[720] Robespierre (Franç. Maximilian Joseph Isidore), das verrufenste Parteihaupt der franz. Revolution, geb. 1750 zu Arras, war der Sohn eines durch eigne Schuld verarmten Advocaten, welcher nach längerm Umherirren in München gestorben ist, und erhielt seine Erziehung und wissenschaftliche Bildung hauptsächlich durch Verwendung des damaligen Bischofs seiner Vaterstadt. Nachdem R. in Paris die Rechte studirt hatte, lebte er in Arras als Advocat, gab mehrfach Beweise von Geschicklichkeit, zeichnete sich auch durch kleinere wissenschaftliche Arbeiten aus und ward Präsident der zu Arras bestehenden Akademie. Nur sehr allmälig trat er bei seinem von Jugend auf verschlossenen Charakter gegen einzelne Misbräuche auf, fing an, sich als Vertheidiger der Ansprüche des Volks zu zeigen und ward 1789 zum Abgeordneten von Arras bei den Reichsständen gewählt. Bei den Verhandlungen der daraus hervorgegangenen ersten oder constituirenden Nationalversammlung spielte R. noch keine selbständig hervortretende Rolle, erregte nur vorübergehendes Aufsehen, und wenn er auch wiederholt sogenannte republikanische Ansichten aussprach und gewaltsame Schritte der Volkspartei verfocht, nahm er doch auch die Monarchie als vortheilhafteste Regierungsform für einen so großen Staat wie Frankreich in Schutz. Indessen wuchs seine Heftigkeit mit der Theilnahme an der Gesellschaft der Jakobiner und seiner immer enger werdenden Verbindung mit Marat und Danton, und auch der große Hause fing an, ihm entschiedene Beweise von Beifall zu geben. Bald gehörte er zu den äußern Hauptstützen der Bergpartei in der am 1. Oct. 1791 eröffneten gesetzgebenden Nationalversammlung, zu der er als früheres Mitglied der constituirenden selbst nicht wählbar war, nachdem er aber im Sept. 1792 Mitglied des neuberufenen Nationalconvents geworden, begann seine ebenso einflußreiche als grausenvolle Thätigkeit. Zunächst bot er Alles auf, um die Verurtheilung und Hinrichtung Ludwig XVI. durchzusetzen und ließ durchaus keinen Aufschub derselben zu; dann ruhte er nicht, bis er die ihm entgegenarbeitende Partei der Gironde im Mai 1793 gestürzt und ihre vornehmsten Anhänger unter die Guillotine geliefert hatte und war seitdem der eigentliche Führer des Nationalconvents. Er war zugleich das Haupt des Jakobinerclubs und stand an der Spitze des unter seiner Leitung errichteten Wohlfahrtsausschusses, wodurch er mittels seiner Helfershelfer Gebieter von Frankreich war, das unter seiner Schreckensregierung der Schauplatz unerhörter Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten wurde. Niemand war seines Lebens mehr sicher unter der blutigen Herrschaft R.'s und seiner Anhänger, der in der constituirenden Nationalversammlung noch mit so großem Eifer gegen die Todesstrafe gesprochen hatte. Sein tyrannischer Vernichtungskampf wider Alles, was seinem Willen und der Republik zuwiderzulaufen schien, begünstigte aber jene ungeheure Kraftentwickelung, welche der letztern unter Carnot's (s.d.) näherer Leitung jene furchtbaren Heere verschaffte, durch die sie vor der Überwältigung durch übermächtige auswärtige Feinde[720] nicht blos gerettet, sondern sogar Überwinderin derselben ward. Die Siege der franz. Heere dienten der unnatürlichen, dessenungeachtet fortdauernden Tyrannei R.'s zur Stütze, gegen den selbst Danton (s.d.) vergeblich auftrat und diesen Versuch 1794 auf dem Blutgerüst büßte. Doch je mehr er sich seiner Nebenbuhler entledigte, um so mehr schien auch seine rücksichtslose Grausamkeit sich wo möglich noch zu erweitern, daher die gemeinsame Gefahr allmälig alle Parteien gegen den Wüthrich stimmte. Um sich dagegen durch gesteigerte Volksgunst