Rochelle

Rochelle

[721] Rochelle (La), die Hauptstadt des franz. Departements Nieder-Charente, liegt am Meerbusen von Biscaya, ist stark befestigt, besitzt einen guten Hafen, hat ansehnlichen Seehandel, Schiffswerfte, Zucker- und Thransiedereien, Salzwerke und eine Bevölkerung von 13,000 Einw.

Es besteht daselbst eine Akademie der schönen Künste und Wissenschaften, eine öffentliche Bibliothek und eine Naturaliensammlung, und der berühmte Naturforscher Réaumur (s.d.) wurde hier geboren. Nachdem R. abwechselnd unter franz. und engl. Botmäßigkeit gestanden, blieb es seit dem 15. Jahrh. bei Frankreich und die Zahl seiner Einwohner stieg bis auf 25,000. Die Reformation fand hier frühzeitig zahlreiche Anhänger, welche sich anfangs aber nur heimlich in Kellern und unterirdischen Kapellen versammelten, deren Überreste noch jetzt als Merkwürdigkeiten gezeigt werden. Beim Ausbruche der Bürger- und Religionskriege in Frankreich traten sie jedoch unerschrocken für die geläuterte Lehre auf und R. ward einer der Hauptsitze und Hauptstützen der Reformirten, aber auch ein stets bereiter Bundesgenosse der Engländer und innerer politischer Parteien, bis endlich die letzte berühmte Belagerung und Einnahme der Stadt durch den Cardinal Richelieu (s.d.) dies Bollwerk religiöser Freiheit 1628 für immer dem Könige unterwarf. Im Sept. 1627 begann die Einschließung durch 30000 M. zu Lande und eine ansehnliche Seemacht, allein um die Verbindung zur See gänzlich aufzuheben und Hülfe von England, sowie Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden, ließ Richelieu mit einem ungeheuern Aufwande von Arbeit und Material einen 740 Klaftern langen Damm in dem Meerbusen aufführen, welcher die Rhede von R. bildet. Nachdem das Meer wiederholt einen Theil der Arbeiten zertrümmert hatte, kam man doch damit zu Stande und besetzte den Damm mit Geschütz. In ebenso großem Maßstabe wurden die Verschanzungen ausgeführt, mit denen man R. zu Lande umgab, wo von Laufgräben und Minen jedoch keine Anwendung gemacht ward, indem es von Anfang auf Aushungern des Platzes abgesehen war. Dieser vertheidigte sich mit gleich viel Tapferkeit und Ausdauer und vertraute der wiederholt versprochenen engl. Hülfe, welche sich aber am Ende auf bloße Drohungen beschränkte. Der Maire Joh. Guiton versuchte mit eiserner Beharrlichkeit das Äußerste und erst zu Ende Oct. 1628 ergab sich R., ohne eine Capitulation [721] zugestanden zu erhalten, der Gnade des Königs. Die Zahl der Bewohner war von Krankheiten, Hungersnoth und Krieg auf 5000 herabgesunken, und von 600 engl. Soldaten waren noch 72, von 12 Compagnien Franzosen 74 Mann dienstfähig. Ludwig XIII. hielt am 1. Nov. seinen feierlichen Einzug und sicherte den Überwundenen Leben, Eigenthum und freie Religionsübung zu, die sie auch bis zum Widerruf des Edicts von Nantes genossen; kein Bürger wurde bestraft, aber die früher großen Vorrechte der Stadt, von der hier eine Ansicht vom Hafen aus folgt, hörten auf.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 721-722.
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