Cousin, Victor

[109] Cousin, Victor, geb. 28. Nov. 1792 in Paris, wurde, nachdem er unter dem Einflusse von Laromiguière, M. de Biran u. a. gestanden hatte, 1814 Professor an der Sorbonne, reiste dreimal nach Deutschland, von wo er (nach der zweiten Reise) die Hegelsche Philosophie mitbrachte, die er 1828-29 vor einem riesigen Zuhörerkreise entwickelte, wurde Mitglied der Akademie, Pair u. a., 1840 Minister, zog sich 1848 ins Privatleben zurück und starb 14. Jan. 1867. Er war ein glänzender Redner und hat dadurch wie auch durch sein energisches Einsetzen für einen von der Kirche unabhängigen philosophischen Unterricht stark gewirkt.

C. ist ein »Eklektiker«, der entschieden nur gegen Empirismus, Sensualismus und Materialismus kämpft, selbst aber eine Art Spiritualismus und Idealismus vertritt, der durch Plato, die Schottische Schule, Kant, Schelling, Hegel, M. de Biran u. a. beeinflußt ist. Die Begriffe »Idee« und »Vernunft« spielen in seinen Lehren eine Hauptrolle. Von der inneren Erfahrung geht die Philosophie aus und erhebt sich zur Spekulation über das Absolute, das wir durch unsere Vernunft erfassen, die an sich unpersönlich ist. Die »raison impersonelle« ist die Quelle der Kategorien (Substanz und Kausalität). Sie ist an sich nichts Individuelles, sondern allgemein und mit der Individualität nur verbunden, in deren Tiefen sich ihr offenbarend (Du vrai p. 100 f.). Später (1828) lehrt er: Die drei Grundideen sind das Unendliche (Gott), das Endliche (Welt) und die Beziehung zwischen beiden. Gott ist in der Welt, die Welt ist in Gott und erschöpft das göttliche Wesen niemals (Panentheismus). Die Aktivität des Geistes und die Willensfreiheit werden von C. stets betont. Die Geschichte ist der Fortschritt des Geistes, die Entfaltung der Ideen. In der Ethik ist C. »Intuitionist«; das Gute, das der vernünftigen Natur des Menschen Entsprechende wird unmittelbar als solches beurteilt.

Von C. beeinflußt sind Jouffroy, Garnier, Bouillier, Tissot, Ravaisson u. a.

SCHRIFTEN: Außer Übersetzungen (Plato) und Editionen (Abälard, Descartes) und historischen Arbeiten Cours de l'histoire de la philosophie moderne, 1. Serie, 1841; 2. ed. 1846. – Daraus einzeln und umgearbeitet: Premiers essais de philosophie, 4. éd. 1862. – Du vrai, du beau et du bien (1837), 12. éd. 1872. – Philosophie sensualiste, 4. ed. 1863. – Philosophie Ecossaise, 4. éd. 1863. – Philos. de Kant, 4. ed. 1863 2. Serie, 1829, 2. ed. 1847. – Einzeln: Introduction à l'histoire de la philos. 6. éd 1865. – Histoire générale de la philos. jusqu'à la fin du XVIIe siècle, 7. éd. 1867 – Fragments philosophiques (1826), 5. éd 1866, u. a. – vgl. C. E. FUCHS, Die Philos. V. C.s, 1847. – SECRÉTAN, La philos. de V. C., 1868.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 109.
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