Apokatastasis

[56] Apokatastasis (apokatastasis pantôn, restitutio universalis): Wiederherstellung, Wiederkunft alles dessen, was gewesen. Schon die Pythagoreer sollen eine Apokatastasis gelehrt haben. Ei de tis pisteuseie tois Pythagoreiois hôs palin ta auta arithmô, kagô mythologêsô to rhabdion echôn kathêmenois houtô, kai ta alla homoiôs hexei (Simpl. ad Phys. Ar. 732 Diels). HERAKLIT nimmt einen ewigen Kreislauf des Geschehens an: die aus dem Urfeuer hervorgegangene Welt kehrt nach bestimmten Zeiten immer wieder, periodisch, zurück. Die Stoiker fügen hinzu, daß wegen der Gleichheit der Gesetze, denen die Weltbewegung folgt, die aufeinander folgenden Welten (nach jeder Ekpyrosis, (s. d.)) sich so ähnlich sind, daß in jeder von ihnen die gleichen Personen, Dinge, Ereignisse wiederkommen (vgl. ZELLER, Gr. d. Gesch. d. gr. Ph.4, S. 47, 59, 209). M. AUREL lehrt eine periodische Wiedergeburt der Seele (In se ips. XI, 1). Bei MINUCIUS FELIX erscheint die Apokatastasis als die Auferstehung des christlichen Glaubens (Octav. C. 34, 9). ORIGENES versteht unter der Apokastastasis die Wiederherstellung der Seelen in ihrer Einheit mit Gott, in ihrer Güte (De prin. III, 1, 3). In neuerer Zeit lehren BLANQUI (L'éternité par les astres 1871) und LE BON (L'homme et les sociétés 1878), die Menge der[56] Combinationen der Daseinsformen sei eine begrenzte, daher komme das Gleiche immer wieder (vgl. LICHTENBERG, Die Phil. Fr. Nietzsches2, 1900). Unabhängig von diesen (aber im Anschluß an Heraklit) glaubt NIETZSCHE an eine »Wiederkunft des Gleichen«. Er leitet sie aus der von ihm angenommenen Endlichkeit der Weltkraft ab. »Hätte die Welt ein Ziel, so müßte es erreicht sein.« Die Welt hat kein Ziel, kein Vermögen zur ewigen Neuheit. Der Satz vom Bestehen der Energie fordert die ewige Wiederkehr aller Dinge, Ereignisse, Zustände. »Wenn die Welt als bestimmte Größe von Kraft und als bestimmte Zahl von Kraftcentren gedacht werden darf –und jede andere Vorstellung bleibt unbestimmt und folglich unbrauchbar –, so folgt daraus, daß sie eine berechenbare Zahl von Combinationen, im großen Würfelspiel ihres Daseins, durchzumachen hat. In einer unendlichen Zeit wurde jede mögliche Combination irgendwann einmal erreicht sein; mehr noch: sie wurde unendliche Male erreicht sein. Und da zwischen jeder Combination und ihrer nächsten Wiederkehr alle überhaupt noch möglichen Combinationen abgelaufen sein müßten und jede dieser Combinationen die ganze Folge der Combinationen in derselben Reihe bedingt, so wäre damit ein Kreislauf von absolut identischen Reihen bewiesen: die Welt als Kreislauf, der sich unendlich oft bereits wiederholt hat und der sein Spiel in infinitum spielt.« Alles, was da lebte und wie es lebte, kehrt immer wieder – das ist die Unsterblichkeit, die NIETZSCHE an Stelle des Jenseitsglaubens setzt (WW. XV, 375 ff., 380, 382 ff., XII, 1, 203 ff., 234; vgl. NAUMANN, Zarathustra Comm. 1899-1901, R. STEINER, Mag. f. Litt. 21. Apr. 1900; HORNEFFER, Nietzsches Lehre von der ewig. Wiederk. 1900). Zu dieser Lehre meint RIEHL, es werde, in der Lehre von der Wiederkunft, von Nietzsche »die absolute Realität der Zeit angenommen, als hätte es noch keine Kritik der Antinomien des Unendlichen gegeben; die Zeit, die unabhängige Variable in der Bewegung, wird zu einer unabhängig Variablen von der Bewegung gemacht, als sei sie selbst etwas für sich Bestehendes. Auch könnte eine und dieselbe Combination von Energieformen auf unendlich vielen Wegen erreicht werden und unendlich verschiedene Folgeerscheinungen nach sich bringen« (Z. Einf. in d. Phil. S. 231). P. MONGRÉ hält Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft für schlecht begründet, nimmt aber selbst die »Möglichkeit der identischen Reproduction jeder einzelnen Zeitstrecke« an (Sant-Ilario 1897).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 56-57.
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