Stimme

[430] Stimme, die Offenbarung des inneren Lebens für das Gehör, der melodische Grund, auf welchen die Sprache ihren lustigen Tempel baut, der Inbegriff jener Töne, welche durch das Athmen erzeugt werden und besonders im Kehlkopfe entstehen. Nur wenig Säugethiere sind, wie der Ameisenbär, das Schuppenthier und die den Fischen nahestehenden Cetaceen, ganz ohne Stimme. Die Vögel sind bekanntlich die gesprächigsten Herolde der Natur unter den Thieren, und einige derselben wagen es sogar, des Menschen S. nachzuahmen. Blos einige Amphibien haben eine laute S.; viele vermögen nur zu zischen; andere, wie die Salamander, Schildkröten etc., sind ganz stumm. Mehrere Insekten und Fische geben Töne von sich, indem sie ihre Flugwerkzeuge bewegen. Die verschiedenen Töne der menschlichen S. werden in der Kehle durch die sich während des Sprechens oder Singens mehr erweiternde oder verengerndere Stimmritze, jene schmale, längliche Oeffnung hervorgebracht, welche sich oberhalb der Luftröhre zwischen den beiden gießkannenförmigen Knorpeln befindet, und durch die beim Sprechen und Athmen die Luft zu und von der Luftröhre hindurchgeht. Je höher der Ton, desto enger, je tiefer, desto weiter wird die Stimmritze; bei den hohen Tönen zieht sich zugleich der Kehlkopf in die Höhe, bei den tiefen wird er niedergezogen, und es kommt besonders auf seine Elasticität und Nachgiebigkeit an, ob die S. eine umfangreiche[430] und geläufige sein soll. Mehrere Naturforscher haben die Stimmritze in Bezug auf die Luftröhre mit dem Mundstücke einer Pfeife verglichen, so daß die hindurchstreichende Luft den Ton hervorbringe; andere erklärten, mehr der Theorie der Saiten-, als der Blasinstrumente folgend, die Entstehung des Tones aus der mehr oder mindern An- und Abspannung der Stimmritzenbänder; doch steht nur soviel fest, daß der Ton von dem Kehlkopfe und der Stimmritze überhaupt hervorgebracht, und durch die Zunge und Zähne, durch alle Weichgebilde des Mundes und der Nase mitgebildet und modulirt wird. Im krankhaften Zustande fehlt zuweilen die S. ganz (Aphonie) oder sie ist krankhaft verändert (Paraphonie, Cacophonie). – Bei den Singstimmen unterscheidet man bekanntlich 4 Hauptstimmen: Den Sopran oder Discant, den Alt, Tenor und Baß (s. d.). Die erstere trägt als Haupt- oder Oberstimme gemeiniglich die Melodie, auf der letztern, als der Grundstimme, ruhen die Accorde; die beiden mittleren heißen die Mittelstimmen. Zwischen dem hohen Sopran und dem Alt liegt nun noch der niedere oder halbe Sopran (mezzo soprane) oder der zweite Discant, neben dem hohen Tenor noch ein niederer, der Barytenor, und zwischen Tenor und Baß der Baryton (s. d.). Man spricht auch von 4 Stimmen in der Instrumentalmusik. Die erste Violine, die Flöte, Hoboe, Klarinette, Trompete, Posaune und das erste Horn bilden die Discant-, die zweite Violine, die Viola, das zweite Horn, die zweite Klarinette, zweite Trompete die Mittelstimme; das Violon die Grundstimme etc. Ueberhaupt hat in einem Musikstücke jedes mitwirkende Glied, sei es ein Instrument oder eine Singstimme, seine Partie oder S. darin. – Noch unterscheidet man die Brust von der Kopfstimme; bei ersterer soll die Stimmritze gleichmäßig verengt, im letztern Falle zum Theil verschlossen sein.

–i–

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 430-431.
Lizenz:
Faksimiles:
430 | 431
Kategorien: