Achtes Kapitel.

Die Araber[214] 179.

Zu den barbarischen Reitern, die die alten Römer in ihre Dienste nahmen und aus denen sie ihre Kavallerie bildeten, gehörten schon früh die Araber oder Sarazenen. Ein arabischer Fürst spielte bereits auf dem Zuge des Crassus gegen die Parther eine Rolle; arabische Reiter waren es, die Kaiser Valens aus dem Osten gegen die Gothen herangeführt und die, ein Vorspiel späterer Kämpfe, bei Adrianopel (378) dem Ansturm der Germanen erlagen.

Wie bei den Germanen, so haben auch bei den Arabern die Römer einmal einen Ansatz gemacht, sie sich zu unterwerfen. Unter Augustus zog Aelius Gallus, Statthalter von Ägypten, gegen sie aus (26/25 v.Chr.), erreichte auch eine große Stadt, erlitt aber durch Hunger und Krankheit große Verluste, und die Römer haben die Offensive in dieser Richtung nicht wieder aufgenommen.

Als Söldner, namentlich in den Kriegen der Römer und Perser vor und nach Justinian, wurden die Araber, wie im Westen die Germanen, auf die Gebiete und den Boden der Kulturwelt geführt, und endlich erschien der Moment, wo sie beschlossen, selber die Herrschaft in die Hand zu nehmen.

Ganz anders als bei den Germanen aber vollzog sich dieser Vorgang.[214]

Die Germanen hatten und brachten nichts als ihr Kriegertum; sie waren noch die reinen Barbaren, indem sie sich zu Herren der Kulturwelt machten, die sie dabei zum größten Teil zerstörten. Die Araber hatten schon seit langer Zeit her ein doppeltes Element in sich: das kriegerisch-barbarische Nomandentum, die Beduinen der Wüste, und ein kaufmännisch-städtisches Bürgertum mit nicht ganz geringen Kulturansätzen. Beide Elemente wurden zusammengehalten durch die gemeinschaftliche nationalität, die Sprache und durch eine religiöse Kultusgemeinschaft, die wohl nicht ohne Berechnung von den klugen Händlern in Mekka gepflegt wurde, um die Feindschaft und Wildheit der Beduinen dadurch zu mäßigen und zu bändigen.180 Jüdische und christliche Einflüsse waren aufgenommen worden und hatten religiöse Anregung gebracht.

Alle diese Elemente und Ansätze wurden durch Muhammed zu einer politisch-religiösen Einheit zusammengefaßt. Der Islam ist nicht eine Religion, wie das Christentum, sondern eine politisch-kriegerische Volksorganisation vermöge der Kräfte der Religion – um den Vergleich durchzuführen und damit die fundamentale Verschiedenheit zu kennzeichnen: wie wenn Armin zugleich Prophet gewesen wäre und die sämtlichen germanischen Stämme unter seiner Führung vereinigt hätte.

Als Kriegsmann, Volksführer und Prophet organisiert Muhammed aus dem Arabertum eine Macht, die fast plötzlich da ist und sich mit unwiderstehlicher Gewalt in einem Zuge die Nachbarländer rechts und links unterwirft; sowohl Syrien und Ägypten, die zu Rom gehört haben, wie Persien, das eben noch mit Rom in einem stets hin- und herschwankenden Kampf gelegen hat.

In den Ländern des römischen Imperiums, die den Germanen verfallen sind, behauptet die antike Überlieferung in der Kirche ihr Dasein und es bildet sich im Occident die ewig polarisierende Doppelheit der selbständigen Kirche und der selbständigen Staaten. Im Islam fällt Kirche und Staat in eins: der Prophet und sein Nachfolger, der Kalif, d.h. Stellvertreter, ist geistliches Oberhaupt und weltlicher Herrscher, Verkünder des Willens Gottes und Heerführer. Die kriegerische Kraft des Beduinentums, längst in der Welt gekannt und gefürchtet, wird potenziert durch die[215] religiöse Lehre vom Kismet und vom Paradiese, der militärische Gehorsam gesichert durch die Autorität Allahs. »Die beste Theologie ist, Gott mit dem Schwert zu helfen«, sagten auch die Frommen181, und die raubgierigen Beduinen fügten sich gern einer geistlichen Autorität, die ihnen die Schätze der Kulturwelt in den Schoß warf. Der überlieferten kriegerischen Kraft der Wüstensöhne fügte diese geistliche Autorität das Element der Disziplin hinzu, die so weit gehen durfte, den Kriegern den Wein zu verbieten.

