Barras

[185] Barras (Paul François Jean Nicolas, Vicomte de), Mitglied des Nationalconvents und des vollziehenden Directoriums, geb. 30. Jun. 1755 zu Fohempoux in der Provence, aus einer Familie, von welcher das Sprüchwort ging: »Altadelig wie die Barras, die so alt sind, wie unsere Felsen«, gehört zu den Personen, welche weniger durch außerordentliche Geistesgaben, als durch entschiedenes Handeln mit umsichtiger Benutzung der Verhältnisse, einen wichtigen Einfluß auf die franz. Revolution ausübten. B. betrat frühzeitig die militairische Laufbahn, ging 1775 als Souslieutenant mach Isle de France, segelte von da nach Indien, litt aber unterwegs bei den maldivischen Inseln Schiffbruch und hatte das Glück, durch seine Entschlossenheit sich und die ganze Bemannung auf eine von Wilden bewohnte Insel zu retten, von wo Alle glücklich nach Pondichery gelangten. Während der bald darauf erfolgenden Belagerung dieses Platzes durch die Engländer nahm B. Theil an der Vertheidigung, diente nach erfolgter Capitulation auf der Escadre des Admirals Suffren und kehrte 1783 als Capitain nach Paris zurück, wo er ein sehr lustiges Leben führte und sein mittelmäßiges Vermögen durchbrachte. Darüber, sowie wegen seiner freien Meinungen, zerfiel er mit seiner Familie, erklärte sich gleich zu Anfange der franz. Revolution entschieden gegen den Hof, half die Bastille und später auch die Tuilerien stürmen. Im Sept. 1792 wurde er vom Departement des Var als Deputirter in den Nationalconvent gewählt, wo er sich an die Partei des Berges anschloß und für den Tod Ludwig XVI. stimmte. Mit Ricord und Fréron als Kriegscommissair in die südl. Provinzen geschickt, nahm er 1793 an der Belagerung von Toulon lebhaften Antheil, bei der sich auch der damalige Artilleriecapitain Bonaparte rühmlichst auszeichnete, zu dessen Ernennung als Brigadegeneral und Commandanten der Artillerie' bei der ital. Armee B. Vieles beitrug. In Toulon fielen nach der Einnahme der Stadt zahlreiche Opfer der Rache und B. wie Fréron waren die einzigen der in den Süden geschickten Deputirten, gegen welche von den Volksgesellschaften keine Anklage erhoben wurde. Er kehrte daher mit großem persönlichen Ansehen nach Paris zurück, wo Robespierre, der unterdessen seine Schreckensregierung begründet hatte, ihn zwar mit den Worten begrüßte: »Du hast das Vaterland durch deine Energie gerettet«, im Herzen aber auf seinen Untergang sann. B. durchschaute ihn, beschloß Gewalt gegen Gewalt zu brauchen, sammelte die gleichfalls bedrohten Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses um sich und spielte am 9. Thermidor (27. Jul. 1794) eine Hauptrolle, wo er vom Convent zum Generalissimus ernannt und mit der Beschützung desselben beauftragt, die Truppen des pariser Nationalgardecommandanten Henriot zurücktrieb und Robespierre's Sturz entschied. Er wurde nun Secretair und im Febr. 1795 Präsident des Convents, der ihm abermals den Oberbefehl der ihm ergebenen Truppen übertrug, als am 13. Vendemiaire (5. Oct. 1795) die royalistischen Sectionen gegen den Convent anrückten. B. wählte den in Paris anwesenden, seiner Anstellung beraubten General Bonaparte zu seinem Unterbefehlshaber und schrieb ihm den glücklichen Erfolg des Tages zu, der dafür zum Divisionsgeneral und Oberbefehlshaber der Armee des Innern ernannt ward, B. selbst aber wurde Mitglied des an die Stelle des Convents tretenden Directoriums. Als solcher entriß er Carnot das Portefeuille des Kriegsministers, weil er glaubte, durch seinen Einfluß auf Bonaparte ein beständiges Übergewicht zu erhalten, zerfiel aber darüber mit Jenem, der ihn zu stürzen suchte, allein bei den Begebenheiten des 18. Fructidor (4. Sept. 1797) unterlag. Von nun an herrschte B. fast unumschränkt, bis durch Sieyes' Eintritt ins Directorium (13. Jun. 1799) seine Macht geschmälert wurde; doch behauptete er sich allein von den fünf ersten Gliedern des Directoriums bis zu dessen Sturze am 18. Brumaire (9. Nov.), wo Bonaparte als erster Consul auftrat. B. gab hierauf bei demselben seine Entlassung ein und ging auf sein Landgut Grosbois, wohin er sich eine militairische Bedeckung ausbat. Später verkaufte er Grosbois, wendete sich 1805 nach Brüssel und lebte hier mit großem Aufwande, bis er 1814 die Erlaubniß erhielt, nach Frankreich zurückzukehren, wo er zuletzt in Chaillot bei Paris ein zurückgezogenes, durch Wohlthätigkeit ausgezeichnetes Leben führte, weshalb ihn auch viele Arme nach seinem Ableben am 30. Jan. 1829 zu Grabe begleiteten. Von den in seinem Nachlasse vermutheten Denkwürdigkeiten wurde nichts bekannt, weil die Regierung seine Papiere versiegeln ließ.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 185.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: