Gesang

[402] Gesang heißt der Vortrag der Rede in abgemessenen und ihrer Höhe nach bestimmten Tönen, die vermittelst einer besondern Modification der Stimme hervorgebracht werden. Im weitern Sinne versteht man darunter die Melodie der Hauptstimme eines Tonstückes. Sprache und Gesang lagen einander vor ihrer Ausbildung weit näher. In dem Zustande erhöhter Empfindung ließ der Mensch die Sprache in den Gesang übergehen. Nur allmälig bildete sich aus diesen Naturlauten der eigentliche Gesang, der Anfangs vielleicht nur eine affektvollere Sprache war. Bis gegen das zehnte Jahrhundert wurde der Gesang bloß einstimmig ausgeübt. Erst nachher erfolgte dessen weitere Ausbildung, die in unsern Zeiten wohl den höchsten Gipfel erreicht hat. Zu dem künstlichen Gesange ist erforderlich 1) eine gute Stimme von hellem, starkem und gleichem Ton nebst Biegsamkeit und einem beträchtlichen Umfang derselben. Diese ist Naturgabe, obgleich sie durch Uebung sehr vervollkommnet werden kann. 2) Fertigkeit im Notenlesen und Verständniß aller zur Tonschrift gehörenden Zeichen. 3) Richtige und reine Intonation. 4) Richtige Eintheilung der Noten nach ihrem Zeitmaße. 5) Deutliche Aussprache der Wörter und Sylben 6) Guter Vortrag, d. h. eine den auszudrückenden Empfindungen angemessene Modification der Töne, wodurch der Ausdruck verstärkt und verschönert wird. Zur Uebung im Gesang sind die Solfeggi und Exercici von Righini, Crescentini, Mercadante und Fetis besonders zu empfehlen. Zu den besten Büchern über den Gesang gehören »Natalien's Briefe über den Gesang,« 2. Auflage. Leipzig, 1825.

E. O.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 402.
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