Ludwig XVI.

[776] Ludwig XVI., König von Frankreich 1774–93, geb. am 23. Aug. 1754, führte als Prinz den Titel Herzog von Berri, wurde 1765 Dauphin und folgte seinem Großvater Ludwig XV. Schon 1770 hatte er sich mit Marie Antoinette (s.d.), Erzherzogin von Östreich, verheirathet. Das Volk begrüßte ihn bei seiner Thronbesteigung mit dem Beinamen le désiré, d.h. der Ersehnte, doch L. lehnte denselben aus Bescheidenheit ab. Er war einer der moralisch besten Menschen und der wohlwollendste König, aber er war auch schwach und unentschlossen, und so kam es, daß er einestheils den an ihn gestellten Anfoderungen zu weit nachgab in der Meinung, dadurch das Beste seines Volkes zu fördern, andererseits sich weder einer der gegeneinander mit immer wachsender Erbitterung streitenden Parteien unbedingt anschloß und ihr durch sein Ansehen den Sieg verschaffte, noch seine eigne Überzeugung mit Bewußtsein und Festigkeit durchzusetzen unternahm. Während er sich selbst jeder Art von Ausschweifung, ja selbst kostspieliger Vergnügungen streng enthielt, gönnte er seiner Gemahlin und den königl. Prinzen einen Aufwand, welcher um so weniger in der Ordnung war, als der Zustand der Finanzen mit jedem Jahre schlechter wurde. Zunächst war es der Finanzminister Turgot, ein ebenso gescheuter als rechtschaffener Mann, welcher den Staat, der an so vielen Gebrechen litt (vergl. Frankreich), durch zeitgemäße Maßregeln zu heilen unternahm, welche die bevorrechteten Stände, den Adel und die Geistlichkeit, in ihren vermeintlichen und wirklichen Privilegien kränkten, und nachdem sich L. durch seine Minister hatte bestimmen lassen, jene Maßregeln zu billigen, welche ihm die Herzen jenes Theils seiner Unterthanen entfremdeten, ließ er sich, irre gemacht durch den Widerstand, den er fand, bestimmen, Turgot und den ihm gleichgesinnten Minister Malesherbes fallen zu lassen und die schon eingeleiteten Verbesserungen aufzugeben, ja Rückschritte zu machen. Am nachtheiligsten wurde für L. der Krieg von 1778–82 zu Gunsten der nordamerik. Freistaaten. Derselbe kostete 1400 Mill. Livres und brachte in die Köpfe die Gedanken republikanischer Freiheit. Ein Finanzminister nach dem andern kam an die Reihe und keiner vermochte den eingerissenen Unordnungen in der Geldwirthschaft ein Ziel zu setzen. L. begünstigte den Adel bei der Besetzung der Militairstellen und höhern [776] geistlichen Ämter, beleidigte dadurch den ohnedies aufgeregten dritten Stand und die Königin gab durch ihren Aufwand Gelegenheit zu den schändlichsten Verleumdungen. Man berief endlich die Notabeln, um durch ihre Berathungen neue Hülfsquellen zur Abhülfe der steten Geldverlegenheiten zu gewinnen. Zwei neue Auflagen, welche aushelfen sollten, wurden vom Parlament gemisbilligt und die Zusammenberufung der Reichsstände verlangt. Das Parlament stellte sich dem Könige offen entgegen und wurde nach Troyes verwiesen, nachher zwar zurückberufen, doch kam es zu keiner Ausgleichung. Die Stellung der Regierung wurde immer schwieriger; 1788 wurde Necker (s.d.) Director der Finanzen, die Notabeln wurden zum zweiten Mal versammelt, um die Form der Stände und die Abstimmung festzusetzen und am 5. Mai 1789 ward der Reichstag eröffnet. Nun nahm die Revolution ihren Lauf (s. Frankreich). Vergebens brachte L. dem Wohle seines Volkes die größten, nur auf Augenblicke anerkannten Opfer, vergebens ertrug er die schmählichsten Beleidigungen gegen seine Würde und gegen seine Person; er suchte sich endlich verzagend der allgemeinen Verwirrung durch die Flucht zu entziehen, ward aber zurückgebracht. Am 14. Sept. 1791 nahm er die