In einer arabischen Schrift über das Heerwesen, die allerdings erst aus dem 14. Jahrhundert ist, aber auf alte Traditionen zurückgeht182, wird uns der Gehorsam der Gläubigen folgendermaßen geschildert. (S. 28.)

»Ibu Ishâk erzählt in den ›Feldzügen‹: Als der Gottgesandte von Wâdil Cafrâ aufbrach und hörte, daß die Kureisch gegen ihn im Anmarsch seien, fragte er seine Leute um Rat, und zuerst redete Abu Bekr sehr schön, darauf folgte Omar und redete ebenfalls sehr gut, dann erhob sich el-Mikdâd ben Amr und sprach: O Gesandter Gottes! Gehe wohin Dir befohlen ist, und wir werden mit Dir sein; wir werden nicht sagen, wie die Kinder Israels: gehe Du und Dein Heer und kämpfet, wir werden hier stehen bleiben; sondern, gehe Du und Dein Herr und kämpfet, wir werden in Gemeinschaft mit Euch beiden kämpfen. Bei dem, welcher Dich in Wahrheit gesandt hat, wenn Du mit uns nach Birk el-Gimâd ziehen wolltest, wir würden dahin an Deiner Seite fechten, bis Du es erreichtest. Der Gottgesandte erwiderte ihm: wohl gesprochen! und er segnete ihn. Dann wandte er sich um und sprach: gebt auch Ihr mit Euren Rat; er meinte die Ancâr (die zu Muhamed übergegangenen Mekkaner), weil ihrer eine bedeutende Anzahl war; da sagte Sa'd ben Mu'âds: es scheint, o Gottgesandter, als wenn Du uns meintest. Allerdings, erwiderte er, und Sa'd fuhr fort: Wir haben an Dich geglaubt und Dich für wahrhaftig gehalten und bekannt, daß alles,[216] was Du uns gelehrt hat, die Wahrheit sei; wir haben Dir dafür den Schwur geleistet und bekräftigt, daß wir hören und gehorchen wollen. So gehe nun, o Gottgesandter, wohin Dir befohlen ist, wir werden mit Dir sein; bei dem, der Dich in Wahrheit gesandt hat, wenn Du mit uns dieses Meer überschreiten wolltest, wir würden uns mit Dir hineinstürzen, nicht einer von uns würde zurückbleiben; wir haben nichts dagegen, daß Du morgen mit uns unsern Feind treffen willst, wir sind gewiß standhaft im Kriege, zuverlässig im Kampfe, vielleicht wird Gott Dir an uns zeigen, was Dein Auge erfreut; so ziehe denn mit uns unter Gottes Segen. Der Gottgesandte freute sich über die Rede des Sa'd und wurde sehr lebhaft in seinen Worten, dann sprach er: Auf! Verkündet frohe Botschaft, denn Gott hat mir eine von beiden Abteilungen versprochen; bei Gott! Es ist mir, als wenn ich jetzt schon die Leute hingestreckt sähe. Omar sprach: Bei dem, in dessen Hand mein Leben ist, sie werden nicht verfehlen, sie hinzustrecken.«

