Vielheit

[649] Vielheit ist die Setzung einer Mehrheit (s. d.), d.h. einer Anzahl von einzelnen, von Einheiten (s. d.). Die Vielheit der Dinge als empirische Realität, wie sie durch das analytisch-synthetische Denken vorgefunden, gesetzt ist, verträgt sich wohl mit einer transcendenten, metaphysischen Einheit des Wirklichen (s. Monismus, Pantheismus, Pluralismus, Individuum).

Die Vielheit der Dinge ist bloßer Schein nach der Veda-Philosophie, nach der Lehre der Eleaten (s. d.), nach welcher das Seiende eines ist (hen monon esti. vgl. Simpl. ad. Phys. 30r, 139 f.. De cael. 137r, MELISSUS, Fragm. 17). Daß das »Eine« (s. d.) sich selbst (durch »Schauen«) zum Vielen macht, lehrt PLOTIN (Enn. VI, 2, 6). – Nach AVEROËS hat die Vielheit, Besonderung ihren Grund in der Materie, »plurificatio numeralis individualis provenit ex materia« (Destruct. destr. II, d. 3. vgl. Individuation). Nach THOMAS bezeichnet »multitudo absoluta« oder »transcendens« die über allen Gattungen des Seins[649] liegende Vielheit (Sum. th. I, 30, 3), im Unterschied e von der »multitudo numeralis«.

GIOBERTI erklärt: »L'uno crea il moltiplice«, und die Vielheit tendiert zum Einen (Introd. I, 5. »il moltiplice ritorna all' uno«). Nach W. ROSENKRANTZ entsteht die Vielheit »durch die Aufnahme des verschieden Bestimmten in eine höhere Einheit mit Festhaltung der Verschiedenheit«. Die Vielheit kann nur »durch Zusammenfassen von Einheiten zu einer gemeinschaftlichen Vorstellung gedacht werden« (Wissensch. d. Wiss. II, 213). – LOTZE erklärt: »Die Mannigfaltigkeit der Elemente wird... von Anfang an ein abgeschlossenes System bilden, das in seiner Ganzheit zusammengefaßt einen Ausdruck der ganzen Natur des Einen bildet« (Mikrok. II2, 48 ff.). Eine Einheit in der Vielheit der Wesen lehren auch FRAUENSTÄDT, WUNDT, DU PREL, M. WARTENBERG u. a. Nach A. DORNER ruft die göttliche Action »auf Grund der relativ selbständig gesetzten Potenzen Einheitspunkte hervor, die in ihrer Weise activ sind, in denen die eine göttliche Action als eine besondere Act der Tätigkeit dem jeweiligen Einheitspunkt gemäß sich offenbart« (Gr. d. Relig. S. 37). – Vgl. J.. J. WAGNER, Organ. d. menschl. Erk. S. 13 ff.. BRANISS, Syst. d. Met. S. 225 f.. G. H. FICHTE, Psychol. I, S. IX (metaphysischer Individualismus). SIGWART, Log. I2, 205 ff. – Vgl. Mehrheit, Quantität, Pluralismus, Individualismus, Zahl.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 649-650.
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