Constitution an, welche ihn für unverletzlich erklärte, aber schon am 20. Jul. 1792 wurde er von einem Pöbelhaufen in den Tuilerien überfallen und rettete sich nur dadurch, daß er den brutalen Anfoderungen der Eindringenden, z.B. der, die Jakobinermütze aufzusetzen, nachgab. Am 10. Aug. stürmte der Pöbel abermals die Tuilerien; L. flüchtete sich in die Nationalversammlung und wurde von dieser als Gefangener nach dem Temple gebracht, indem man vorgab, für seine Sicherheit zu sorgen. Die gesetzgebende Versammlung beschloß hierauf die Aufhebung des Königthums und L. wurde am 10. Dec. vor dem Convent öffentlich der Tyrannei, der Widersetzung gegen die Revolution, des Bündnisses mit den Feinden Frankreichs gegen dieses u.s.w. angeklagt. Malesherbes, Tronchet und Desèze erwählte L. zu seinen Vertheidigern und Desèze hielt zu seiner Vertheidigung eine vortreffliche Rede. Es bestand ein Gesetz, nach welchem zwei Drittheile der Stimmen erst die Verurtheilung entschieden; dasselbe wurde aufgehoben und am 7. Jan. 1793 L. mit einer Mehrheit von nur fünf Stimmen zum Tode verurtheilt. Vergebens appellirte L. an die Nation. Am 20. Jan. hörte er mit bewundernswürdiger Fassung die Verlesung seines Todesurtheils, mit Frömmigkeit bereitete er sich zum Tode, nahm zärtlichen Abschied von seiner unglücklichen Familie und starb nach 8 Uhr Morgens am 21. Jan. 1793 durch die Guillotine, welche auf dem Platze Ludwig XV. errichtet war. Als er das Blutgerüst bestieg, redete ihn der Priester, welcher ihn begleitete, Abbé Edgeworth, mit den Worten an: »Sohn des heiligen Ludwig, steige zum Himmel!« Auf Zureden des Priesters ließ sich L. die Hände binden, wendete sich gegen das Volk und sprach: »Franzosen, ich sterbe schuldlos; ich verzeihe meinen Feinden und wünsche, daß mein Tod dem Volke nützlich sein möge –« Er wollte noch mehr sprechen, aber man ließ die Trommeln rühren und während das Volk schrie: »Es lebe die Republik! Es lebe die Nation!« ward ihm das Haupt abgeschlagen. Man brachte seinen Körper in ein Grab auf dem Magdalenenkirchhofe zu Paris. In seinem Testamente vom 25. Dec. 1792 sprach L. auf rührende Weise die Vergebung gegen seine Feinde aus und ermahnte die Seinen, niemals Rache an seinen Mördern zu nehmen. Nach seinem Tode riefen die Royalisten seinen 1785 geborenen Sohn, den bisherigen Herzog von der Normandie, als Ludwig XVII. zum Könige von Frankreich aus, aber die Republikaner entrissen den Knaben seiner Mutter und übergaben ihn einem gemeinen Schuster, Simon, einem wüthenden Jakobiner. In Folge der erlittenen Mishandlungen starb der Knabe am 8. Jun. 1795 im Temple. Indeß herrscht über das letzte Schicksal dieses unglücklichen Prinzen ein Dunkel, welches von mehren Betrügern benutzt worden ist, um sich für denselben, der auf wunderbare Weise gerettet worden wäre, auszugeben. So wurden Mathurin Bruneau 1818 und Richmond 1834 als Betrüger bestraft. Die meiste Wahrscheinlichkeit hat für sich ein Mann, welcher nach mancherlei Schicksalen längere Zeit zu Krossen in der Niederlausitz unter dem Namen Naundorf als Uhrmacher lebte, dann 1834 in Frankreich seine Ansprüche rechtlich geltend machen wollte, aber 1836 nach England gebracht wurde. Man hat ihm wenigstens nicht beweisen können, daß er ein Betrüger sei, viele hochgestellte Personen haben ihn als Herzog von der Normandie anerkannt, und in neuester Zeit ist die öffentliche Aufmerksamkeit durch einen Mordanfall erregt worden, welcher am 16. Nov. 1838 gegen ihn unternommen wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 776-777.
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