sittlichen Gefühle so eingeborene, daß selbst die wildesten Völker die Verletzung der ehelichen Treue bestrafen und in der Regel härter ahnden, als unsre europäischen Gesetzgebungen. Viele Erfahrungen der Geschichte einzelner Nationen bestätigen es, daß darnach, ob ein Volk den Ehebruch mit gleichgiltigerem Auge betrachtet, zu beurtheilen ist, ob die Ehre und das Glück desselben im Sinken sei. Nach den Gesetzen des alten Griechenlands bestimmte die Willkür des Mannes die Strafe der Ehebrecherin, das strenge mosaische Recht tödtete den fehlenden Theil, die Trojaner steinigten den Ehebrecher: die Neger bestrafen das Verbrechen weniger hart. Bei den alten Aegyptern kam die Ehebrecherin mit dem Verlust der Nase davon, die Chinesen verkaufen sie als Sklavin, die Japanesen tödten sie. Nach den Gesetzen des alten Rom und auch bei den deutschen Völkern, wo der Ehebruch nur selten vorkam, durfte jeder Ehemann seine im Ehebruch ertappte Gattin mit dem Ehebrecher, und eben so der Vater seine darin befundene Tochter tödten. Unsere Gesetze bestimmen noch jetzt Todesstrafe, doch wird bei uns auf dieselbe nicht mehr erkannt und nur selten Zuchthausstrafe auferlegt. Ein Milderungsgrund bei der Strafe ist die ausdrückliche oder stillschweigende Verzeihung des beleidigten Theils. Bei den Protestanten ist der Ehebruch Scheidungsgrund, bei den Katholiken gibt er Ursache zur Scheidung von Tisch und Bett. Der Ehebruch ist entweder einfach oder doppelt; eine besondere Gattung, von welcher Goethe's Wahlverwandtschaften ein Beispiel aufstellen, ist der sogenannte moralische oder geistige Ehebruch.

T.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 277.
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