Priester

[575] Priester sind dem Dienste und der Erhaltung der Religion durch Wahl oder Geburt geweihete Personen, deren eigentliche Bestimmung die moralisch-religiöse Ausbildung des Volkes ist. Zu keinem andern Zwecke konnte ihnen vorzugsweise die Verwaltung des Gottesdienstes überlassen werden, der anfangs die Hausväter und Familienhäupter vorstanden. Sie waren die ersten Priester und daher kommt in der frühesten Zeit die priesterliche und fürstliche Würde verbunden vor und das Wort Patriarch bedeutet deshalb noch sowol einen kirchlichen Obern (Hohenpriester), wie einen bürgerlichen oder Regenten. Nachdem aber das Priesterthum an einen dazu bevorrechteten Stand übergegangen war, verleiteten theils Mangel an Einsicht, theils Eigennutz denselben, sein Ansehen zur Herrschaft über das Volk zu misbrauchen und durch den Aberglauben zu erweitern, anstatt dasselbe aufzuklären und zu erbauen. Darum gaben sich die Priester für alleinige Vermittler zwischen Gott und den Menschen aus und rühmten sich des Vertrauens der Gottheit. Priesterkasten, in welchen die Priesterwürde durch die Geburt forterbte, entstanden am frühesten in Asien, z.B. bei den Indiern, wo sie sich in den Brahminen noch jetzt vorfinden, sowie bei den Ägyptern, den Juden und Persern. Da hier der Einfluß der Priester das religiös-bürgerliche Gemeinwesen gestaltete, schützte und leitete, so werden die Staaten dieser Völker auch Priesterstaaten genannt. Bei den Juden wurde das Priesterthum durch Moses (s.d.), der es bei den Ägyptern kennen gelernt hatte, gesetzlich festgestellt und vorzugsweise dem Geschlechte Aaron, aus dem Stamme Levi, zugetheilt, unter Androhung der Todesstrafe für jeden Andern, welcher sich priesterliche Verrichtungen anmaßen würde. Diese gesetzlichen Priester mußten, was auch von den Priestern der Griechen und Römer gilt, vollkommen gesund, ohne Leibesgebrechen und von unbescholtenem Rufe sein, wie es sich für Personen ziemte, welche Vermittler zwischen der Gottheit und dem Volke sein wollten. Zum Priesterdienste wurden sie nicht vor dem 20. Lebensjahre zugelassen; alsdann erhielten sie die feierliche Weihe durch Opfer und Waschungen und die seine linnene Kleidung, welche sie während des Dienstes tragen mußten; auch waren sie nach einem auch bei andern Völkern herrschenden Glauben, daß man einen geweiheten Ort nur mit bloßen Füßen betreten dürfe, unbeschuht. Im Kriege trugen die jüdischen Priester die Bundeslade, ermuthigten das Volk und bliesen die heilige Posaune, ihre Wohnsitze hatten sie in 13 Städten, die sämmtlich in der Nähe des Heiligthums in den Stämmen Juda, Simeon und Benjamin lagen, und ihren Unterhalt bezogen sie mit den Leviten vom Zehnten des gesammten Landesertrags und Dem, was sie sonst an freiwilligen Geschenken, Opfergaben, Straf- und Lösegeldern erhielten. Bei den Griechen, Römern und deutschen Völkern gab es keine stehenden Priesterkasten. Die Priesterwürde wurde durch die Stimme des Volkes oder durch das Loos übertragen oder war erbliches Eigenthum vornehmer Familien. Allen Göttern und Göttinnen waren für ihre Verehrungsweise eine Anzahl Priester und Priesterinnen zugeordnet, nach deren Namen oder Eigenschaften sie sich nannten, und je mehr auch hier die Religion das öffentliche Leben bedingte, um so größeres und einflußreicheres Ansehen behaupteten sie. Nach dem Vorbilde des Judenthums und Heidenthums bildete sich frühzeitig das Priesterthum in der christlichen Kirche (s. Klerus und Geistlich), das noch jetzt in der katholischen Kirche seine volle Geltung hat. Allem auch das christliche [575] Priesterthum ist sowol im Mittelalter wie bis auf die neueste Zeit nicht von dem Vorwurfe, nach eigennütziger Herrschaft über das Volk (s. Pfaffe) zu streben, frei geblieben. Die Kirchenreformation hat jedoch dem Priesterthum seine wahre Stellung großentheils wieder gegeben; die protestantischen Geistlichen erkennen ihren Beruf, die Lehrer des Volks zu sein, an und haben sogar den Priestertitel abgelehnt, um die Idee eines die Gottheit durch Opfer versöhnenden Vermittlers ganz von sich zu entfernen. Seine Bestimmung zum Dienste der Religion erhält der Priester durch die feierliche Handlung der Priesterweihe. (S. Ordination.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 575-576.
Lizenz:
Faksimiles:
575 | 576
Kategorien: