Scholastiker

[127] Scholastiker. Die christliche Religion – welche ihrem innersten, heiligen Wesen nach, nichts als ein Streben nach seligem Einssein mit Gott, nur ein mit den süßesten Gefühlen begleitetes Ahnen des Ewigen in dem Zeitlichen, des Unendlichen im Endlichen sein sollte –, wurde nur zu bald in eine äußere, geisttödtende Formellehre gebannt. Namentlich waren es die Zeiten des 9. bis 15. Jahrhunderts, wo jener, mehr oder weniger starre Gedankenmechanismus auf die geoffenbarten Glaubenslehren angewendet wurde, welchen man mit dem Namen der Scholastik, eigentlich Schulweisheit, bezeichnet. Das Wesen der Dinge im Gegensatz zu den Nam en derselben und eine Menge wunderbarer Abstractionen und Unterscheidungen waren die Gegenstände, welche von den Scholastikern meist mit einer bewundernswürdigen, dialektischen Spitzfindigkeit besprochen wurden. Unter ihnen zeichnete sich der außerdem durch seine Liebe zur Heloise bekannte Abailiard (s. d.) als geistreicher Denker noch am vortheilhaftesten aus. Seit dem 15. Jahrhunderte brach sich jedoch ein freieres Denken Bahn, und die mehr auf den Geist dringende neuere Schule, so wie eine edlere Mystik und unbefangenere Naturforschung verdrängten endlich das todte Formelwesen der S. von dem Schauplatze der wissenschaftlichen und Glaubenskämpfe.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 127.
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