Marat

[49] Marat (Jean Paul), einer der wildesten und verabscheuungswürdigsten Demagogen der franz. Revolution, geb. 1744 zu Baudry im Fürstenthume Neufchatel, hatte in Paris die Arzneikunst studirt und lebte dort der Ausübung derselben und als Arzt der Gardes du Corps des Grafen von Artois. Mehre vor 1789 von ihm erschienene, zum Theil gegen Newton's (s.d.) Ansichten gerichtete Schriften beweisen bei aller Seltsamkeit der darin mitunter aufgestellten Meinungen, daß der Verfasser nicht ohne Kenntnisse und Talente war, zugleich aber auch, daß er sich viel einbildete und gern Aufsehen machen wollte. Bis dahin hatte er dies nur auf wissenschaftlichem Wege versucht; kaum begannen aber die Bewegungen der Revolution, als er seine vorher ziemlich eingezogene Lebensweise verließ und so wenig ihn seine kleine, kaum fünf Fuß hohe Gestalt, sein stechender Blick und seine widerliche, von den Ausbrüchen seiner Leidenschaften oft bis zum Adschreckenden entstellte Gesichtsbildung begünstigten, bald einer der rasendsten Volksverführer und der Schrecken von ganz Frankreich wurde. Gleich von Anfang gewann er in den Versammlungen des von ihm bewohnten Stadttheils durch die grenzenlose Frechheit seiner Anträge die Hefe des Volks für sich; allein noch hatten die Klugen die Oberhand und M. ward seiner Überspannung wegen blos von ihnen verhöhnt und verachtet, und selbst als er in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift: »Der Volksfreund« im Aug. 1789 ausgesprochen hatte, man müsse 800 Deputirte, Mirabeau voran, an die Bäume des Tuileriengartens aufknüpfen, veranlaßte der Letztere die Nationalversammlung, der deshalb bei ihr erhobenen Klage keine Folge zu geben.

Als dennoch der pariser Gemeinderath M. verhaften lassen wollte, fand dieser bei Danton (s.d.) und den Mitgliedern des Clubs der Cordeliers (s.d.) eine sichere Zuflucht und konnte endlich unter dem Schutze dieser Partei jeder Anfechtung trotzen und es den zügellosesten Parteimännern jener Zeit zuvorthun. An der Ermordung der Schweizergarde bei Erstürmung der Tuilerien am 10. Aug. 1792 hatte er als Haupt der Cordeliers, sowie an Ermordung der gefangenen Anhänger des Konigs im Sept. großen Antheil und unterzeichnete das Rundschreiben, welches die Revolutionnairs in den Provinzen zur Nachahmung dieses gräßlichen Beispiels auffoderte. Nachdem er bald darauf von seinen Anhängern in den Nationalconvent gewählt worden war, kannte seine Vermessenheit und Blutgier vollends keine Grenze mehr, die er auch bei dem Proceß Ludwig XVI. bewies, dem er durchaus keine Vertheidiger bewilligt wissen wollte und für dessen unbedingten Tod und Hinrichtung binnen 24 Stunden er stimmte. Mit Schmähungen und Verwünschungen überhäufte er Diejenigen, welche gegen ihn waren, und lieferte mit Robespierre (s.d.) die Girondisten (s.d.) unter die Guillotine; auch ging das Gesetz über die Verdächtigen, welches 400,000 Menschen in die Kerker brachte, ursprünglich von ihm aus. Endlich setzte der Arm eines Mädchens diesem Unmenschen ein Ziel, der am 13. Juli 1793 von Charlotte Corday (s.d.) im Bade mit einem Messer erstochen wurde, nachdem er schon seit einem Monat wegen einer verzehrenden Krankheit nicht mehr im Convent erschienen war. Aber auch sein Tod wurde noch eine Quelle von Verderben, denn seine verblendeten Anhänger sahen ihn als einen Märtyrer der Freiheit an und schrieen um Rache an Denen, die ihn ermordeten, weil sie ihn nicht hätten bestechen können. In ganz Frankreich fielen zahlreiche Opfer, um seinen Tod zu sühnen; seine Gebeine wurden im Pantheon neben Mirabeau beigesetzt, und der Wahnsinn jener Zeit widmete ihm eine fast göttliche Verehrung. Nachdem aber im Juli 1794 die Schreckensherrschaft ein Ende genommen hatte, ward M.'s Andenken ebenso reichlich mit Schmach und Verwünschungen bedacht; seine Gebeine wurden aus dem Pantheon entfernt und die ihm zu Ehren errichteten Denkmale sowie seine Büsten zertrümmert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 49.
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