Necker

[255] Necker (Jacques), dreimal Finanzminister Ludwig XVI. von Frankreich, war der Sohn eines aus Brandenburg gebürtigen Professors des deutschen Staatsrechts zu Genf und dort 1732 geboren. N. hatte die Handlung erlernt und kam in Paris in so günstige Verhältnisse, daß er sich ein Vermögen von sechs Mill. Fr. erwarb, hierauf aber von den Geschäften sich zurückzog und Ministerresident seiner Vaterstadt am franz. Hofe wurde. Durch mehre Schriften über Politik, Handel und Finanzwesen, wobei er hauptsächlich Frankreich ins Auge faßte, erwarb er sich wegen seiner Einsicht in diesen Dingen großen Ruf, gewann namentlich das Volk durch seine Abhandlung über den Getreidehandel, welche 1775 in Paris erschien und zog durch eine Denkschrift über die franz. Staatseinnahmen so sehr die Aufmerksamkeit des Königs auf sich, bei dem es ihm übrigens so wenig wie bei der Königin an vertrauten Fürsprechern mangelte, daß der Hof in N. den Mann gefunden zu haben glaubte, welcher der damaligen Verwirrung der franz. Finanzen allein abhelfen könne. N. hielt sich selbst dafür, denn er war sehr eitel, übrigens aber von durchaus rechtlichem Charakter, der jedoch mit seiner Gewandtheit im praktischen Finanzwesen und seiner Sparsamkeit, bei den ihm abgehenden tiefern und allseitigen politischen und staatswissenschaftlichen Einsichten, nicht hinreichte, eine Revolution zu verhindern. Nachdem er im Jun. 1776 als Finanzrath angestellt worden, trat er 1777 im Jul. als Generaldirector der Finanzen an die Spitze derselben; den gewöhnlichen Titel Generalcontroleur erhielt er nicht, weil er als Protestant nicht wirklicher Staatsminister werden konnte. Ohne Gehalt anzunehmen, ordnete N. in den folgenden vier Jahren das Finanzwesen dergestalt und wußte durch kluge Sparsamkeit und trotz dem, daß der amerikan. Krieg große Summen erfoderte, es dahin zu bringen, daß er in einem öffentlichen Bericht einen ansehnlichen Überschuß der Staatseinnahmen über die Ausgaben darlegen konnte. Erwarb er sich auf diese Art die allgemeine Achtung des Volks, so machte er sich desto mehr bei Hofe verhaßt, wo man seine bürgerlichen Formen ohnedies nicht ausstehen konnte, und erhielt 1781 im Mai plötzlich seine Entlassung, als er die[255] förmliche Theilnahme an den Berathungen der Minister für sich foderte. N. begab sich nach Genf, in dessen Nachbarschaft er die Herrschaft Coppet ankaufte und als sein Nachfolger Calonne die alte Verschwendung wieder einreißen ließ und die Folgen davon auf N.'s Verwaltung schieben wollte, widerlegte er dies Vorgeben während einer Anwesenheit in Paris in einer Schrift, wegen der er aber aus Frankreich verbannt wurde. Dessenungeachtet wurde er 1788 von Neuem aus einziger Helfer in der Noth an die Spitze der Finanzen berufen und betrieb jetzt, nachdem er schon 1779 die Bildung von Provinzialständen gefodert, die Berufung der Reichsstände wobei er durchsetzte, daß die Zahl der Abgeordneten des dritten Standes der von den beiden andern zusammengenommen gleich war. Das Unterlassen wichtiger Vorausbestimmungen über Form und Gang der Verhandlungen führte zu Streitigkeiten, welche der König mit Gewalt unterdrücken wollte, und da N. dagegen war, erhielt er am 11. Jul. 1789 abermals die Entlassung und mußte ungesäumt Frankreich verlassen. Darüber entstand in Paris, wo die Nationalversammlung und das Volk N.'s Sache als die des Vaterlandes betrachtete, eine furchtbare Gährung, welche am 14. Jul. die Stürmung der Bastille und darauf die Zurückberufung N.'s zur Folge hatte, der wie im Triumphe nach Paris gelangte und immer noch die Einführung einer der engl. ähnlichen Regierungsform für möglich hielt. Nur kurze Zeit gelang es ihm aber den Sturm zurückzuhalten, denn Gewaltthätigkeiten nicht scheuende Männer bemächtigten sich der Leitung der Menge, bei der N. am Ende selbst für einen Aristokraten galt. Seines Einflusses bei allen Parteien verlustig, nahm er im Sept. 1790 seine Entlassung von der Nationalversammlung und kehrte, verhöhnt von Denen, die ihn vor wenigen Monaten hochgefeiert hatten, nach Coppet zurück, wo er 1804 starb. Die Regierung blieb ihm noch zwei Mill. Francs schuldig, wofür erst nach der zweiten Herstellung der Bourbons auf dem franz. Throne, N.'s berühmte Tochter, Frau von Staël-Holstein (s.d.) entschädigt wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 255-256.
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