Bis auf Muhammed waren die Araber in zahlreiche Stämme zersplittert gewesen, wie die Germanen, und noch mehr als diese, insofern durch die Bildung von Städten auch sozial entgegengesetzte Stände geschaffen waren. Alle diese Stämme und Stände faßte der Prophet durch sein System zu einer geschlossenen Einheit zusammen und schuf damit nicht nur eine große innere Kraft, sondern auch eine sehr große zusammenwirkende Masse. Die germanischen Stämme haben niemals zusammengewirkt, und wir haben gelernt, daß die Heere der Gothen, Burgunder, Vandalen, die das römische Reich durchzogen, sehr klein waren. Auch Arabien war dünn bevölkert, wie Germanien, aber alle Stämme und Stände des weiten Landes vereinigten sich jetzt zu einer geschlossenen Heeresmacht in einer Hand. Muhammed selber soll im Jahre 630 zu einem Zuge gegen das byzantinische Reich, der aber an der Grenze zum Stillstand kam und keine Folgen hatte, 30000 Mann zusammengebracht haben.183 Mit 18000 Mann zog Chalid, der Feldherr Abu Bekrs, gegen Persien aus.184 In der Brückenschlacht 636, wo die Araber von den Persern[217] geschlagen wurden, sollen sie nur 10000 Mann stark gewesen sein185, und auch in der Entscheidungsschlacht bei Kadesia (637), wo sie die Perser niederwarfen, werden von der »ältesten und verläßlichsten Quelle«186 ur 9-10000 Mann, in der bald darauf folgenden Schlacht bei Dschabula 12000 Mann angegeben.187 Nach den Heereszahlen, die wir in den Kriegen Justinians kennen gelernt haben, scheinen diese Angaben nicht unmöglich. Sie werden auch nicht widerlegt dadurch, daß, als die Beute von Ktesiphon verteilt wurde, 60000 Mann ihren Anteil erhielten. Es waren seit der Schlacht von Kadesia noch Verstärkungen eingetroffen, vor allem aber werden wir zu argwöhnen haben, daß die Anführer, als sie die Ansprüche ihrer Scharen anmeldeten, die Grenzen der Wahrheit sehr beträchtlich überschritten haben. Nach dem, was man von deutschen Landsknechtobersten im 16. und 17. Jahrhundert weiß, ist den überaus geldgierigen Beduinen die Übertreibung bis zum Drei- und Vierfachen wohl zuzutrauen. Immerhin mag es aber auch sein, daß, wie die neueren Forscher annehmen, die Heere, die die Perser besiegten, größer als bloß 10-12000 Mann waren, ganz besonders aber kommt in Betracht, daß das nicht die ganze muslimische Macht war, die außer Landes operierte, sondern daß gleichzeitig ähnliche und vielleicht noch größere Heere in Syrien gegen die Griechen schlugen. In der Schlacht bei Adschnadein (634), etwas südlich von Jerusalem, wo sie diese zum erstenmal besiegten, sollen nach einer freilich unsicheren Schätzung die Araber 25000 bis 30000 Mann stark gewesen sein.188 Um der Übermacht ganz sicher zu sein, hatten sie noch 3000 Reiter von dem am Euphrat gegen die Perser operierenden Heer herangezogen, die mitten durch die Wüste marschiert waren, das Wasser mit sich schleppend. Mag auch diese Schätzung etwas zu hoch sein – gerade daß man noch die 3000 Mann aus so großer Entfernung heranholte, spricht gegen eine gar zu hohe Zahl –, das griechische Reich war schon lange nicht mehr fähig, auch nur annähernd solche Heere ins[218] Feld zu führen: Erinnern wir uns, daß Justinian Belisar mit seinen 15000 Mann nur deshalb gegen die Vandalen und Gothen aussenden konnte, weil er mit den Persern so lange Frieden geschlossen hatte. Die arabischen Quellen wissen freilich immer von neuem von der vielfachen Überlegenheit der griechischen und persischen Heere, den Hunderttausenden, die besiegt und unter dem Schwerte der Gläubigen gefallen sind, zu erzählen189, ganz wie einst die alten Griechen von den Heeren der Perser, die Miltiades, Pausanias und Alexander überwanden. Die Überzahl war in Wahrheit hier wie dort auf seiten der Sieger.

Die Kalifen hatten durch die Unterordnung der sämtlichen kriegerischen Stämme der Wüste unter ihren Befehl einen unerschöpflichen Vorrat an Kriegern zur Verfügung und konnten Heere, die ihren Gegnern überlegen waren, nach allen Seiten zugleich ausschicken. Sie waren nicht bloße Söldner, die in dem Augenblick meuterten, wo sie nicht bezahlt wurden, sondern ertrugen als Streiter Gottes auch Zeiten der Not und der Entbehrung, um dann binnen kurzem in den eroberten Landen die reichlichste Entschädigung zu finden. So haben sie es fertig gebracht, das öde Tripolis zu durchreiten190, um Karthago, den ganzen Norden von Afrika und schließlich Spanien zu erobern und erst an der Loire ihren Meister zu finden. Die Zahlen von 20000 und gar 40000 Mann, die Nord-Afrika erobert haben sollen, sind sicherlich zu hoch; solche Massen hätte man auf dem ungeheuren Marsch durch Tripolis nicht ernähren können, und der vierte Teil dürfte auch für die Aufgabe genügt haben. In derselben Zeit aber, wo der Islam an den Säulen des Herkules im Westen erschien, drang er auf den Spuren Alexanders bis[219] nach Turkestan und Indien vor und mit schwerer Mühe erwehrte sich seiner Byzanz selber.

