Priester

[613] Priester (das Wort ist eine Zusammenziehung des griech. Presbyter; latein. sacerdos, ital. sacerdote, franz. prêtre, engl. priest), sind im allgemeinen die Vermittler zwischen Gott u. ihrem Volke, welche die heil. Gebräuche und besonders den Opferdienst verwalten, im christkathol. Sinne diejenigen, welche das Sakrament der P. weihe empfangen haben; vergl. Priesterweihe. Nicht nur in den ausgebildeteren Religionen, sondern auch bei den meisten der sog. Naturvölker kommen Opfer und P. vor; bei letztern spielen die P. vorherrschend die Rolle der Geisterbeschwörer, Zauberer u. Wahrsager. Die P. kasten der alten Aegypter und der Inder, die Bedeutung [613] der P. im alten Griechenland, noch mehr im alten Rom und bei den Mohammedanern sind bekannte Dinge. Bei den Hebräern verrichtete in der patriarchalischen Zeit der Hausvater die priesterlichen Handlungen; als Moses die 12 Stämme Israels zu einem kirchlich-politischen Gesammtkörper vereinigte und ein einziges Heiligthum zum Orte des Gottesdienstes für das ganze Volk machte, war ein P. stand nothwendig. Dieser wurde aus dem Stamme Levi gebildet, jedoch so, daß nur die Nachkommen Aarons eigentliche P. wurden. Die P. hatten alle gottesdienstlichen Handlungen im Heiligen und im Vorhof der Stiftshütte, später des Tempels vorzunehmen und wurden von David in 24 Klassen abgetheilt, von denen je eine den Dienst des Heiligthums von einem Sabbath bis zum andern besorgte. Sie waren zugleich Lehrer des Volkes, hatten das Gesetzbuch unter ihrer Aufsicht und bildeten die letzte Instanz in schwierigen und wichtigen Rechtsstreitigkeiten. Im Christenthum pflanzt sich das P. thum durch die geistige Abstammung der Weihe fort; die Meinung, daß alle Christen schon durch die Taufe wahre P. seien, wird durch die berühmte Stelle bei Petrus (I. P. 2,9) keineswegs gestützt, denn 1) ließe sich daraus ebensogut folgern, daß jeder Christ ein König sein müsse und 2) ist die Stelle auf die ungezwungenste Weise dahin auszulegen, daß jeder Christ durch die Taufe verpflichtet ist, die geistigen Opfer des Gebetes und der Abtödtung Gott darzubringen. Näheres über die christkathol. P. siehe in den Art.: Hierarchie, Klerus, P. weihe. Die Protestanten nennen ihre Verwalter des Gottesdienstes selten P., sondern passender Pastoren, Prediger, Seelsorger u. dergl.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 613-614.
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