Robespierre, Charlotte

[426] Robespierre, Cahrlotte, Charlotte, die Schwester des blutbefleckten Revolutionsmannes, über dessen Grabe sich die Verwünschungen zweier Generationen gehäuft und zu dessen Vertheidigung sich erst in neuerer Zeit einige Stimmen erhoben haben. Seine Schwester hat keineswegs, gleich der Mad. Roland, thätlich in den Gang der franz. Revolution eingegriffen; sie war sanft, tugendhaft, anspruchslos, aber sie theilte die republikanischen Grundsätze ihres Bruders und in dieser Ueberzeugung offenbarte sie eine konsequente männliche Seele. Dabei liebte sie alle Menschen, konnte nicht begreifen, wie man Jemandem Böses thun könne und ertrug eigenes Mißgeschick mit der standhaftesten Geduld, ohne die Schöpfer desselben zu hassen. – Nach dem Sturze des Blutrichters, den 9. Thermidor, wurde sie verhaftet, aber keiner Mitschuld angeklagt und als Waise und Verstoßene wieder in Freiheit gesetzt. – Napoleon, nach ihm Ludwig XVIII. und Karl X. bis auf Louis Philipp gaben ihr einen Jahrgehalt. – 40 Jahre lebte sie in Paris fast vergessen; erst ihr Tod, den 3. Aug. 1834, lenkte wieder die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf die Ruine einer Periode, die man in ihren furchtbaren Namen und Persönlichkeiten schon ausgestorben[426] glaubte, und so versammelten sich denn viele an ihrem einsamen Grabe auf dem Kirchhof Père la Chaise, wo ein Priester der neu-katholischen Kirche die Worte: »Citoyens, la soeur du grand Robespierre a cessé de vivre!« sprach. Ueber ihren Bruder äußerte sie in ihrem Testamente: »Je declare, que je l'ai toujours connu pour un homme plein de vertu, je proteste contre toutes les lettres contraires à son honneur, qui m'ont été atribuces.« Ihr geringes Mobiliar das sie von ihrem Bruder geerbt (er selbst hinterließ nur 50 Frcs Vermögen), vermachte sie, laut Testament, der Dem. Regina Luise Mathon, der Schwester des Bürgers Mathon, der sich nach dem 9. Thermidor der unglücklichen Waise väterlich angenommen. Sie starb unvermählt. – An ihrem Namen haftet kein Makel, will man ihre Liebe zu dem Bruder nicht als einen solchen gelten lassen.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 426-427.
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