Kunstprincip

[238] Kunstprincip, ist die höchste Norm für die Hervorbringung des Schönen, das allgemein giltige Grundgesetz, nach welchem der Künstler eine Idee auffaßt und einkleidet. Jedes Zeitalter erzeugte ein neues Kunstprincip; dieses ging aus der jedesmaligen Gesammtbildung eines Volkes hervor, und seine Geschichte verschmilzt in der Entwickelungsgeschichte des menschlichen Geschlechtes selbst. Vielerlei Einwirkungen fanden auf dasselbe Statt, und es änderte sich dort, wo sich Sitten und Religion änderten. – Der Grieche stellte als höchstes Gesetz für die Kunst, als Kunstprincip, auf: Himmlische Ruheinirdischer Form. Seine einfach edle Zeit verschwand und des Römers praktischer Sinn dictirte: Wahrheit des Lebens. Das Mittelalter bildete die Romantik aus.[238] Die neuere Zeit floß aus ihr als die Morgenröthe eines wundervollen Tages. In Spanien und Italien ward Religion Norm und Zweck für alle Kunst. Endlich erschien Shakespeare. Die Natur, wie sie ist – war sein Princip. Schiller gab der neuen Zeit: Veredelte Natur; Goethe (im Uebergange zur neuesten Epoche: Leben der Erde. Der wäre wohl der höchste Künstler, der mit der gigantischen Kraft und Sehergabe Shakespeare's, den Seelenadel Schiller's und Goethe's Weisheit und Klarheit verbände.

B– l.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 238-239.
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