4. Kapitel. Johann Hyrkanos. 135-106.

[64] Gipfelpunkt des Zeitraumes. Kampf gegen den syrischen König Antiochos Sidetes. Belagerung Jerusalems. Friedensschluß unter ungünstigen Bedingungen; parthischer Kriegszug; Hyrkanos im Heere des Antiochos; Hyrkanos erringt Vorteile. Glückliche Kriegszüge gegen die Samaritaner und Idumäer. Gebietserweiterung des judäischen Landes. Die Idumäer zur Annahme des Judentums gezwungen. Der samaritanische Tempel auf Garizim und die Hauptstadt Samaria werden zerstört.


Hyrkanos bezeichnet den Scheitel- und Wendepunkt dieses Zeitraumes. Er führte nicht nur das Werk seines Vaters fort, sondern krönte es auch mit dem Stempel der Vollendung. Judäa war unter seinen Vorgängern auf einen engen Flächenraum beschränkt, und selbst innerhalb des judäischen Gebietes waren Enklaven von fremder, feindlicher Bevölkerung eingenommen. Hyrkanos erweiterte die Grenzen nach Süden und Norden und befreite dadurch den Staatskörper von den Fesseln, die seine Glieder eingeschnürt hatten. Diese glücklichen Erfolge erlangte er eben so sehr durch die Gunst der Umstände wie durch seine kriegerischen Tugenden. Denn Syrien, das noch immer den Besitz Judäas beanspruchte und es als einen ihm entrissenen Landesteil betrachtete, war durch Kronstreitigkeiten zerrissen und geschwächt, und von ägyptischer Seite, wo judäische Feldherren das Heer anführten, erhielt Hyrkanos eher Vorschub als Beeinträchtigung. Die günstige Stellung nach außen ermöglichte die Befestigung der inneren religiösen Zustände. Der hohe Rat, der in der Krisiszeit entweder ganz aufgelöst war oder nur schwache Bedeutung hatte, erhielt ein höheres Ansehen und gab der religiösen Richtung eine feste Grundlage. Die Keime verschiedener Religionsansichten bildeten sich zu Parteiungen aus, in jedem Gemeinwesen ein Symptom von Lebensfähigkeit, indem es durch Parteireibungen vor Stillstand und Verfall geschützt wird. Die Heftigkeit, mit der diese Parteien später gegeneinander anrannten, wußte Hyrkanos durch Klugheit und Autorität in Schranken zu halten. Er genoß daher die Liebe, die sich das Hasmonäergeschlecht im Herzen des Volkes erworben, und obwohl er in seinem Alter sich einer der [64] Parteien mehr zuneigte, so hat doch die andere, zurückgesetzte seine Verdienste nicht geschmälert und nicht verfehlt, zu berichten, dieser Herrscher habe das Ideal erreicht, die drei höchsten Würden des Judentums, die Fürsten-, Hohepriester-und Prophetenwürde in sich zu vereinigen. Wenn die Regierung des Hyrkanos an Glanz der salomonischen Zeit entspricht, so ist sie ihr auch in dem Punkte ähnlich, daß der Beginn und das Ende derselben unruhig, widerwärtig und getrübt waren. Die Glanzzeit beider fällt in die Mitte.

