Gnade

[236] Gnade ist die Vergebung der Strafe, welche Der, dem es zukommt, diese zu ertheilen, aus freier Willensbestimmung dem Verbrecher oder Sünder zukommen läßt, und allgemeiner die Gewährung eines Gutes, welches der Empfänger nicht verdient. Auf Erden üben vornehmlich Diejenigen, welchen das Recht über Leben und Tod zukommt, die Gnade (s. Begnadigung), also Fürsten und Könige. Im Himmel, d.h. im Reiche des Geistes, kann aber nur Gott die Sünden vergeben und also Gnade üben. Da vor dem heiligen Gotte alle Menschen gerechtigkeitslose Sünder sind und auf Nichts gegen Gott Ansprüche zu machen haben, noch Verdienste besitzen, so ist Alles, was dem Menschen von Gott zu Theil wird, ein Geschenk göttlicher Gnade, am meisten aber die Erlösung und Seligkeit, welche Gott durch Jesus Christus dem Menschen zu Theil werden läßt. In der Kraft des Menschen liegt nur, sich zu bestreben, der göttlichen Gnade dadurch sich würdiger zu machen, daß er durch Reue über seine Sünden, durch Gebet zu Gott und durch ernstliches Bestreben nach Heiligung eine gottgefällige Gesinnung darthut; aber obgleich Gott nach seiner Barmherzigkeit keinen reuigen Sünder zurückweist, so ist doch die Aufnahme desselben in seine Gnade eine freie That, Gnadenwahl, Gottes.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 236.
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