zu sichern, versuchte er die Gemüther durch Herstellung einer Art von Religion sich zu nähern, und im Mai 1794 erschien deshalb jenes berüchtigte Decret, in welchem von Seiten der Republik die Anerkennung eines höchsten Wesens ausgesprochen und in Folge davon eine Feier desselben begangen ward, welche großen Beifall unter der Masse fand. Schmach und Elend machten sich aber unter seiner fortdauernden Schreckensregierung so allgemein fühlbar, daß selbst im Nationalconvent deshalb Klagen laut wurden. Ein Mädchen mit Namen Cecilia Regnauld, welche in R.'s Wohnung verhaftet wurde und zwei Messer bei sich führte, soll sogar dessen Ermordung beabsichtigt haben, ohne daß jedoch Beweise für einen solchen Anschlag vorhanden sind. Gleichwol ließ R. sie und ihre ganze Familie deshalb hinrichten, vielleicht um sich als einen Verfolgten zu bezeichnen und darauf Ansprüche erweiterter Machtvollkommenheit zu gründen. Allein unerwartet sah er sich am 27. Jul. 1794 (9. Thermidor) in Folge geheimer Verabredung, im Convente mit Couthon und St.-Just, seinen Genossen im Wohlfahrtsausschusse, ernstlich angegriffen, ohne daß er sich zu seiner Gegenrede Gehör verschaffen konnte. Als er die Rednerbühne besteigen wollte, dröhnte der Saal von dem Rufe: »Herunter mit dem Tyrannen!« und seiner Drohungen ungeachtet ward ein Anklagedecret wider ihn, seinen jüngern Bruder, Augustin Bon Joseph R., und die beiden Vorgenannten erlassen. Auf die Nachricht von diesen Vorgängen hatte sich sogleich die R. ergebene Gemeinde von Paris auf dem Stadthause versammelt und durch die Sturmglocke die Nationalgarde zu den Waffen gerufen, welche noch während der Sitzung unter ihrem Befehlshaber Henriot gegen den Convent anrückte, jedoch R.'s Verhaftung im Conventsaale nicht hinderte. Erst aus dem Gefängnisse im Luxembourg ward R. von seinen Anhängern gewaltsam befreit und im Triumph nach dem Stadthause gebracht, wo die Gemeinde schwur, ihn gegen den Convent zu schützen. Von diesem war Barras (s.d.) zum Generalissimus ernannt und mit der Wiederverhaftung des in die Acht erklärten R. beauftragt worden, der nicht den Muth zu gewaltsamem Widerstande besessen oder diesen nicht zu organisiren verstanden zu haben scheint. Er wurde daher von den Soldaten unter Barras im Versammlungssaale und nachdem er sich selbst mit ungeschickter Hand oder ein Gendarm ihm durch einen Pistolenschuß die Kinnlade zerschmettert hatte, gefangen und am folgenden Tage Nachmittag 4 Uhr mit 22 seiner gleichzeitig verurtheilten Anhänger hingerichtet. Schmähungen und Verwünschungen begleiteten ihn auf der Fahrt zum Blutgerüste und ein rasendes Weib sprach insbesondere den Fluch aller Gattinnen und Mütter über ihn aus. Vor der Hinrichtung riß ihm der Henker noch den Verband von der Wunde, wodurch das gräßlich entstellte Gesicht R.'s sichtbar wurde. Von untersetzter, mittler Statur, mit einem bleichen und durch Blatternarben entstellten Antlitz und erloschenen Blicken, besaß R. keineswegs Vorzüge der äußern Erscheinung; seine Stimme war rauh und kreischend und es war ihm nicht gegeben, ohne Vorbereitung als Redner viel zu leisten. Die Gunst des Volks verstand er aber sich zu erwerben und verlor sie nur durch die unnatürliche, gräßliche Entschiedenheit seines öffentlichen Charakters, zu der ihn die unerhörten Foderungen und überspannten Ansichten seiner Zeit unaufhaltsam hingedrängt zu haben scheinen. Übrigens starb R. ganz arm und Napoleon bewilligte deshalb R.'s Schwester, die 1834 in Paris starb, ein Jahrgeld von 1200 Francs, welches sie zwar nach Ludwig XVIII. Thronbesteigung verlor, 1830 aber wieder erhielt. R.'s jüngerer Bruder ward mit ihm hingerichtet.