Wie Salomo im Beginn seiner Regierung einen Kronprätendenten an seinem Bruder Adonija hatte, den er unschädlich machen mußte, ebenso und in einem noch viel höheren Grade hatte Hyrkanos einen Kampf gegen Gegner zu bestehen. Einer dieser Gegner war sein Schwager Ptolemäus ben Chabub, der Mörder seines Vaters, welcher auch seinem Leben nachgestellt hatte. Ptolemäus war aber nur deswegen zu fürchten, weil er die syrische Macht hinter sich hatte, die ihn unterstützte, um das abgefallene Judäa wieder zu gewinnen. Hatte sich auch die Bevölkerung von Jerusalem bei der Kunde von Simons durch Meuchelmord erfolgtem Tode für Hyrkanos ausgesprochen, ihn als Nachfolger anerkannt und Ptolemäus gezwungen, sich in seine Burg einzuschließen, so erforderte es doch die eigene Sicherheit wie die Pflicht, den Tod seines Vaters zu rächen, diesen gewissenlosen Feind nicht ungestraft zu lassen. Er beeilte sich daher, ihn sofort aufzusuchen, ehe noch Antiochos zu dessen Entsatz seine Truppen heranzog. Über die Belagerung der Festung und den Ausgang derselben herrscht einige Dunkelheit. Nach einer jedenfalls ausgeschmückten Nachricht habe Hyrkanos nicht mit aller Energie die Belagerung betreiben können, weil der Feind die als Geisel zurückgehaltene Mutter (nach anderen auch die Brüder) des Hyrkanos auf der Mauer grausam habe foltern lassen; die Mutter aber habe, als echte Hasmonäerin, ihren Sohn ermuntert, auf ihre Schmerzen nicht zu achten, vielmehr nicht nachzulassen, den Mörder ihres Hauses nach Gebühr zu züchtigen. Demzufolge sei Hyrkanos' Herz von zwei Gefühlen zerrissen worden, von dem Pflichtgefühl der Rache und dem Erbarmen für seine Mutter1. Tatsache ist es indessen, daß Hyrkanos unverrichteter Sache abgezogen ist, entweder, wie erzählt wird, weil wegen des Sabbatjahres2 der Krieg verboten war, oder, was viel wahrscheinlicher ist, weil der syrische König sich mit einem Heere näherte, um die Verlegenheit der Judäer zu benutzen. Ptolemäus soll nach Abzug des Belagerungsheeres [65] Hyrkanos' Mutter (und Brüder) getötet haben und nach Philadelphia, der ehemals ammonitischen Hauptstadt Rabbat-Ammon, geflohen und von dem Beherrscher derselben, Zeno Kotylas, freundlich aufgenommen worden sein (Herbst 135). Sein Name wird nicht weiter genannt; er verschwindet spurlos.

Eine viel größere Gefahr drohte Hyrkanos von Antiochos Sidetes, welcher den Abfall Judäas von Syrien und die erst jüngst erlittene Niederlage zu rächen hatte. Er zog (Herbst 135) mit einem großen Heere, wir wissen nicht, ob auf dem Landwege von Norden her oder zu Schiffe von der Küste aus, heran, zerstörte die Gegend auf seinem Zuge und näherte sich der Hauptstadt. Hyrkanos muß sich zu schwach gefühlt haben, ihm in offener Schlacht entgegenzutreten; denn er schloß sich in Jerusalem ein, auf die Festigkeit der Mauern vertrauend. Antiochos veranstaltete daher eine förmliche Belagerung in ausgedehntem Umfange. Er schloß die Stadt durch sieben Lager ein, errichtete im Norden, wo der Boden ebener ist, hundert dreistöckige Türme, von welchen aus die Truppen gegen die Mauern zu operieren vermochten, und ließ einen breiten Doppelgraben um das Lager ziehen, um die Ausfälle der Belagerten zu erschweren. Dennoch unterließen die letzteren nicht, häufige Ausfälle zu machen und den vorbereiteten Sturm mit großer Tapferkeit zurückzuschlagen, so daß sich die Belagerung in die Länge zog. Dabei litt das syrische Heer an Wassermangel und infolgedessen wohl auch an Krankheiten. Aber auch die Belagerten, obwohl