Die Sieger lagerten sich als herrschender Kriegerstand in den eroberten Landschaften ein, wie die Gothen und Vandalen in Italien, Spanien und Afrika.

Selber bereits ein streng geordneter politischer Organismus, zerstörten sie die unterworfene Kulturwelt nicht in dem Grade wie die Germanen. Das wirtschaftliche Leben geht nach kurzer Unterbrechung im alten Gleise fort, man versinkt nicht vollständig in die Natural-Wirtschaft wie im Occident und gründet das neue Staatswesen auf den Satz, daß die unterworfenen Ungläubigen Steuern zahlen, um damit den herrschenden Kriegerstand zu erhalten.

Der germanische Kriegerstand mußte sich über das ganze Land zerstreuen, um sich durch die Naturalleistungen der Bewohner unterhalten zu lassen, was schließlich in die Form der Landleihe, der Lehnsverfassung, gekleidet worden ist. Der arabische Kriegerstand konnte, da die Kultur und damit die Geldwirtschaft in seinen Gebieten nicht so radikal zerstört war, sich auf Steuer- und Soldzahlung aufbauen und brauchte sich deshalb nicht so sehr über das Land zu zerstreuen. Die Eroberer blieben zum Teil in großen Militärkolonien, namentlich in Kufa und Bassora, die zu Städten wurden, beieinander.

Wie wir aber namentlich an den Vandalen und Westgothen gesehen haben, erhält sich ein Kriegertum, das nur auf Abstammung und Familien-Tradition beruht, nicht auf die Dauer. Bei den Germanen erlosch es um so schneller, je mehr sie sich mit den Unterworfenen als Glieder einer Kirche zu einer Einheit verschmolzen. Bei den Arabern behauptete es sich etwas länger, da die Unterworfenen zum großen Teil ihre Religion behielten, der Herrscherstand sich seiner Besonderheit und deshalb auch seines Kriegertums mehr bewußt blieb und die einzeitliche geistlich-weltliche Autorität des Kalifentums die Gläubigen bei ihrem überlieferten Wesen festhielt. Nach zweihundert Jahren ist aber doch die aus der Wüste mitgebrachte Urkraft auf dem Boden der Kultur verzehrt und verbraucht. Die künstlich verschmolzenen Elemente von Kriegertum und Religion schon von Muhammeds[220] Tod an im Konflikt, streben auseinander. Es fehlt für das Kalifentum an einem sicheren Prinzip der Nachfolge: die Theokratie ist ihrer Natur nach nicht erblich. Die große Dynastie der Omajjaden, die sich nach der Ermordung Alis, des Schwiegersohnes und seiner Söhne, der Enkel des Propheten, durchsetzt, repräsentiert mehr das kriegerische, beduinische Element, die darauf folgende Dynastie der Abbassiden (seit 750) mehr das religiöse. Man könnte diese beiden Dynastien mit den fast ausschließlich kriegerischen Merowingern und den der Kirche innerlich nahestehenden Karolingern vergleichen. Ganz so schnell wie unter den Nachkommen des großen Karl zerfiel das Kalifenreich unter den Nachkommen Harun al Raschids, des Abbassiden. Söldnerbanden treten an die Stelle der Gläubigen (seit dem Beginn des 9. Jahrhunderts). Besonders die seldschuckischen Türken sind es, die, die Lehre des Propheten annehmend, jetzt die Krieger stellen und bald machen ihre Emire und Führer sich selbst zu Herren, indem sie dem Kalifat in Bagdad nur noch eine geistliche Repräsentationswürde lassen. Große Stücke, Spanien, Ägypten, haben sich auch in Sonder-Kalifaten von dem Bagdader abgelöst.

