Notabeln

[306] Notabeln nennt man überhaupt die durch ihre Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Einsicht oder ihren Reichthum bedeutenden Männer eines Staates und es läßt sich für diesen aus Frankreich stammenden Begriff schwer ein ganz entsprechendes deutsches Wort finden. Die Geschichte Frankreichs liefert uns mehre Beispiele von dem Werthe, den die Regenten auf die Meinung der Notabeln des Landes legten. Sie beriefen deshalb auch in besonders bedenklichen Lagen des Staates wol die angesehensten Männer der verschiedenen Stände nach eigener Wahl zusammen, um ihren Rath zu hören und Hülfe bei ihrer Einsicht, ihrem Einfluß und ihren materiellen Kräften zu suchen. Am bedeutsamsten wurde die Versammlung der Notabeln, welche der Minister Calonne 1786 zusammenberief, und zu der 7 Prinzen von Geblüt, 9 Herzoge und Pairs von Frankreich, 8 Feldmarschälle, 22 Edelleute, 8 Staatsräthe, 4 Requettenmeister, 11 Erzbischöfe und Bischöfe, 37 Oberrichter, 12 Deputirte der pays d'états, der Civillieutenant und 25 obrigkeitliche Personen aus den verschiedenen Städten des Königreichs eingeladen waren. Der Minister wurde von dieser Versammlung zwar gestürzt, allein seine Vorschläge zur Abhülfe der Finanznoth zum Theil genehmigt, die Grund- und Stempelsteuer, die Aufhebung der Frohnen und andere Maßregeln, welche gar nicht im Interesse der versammelten, den privilegirten Classen angehörigen Notabeln lagen, wurden von ihnen mit edlem Patriotismus bewilligt, denn die Wünsche der Nation sprachen sich immer lauter aus, die Hülflosigkeit und Schwäche der Regierung kam immer mehr zu Tage und es datirt sich von dieser Versammlung der Anfang der großen franz. Revolution, welche in ihren Folgen die Grundlagen des ganzen europ. Staatensystems umgestaltete.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 306.
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