sie keinen Mangel an Wasser hatten, litten nicht weniger durch Mangel an Nahrungsmitteln, und Hyrkanos war in die traurige Notwendigkeit versetzt, einen Akt der Grausamkeit gegen die Wehrlosen der Stadt zu begehen. Um nicht den Vorrat aufzehren zu lassen, trieb er diese aus der Stadt, vielleicht in der Hoffnung, daß sich der Feind ihrer erbarmen und sie abziehen lassen werde; aber Feinde sind gegen Wehrlose selten großmütig. Das Belagerungsheer ließ diese Unglücklichen die Belagerungslinien nicht überschreiten und zwang sie innerhalb des den Doppelgeschossen ausgesetzten Raumes zu bleiben, und so wurden sie von zwei Seiten aufgerieben. Indessen war der Sommer verstrichen, ohne daß sich den Syrern die Aussicht auf Erstürmung der Mauer eröffnete. Die eintretende Regen-und Winterszeit mochte ihnen noch ungünstiger dazu erscheinen und sie zu Friedensunterhandlungen geneigt machen. Die Belagerten waren wegen des empfindlichen Nahrungsmangels und der eintretenden Festzeit noch mehr dazu geneigt. Hyrkanos tat den ersten Schritt, einen Waffenstillstand für die sieben Tage des Hüttenfestes zu erbitten, und Antiochos gewährte ihm nicht nur das Verlangte, sondern schenkte auch Opfertiere mit vergoldeten Hörnern [66] und goldene Gefäße mit Wohlgerüchen3. Als darauf Unterhandlungen für den Frieden angeknüpft wurden, rieten Antiochos' Ratgeber zur äußersten Strenge und erinnerten ihn an die richtige Politik eines seiner Vorgänger, des Antiochos Epiphanes, der kein anderes Mittel kannte, den »Menschenhaß« der Judäer zu vertilgen, als sie zu zwingen, ihre eigentümlichen Gesetze aufzugeben. Wenn Antiochos von Side auf den Rat dieser vorurteilsvollen Ratgeber gehört hätte, welche in der befangenen Weise jener Zeit in den judäischen Absonderungsgesetzen nichts als Menschenhaß erblickten, so hätten sich die blutigen Kämpfe um die Erhaltung von Gesetz und Sitte zum zweiten Male wiederholt. Denn die beschränkte Weisheit dieser Ratgeber kannte keinen anderen Ausweg, als entweder die Judäer mit Stumpf und Stil zu vertilgen oder ihnen das Aufgeben ihrer Gesetze aufzuzwingen. Zum Glücke für sie war dieser Antiochos weder so gemütfroh noch so mächtig, um sich in ein so gewagtes Spiel einzulassen. Er stellte vielmehr verhältnismäßig annehmbare Friedensbedingungen. Die Judäer sollten ihre Waffen ausliefern, für Joppe, Gazara und andere ehemals syrische Festungen Tribut zahlen und in Jerusalem eine syrische Besatzung aufnehmen. Hyrkanos ließ sich die ersten beiden Bedingungen in der Not gefallen, aber die letzte wies er entschieden zurück, weil die nahe Berührung mit Syrern in der heiligen Stadt unvermeidlich zu unaufhörlichen Reibungen und Gehässigkeiten hätte führen müssen. Er bot daher Geiseln und fünfhundert Talente dafür an, worauf der syrische König um so eher eingehen mochte, als ihm die angebotene Geldsumme Mittel gewährte, einen Kriegszug nach Parthien zu unternehmen. Er nahm also die Geiseln, worunter auch ein Bruder des Hyrkanos war, und eine vorläufige Abschlagssumme von dreihundert Talenten an, welche Hyrkanos angeblich aus dem Schatze des Grabmals Davids gehoben haben soll. Antiochos begnügte sich, den oberen Teil der Stadtmauer Jerusalems mit den Zinnen zu zerstören (Herbst 134)4. So war die [67] finstere Wolke, welche der Unabhängigkeit Judäas gedroht hatte, ohne bedeutenden Schaden vorübergezogen, und selbst die verhältnismäßig geringen Nachteile, welche dem jüdischen Staate aus den Bedingungen erwachsen waren, glichen sich bald aus.