So ist im Orient ein Zustand gebildet, der mit dem im Occident viel Ähnlichkeit hat. Die natürliche Antinomie der geistlichen und weltlichen Gewalt hat sich der Lehre des Propheten zum Trotz auch im Islam geltend gemacht. Die seldschuckischen Sultane sind weltliche Herrscher wie die Könige des Abendlandes, gestützt auf ihren Kriegerstsand, wie diese auf das Rittertum, nur daß die Prinzipien in der Tiefe ganz andere sind. Als unmittelbare Erscheinung aber ist, wie schon Ranke bemerkt hat, zwischen Herrschern wie Friedrich Barbarossa und Saladin ein wesentlicher Unterschied nicht. Rein militärisch darf man auch die arabischen und seldschuckischen Krieger einfach Ritter nennen, die vermöge der eigentümlichen direkten Beziehung der Religion zum Kriegertum im Islam noch etwas mehr in der Hand ihrer Führer sind als die Occidentalen.

Als stärkstes Zeichen der römischen Disziplin haben wir es angesehen, daß die Feldherren von ihren Soldaten verlangen konnten, nach dem ermüdenden Tagemarsch immer noch das Lager zu verschanzen. Der schon angeführte arabische Autor verlangt[221] dasselbe (S. 13): »Sobald ein Lagerplatz bezogen wird, befiehlt der Emir vor allem noch an demselben Tage ohne Aufschub und Zögern einen Graben zu ziehen; dieser dient zur Deckung der Armee, verhindert das Desertieren, vereitelt die Versuche eines überfalls und schützt gegen andere Gefahren, welche durch die List des Feindes und unerwartete Ereignisse herbeigeführt werden können.«

Daß diese Vorschrift bei dem arabischen Heer wirklich durchgeführt worden sei, möchte ich bezweifeln, jedenfalls nicht so systematisch wie bei den Römern.

Die Krieger sind vorwiegend Reiter und Einzelkämpfer; die Funktion der Anführer und das Wesen der Disziplin ist auf keinen Fall derart, daß es taktische Körper bildete. Es erinnert an die Vorschrift König Heinrichs I. von Deutschland über das Zusammenhalten beim Anreiten, wenn der Prophet (Sure 61, 4) spricht: »Gott liebt diejenigen, welche für seine Sache in Schlachtordnung kämpfen, als wären sie ein fest zusammengefügtes Gebäude«191, oder wenn Chalid vor der Schlacht am Hieromax (636) eine Ansprache an die Seinen hält, in der er befiehlt: »kämpft nicht vereinzelt gegen ein Volk (die Griechen), das euch in geordneten Scharen entgegenzieht«.192

Kaiser Leo (Taktik, XVIII § 49, 50) schildert die Türken gepanzert auf gepanzerten Pferden, mit Lanzen, Schwertern und Pfeilen abwechselnd kämpfend, und in der arabischen Schrift über das Kriegswesen heißt es:

»Die Bewaffnung besteht in einem festen, dauerhaften Panzer, nicht zu schwer und nicht zu leicht, in einem Helm, einer anschließenden Mütze unter dem Helm, zwei Armschienen, zwei Beinlingen und zwei Beinschienen. Das Pferd zum Angreifen muß einen festen Huf haben und an der Brust, dem Vorderteil, Hals und Hinterteil stark sein. Die Ausrüstung zum Kampfe besteht aus zwei festen starken Bogen, 30 Pfeilen mit geraden, gefeilten Spitzen, hartem Mittelstück und eisernen Flügeln, aus einem[222] mäßigen Köcher, der nicht zu groß ist und dadurch beschwerlich wird, so daß er die Aufmerksamkeit ablenkt, auch nicht zu klein, so daß er nicht alle Pfeile fassen kann und dadurch ungenügend ist, von festen länglichen Lederstreifen, mit festen Nähten und Bändern von wirklichem Leder, aus einer Köchertasche mit starken Schnüren, einer starken Lanze mit heilem Schaft, ganz gerade, nicht übermäßig lang, aber auch nicht zu kurz, so daß sie ihren Zweck nicht erfüllt, mit einer Spitze vom besten Eisen mit vielen scharfen Kanten, von außerordentlicher Härte, mit einem durchdringenden äußersten Ende; einem geraden Wurfspeer, einem scharfen bewährten Schwert, ganz von Eisen, mit lobenswerter Treffähigkeit, oder kurz, handlich, schneidig; einem spitzen, zweischneidigen Messer, einem starken Streitkolben, welcher den damit Kämpfenden weder durch seine Schwere überwältigt, noch durch seine Leichtigkeit ihn täuscht, um einen kräftigen, durchschlagenden Hieb zu tun, oder einem blanken Beil, auf beiden Seiten geschärft, mit einem festen Griff, womit man auf einen Hieb eine starke Waffe zerhauen kann; aus 30 Steinen in zwei Beuteln, welche an dem Sattelknapfe rechts und links herabhängen. Dies ist die Ausrüstung eines zum Kampf bereiten Reiters, und wenn etwas daran fehlt, so ist er unvollständig ausgerüstet.«

Die letzte Bemerkung, daß der Krieger, der nicht alle vorher aufgezählte Waffen besitze, unvollständig ausgerüstet sei, werden wir als eine doktrinäre Übertreibung des Autors zu betrachten haben. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Dinge, sondern auch aus den sonstigen Ausführungen des Autors selbst. Unmittelbar vor dem wiedergegebenen Absatz schreibt er vor, daß die vollkommen Bewaffneten in das erste Glied gestellt werden sollten, die weniger gut ausgerüsteten in das zweite, und so fort bis zum fünften. Der Autor nimmt also selbst an, daß bei weitem die meisten Krieger nicht vollständig ausgerüstet seien, und des weiteren teilt er denn auch die Soldaten nach ihrer Ausrüstung in verschiedene Waffengattungen, 1. Reiter mit langen Lanzen. 2. Reiter mit Wurfspießen. 3. Reiter mit Pfeil und Bogen. 4. Reiter, welche ganz vollständig gewaffnet sind.

Der Hauptunterschied gegen die Abendländer ist der viel ausgedehntere Gebrauch von Bogen und Pfeil, der sich mit einer[223] wirklich schweren Rüstung nicht wohl vereinigt. Die schwere Rüstung hindert nicht nur die Handhabung des Geschosses, sondern sie verlangt auch ein starkes Pferd, das, wenn es gar selbst gepanzert ist, nicht so sehr schnell sein kann. Ist das Pferd aber nicht schnell, kann also der Schütze dem Nahkampf nicht mit Sicherheit ausweichen, so lange er will, so bietet die Schußwaffe ihm kaum noch Vorteile. Was bei Leo als eine Waffengattung erscheint, ist daher bald, wenn es nicht von je so war, in zwei Waffengattungen zerlegt, die gepanzerten Nahkämpfer mit gepanzerten Pferden und die leichtgerüsteten Schützen auf leichten und schnellen Pferden.

Es ist wohl die uralte Tradition der Asiaten und im besonderen der Steppenvölker, die sie diese Waffengattung der berittenen Schützen von je hat besonders pflegen lassen. Als die Kreuzfahrer sie erst kennen gelernt hatten, nahmen sie sie auch an und haben sogar den Namen, den sie ihm geben, »Turkopolen«, bis ins Ordensland Preußen übertragen.

Ein fundamentaler Unterschied zwischen occidentalischem und orientalischem Kriegswesen ist jedoch hierin nicht zu sehen, sondern nur ein gewisser Gradunterschied. Wenn die abendländischen Ritter im heiligen Lande ein Turnier veranstalteten, kam es wohl vor, daß muslimische Ritter sich in der Nähe zeigten und endlich eingeladen wurden, mitzuturnieren. Gemeinsames Turnieren ist Beweis genug, daß Ausrüstung, Fechtweise und Kampfgebräuche auf beiden Seiten sehr ähnlich waren. Die Kreuzzugs-Erzählungen bieten noch mancherlei Züge, die bei allem Glaubens- und Rassenhaß doch eine gewisse Gleichartigkeit der Standes-Anschauung zwischen den christlichen und muslimischen Rittern bezeugen.

Richard Löwenherz umgürtete Palmsonntag 1192 bei Accon den Sohn Seifeddins mit dem Schwert. Seifeddin, Saladins Sohn, schickte im Gefecht von Jaffa (5. August 1192) dem König Richard, der zu Fuß auf den Kampfplatz geeilt war, zwei Streitrosse, die dieser dankbar annahm und benutzte.

Christen und Moslims traten sogar in Lehnsverhältnis zu einander.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 214-224.
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