Marschner, Heinrich

[126] Marschner, Heinrich, Kapellmeister in Hannover und Doctor der Musik, einer der vorzüglichsten deutschen Operncomponisten der Gegenwart, der durch gewandte Praktik, geistreiche Behandlung und Eigenthümlichkeit der Erfindung stets unser Interesse zu erwerben versteht. Weber's romantischer Bahn folgend, zuweilen in zu ähnelnder Nachahmung, verfiel er auch zuweilen in dessen Schwächen. Oft vermißt man in seiner Musik den wahren Gesang, der nur wie ein schüchterner Fremdling auftritt; es herrscht in ihr eine fieberhafte Erregung, eine materielle Leidenschaftlichkeit ohne die Ruhe der Schönheit, wodurch unsere Gefühle überreizt und abgestumpft werden. Seine Instrumentation tödtet bisweilen die Singstimmen: wir sehen Bajaderen, die uns mit leidenschaftlichen Bewegungen umschweben, Kinder der Liebe, welche die Liebe nicht kennen, und Genrebilder mit zu starken Farben aufgetragen. Dagegen finden wir Ersatz in den pikant charakteristischen, treffend malerischen, durch die Fülle der Wahrheit ergreifenden einzelnen Momenten und in der geistreichen Originalität kleinerer Piecen im[126] Liedergenre. Der Vampyr, die erste erfolgreiche Oper M's, enthält seine blühendsten Melodien, obgleich er in ihr noch am wenigsten selbstständig auftritt; im Templer und der Jüdin blitzen einzelne Lieder wie echte Diamanten unter falschen Steinen; in Hans Heiling herrscht mehr Ruhe, Klarheit der Form und gemäßigtere Instrumentation. Des Falkners Braut und sein letztes Werk, das Haus am Aetna, fanden weniger Beifall. Unter seinen ein- und mehrstimmigen Liedern findet sich viel Treffliches. M. ist 1795 in Zittau geb., erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht durch Hering, sollte in Leipzig Jurisprudenz studiren, gab aber diese bald auf und widmete sich ganz der Musik. Durch die Unterstützung des Grafen Amadée ging er 1816 nach Wien, nahm dann eine Musiklehrerstelle in Preßburg an und wurde 1823 als Musikdirector der deutschen und italienischen Oper in Dresden angestellt. Er heirathete 1826 die Sängerin Mariane Wohlbrück, nachdem er nach Leipzig zurückgekehrt war, und erhielt endlich 1830 einen Ruf als Kapellmeister und Director der Oper nach Hannover, wo er sich noch gegenwärtig befindet.

–k.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 126-127.
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