Sonett

[284] Sonett, das tändelnde Schooskind der provençalischen Poesie, welches in der Mitte des 13 Jahrhunderts, überdrüssig der kindischen Spiele, die Heimath verließ und nach Italien wanderte, hier als sinnige Jungfrau von dem Dichter Fra Guittone strenger in den Regeln des Anstandes unterrichtet, und später zur vollendeten Grazie emporgewachsen, als Liebesbote von Petrarca an seine Laura gesendet wurde. In Deutschland war Bürger der erste, welcher die Lieblichkeit der welschen Donna wahrhaft zu würdigen wußte; Wilhelm Schlegel wurde ihr zweiter Vater, und Tieck, Novalis, Isidorus, Rückert und viele Andere traten als wackere Ritter für die Fremde auf, welche in ihrem Schnürleibe mit den vielen, künstlichverzwickelten Reimbändern von den Freunden der Antike mit mißgünstigen Augen angesehen wurde. Und in der That ist das artige Mägdlein viel zu ernst und großerwachsen, um sich noch zu den leeren Witz- und Wortspielen (bouts-rimés) der Franzosen mißbrauchen zu lassen; und zugleich viel zu sittig, um, wie es einige moderne Poeten wollen, den strengern Fesseln des Reimes zu entsagen; und gern überläßt sie auch das bloße zärtliche Tändeln ihrem muthwilligen Stiefbruder, dem Madrigal (s. d.). – Das S., ein Reim- oder Klinggedicht, wie man es übersetzt hat, besteht aus 2 vierzeiligen (Quadernarien, quadrains) und 2 dreizeiligen (Terzinen) Strophen; in ersteren kehren 2 Reime viermal, in letztern aber 2 dreimal oder 3 zweimal wieder. In den Quadernarien reimt entweder der 1., 4., 5. und 8. Vers (geschloßner Reim, rima chiusa) oder die Reime wechseln regelmäßig ab (Wechselreim, rima alternata); seltener ist der Mischreim (rima mista), wo die erste Strophe nach der geschlossenen, die zweite nach der wechselnden Methode gereimt wird. In den beiden Terzinen kann man drei Zeilen – Gedrittreim, rima alterzata – oder 2 Zeilen – Kettenreim, rima incatenata – reimen, und so mancherlei kunstvolle Verschlingungen anbringen. – Sonettenkränze umfassen mehrere, durch gleiche Reime verschlungene S.

S....r.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 284-285.
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