Der syrische König war auch gezwungen, eine freundliche Miene gegen Hyrkan anzunehmen. Er hatte nämlich einen Kriegszug gegen das Partherland vor, das früher zum Reich seiner Vorfahren gehört und sich davon losgemacht hatte. Sein Bruder Demetrios Nikator hatte einen Zug dahin unternommen, hatte aber eine Niederlage erlitten und wurde beinahe zehn Jahre in parthischer Gefangenschaft gehalten. Antiochos glaubte glücklicher als sein Bruder zu sein. Zu dem Heer von 80 000 Bewaffneten, das er sammelte, konnte er die Hilfe der judäischen Krieger wie die anderer Nachbarländer nicht entbehren. Er forderte daher Hyrkan auf, mit seinem Heere den Feldzug mitzumachen. Antiochos mochte dabei nicht bloß auf die materielle Unterstützung rechnen, welche Hyrkanos ihm zuführen konnte, sondern auch auf die Vorteile, die ihm von seiten der zahlreichen Judäer in der Euphrat- und Tigrisgegend erwachsen möchten. Diese judäisch-babylonische Kolonie, welche waffengeübt war, würde, nach seiner Berechnung, wenn auch nicht gemeinsame Sache mit ihm machen, doch wenigstens sich neutral verhalten, wenn sie einen judäischen Fürsten und judäische Hilfstruppen unter seinem Heere erblicken würde. Der syrische König nahm daher während des Feldzuges Rücksichten auf das judäische Kriegsheer; er ließ auf Hyrkanos' Wunsch nach einem Siege am Flusse Zab (Lykos) die zwei Tage eines Sabbats und des darauf folgenden Wochenfestes der Judäer wegen rasten (129)5. Indessen hatte das Glück seit den Tagen Antiochos des Großen der seleucidischen Dynastie den Rücken gekehrt; Antiochos ließ auf diesem Feldzuge sein Leben. Sein Bruder Demetrios II., Nikator, den der Partherkönig bei Antiochos Einfall in Parthien aus der Gefangenschaft entlassen, um ihn als Gegenkönig aufzustellen, regierte zum zweiten Male nur kurze Zeit (128-125). Bei den Syrern wegen seiner langen parthischen Gefangenschaft verhaßt, hatte Demetrios gegen einen Gegenkönig Alexander Zebina zu kämpfen, welchen Ptolemäus Physkon aufgestellt hatte, weil seine Frau und Schwester sich mit Demetrios verbunden hatte. Von Zebina besiegt und zur Flucht gezwungen, fand [68] der unglückliche Demetrios nicht einmal bei seiner Gattin Kleopatra, welche mit den zwei Brüdern zugleich verheiratet war, in Akko Aufnahme, sondern mußte sich nach Tyrus retten, wo er durch die Hand seiner Feinde umkam. Noch verwirrter gestalteten sich die syrischen Verhältnisse unter dessen Nachfolgern, indem einerseits dem Alexander Zebina (128-123), wiewohl er von Ägypten unterstützt wurde, der rechtmäßige Thronerbe Antiochos VIII. mit dem Beinamen Grypos (125-96) kriegerisch entgegentrat, und andererseits diesem wieder sein Bruder mütterlicherseits, Antiochos IX. Kyzikenos (113-95), die syrische Krone streitig machte6. Tödlicher Haß der Glieder des seleucidischen Hauses gegeneinander und Mordtaten füllten die letzten Geschichtsblätter desselben. Kleopatra, die Mutter, ließ einen ihrer Söhne (Seleucos) bald nach dem Tode ihres Gatten Demetrios umbringen und mischte für den andern, Antiochos Grypos, den Giftbecher; dieser aber zwang sie, ihn selbst zu leeren.

Diesen Zustand äußerster Schwäche in Syrien, der eine Reihe von Jahren dauerte, machte sich Hyrkan zunutze, um die Grenzen Judäas zu dem Umfange wieder auszudehnen, den sie in den glücklichen Tagen der Vorzeit hatten. Bald nach Antiochos Sidetes' Tode löste Hyrkan das Vasallenverhältnis zu Syrien, in welches die Belagerung Jerusalems Judäa gebracht hatte, vollständig auf und ließ sich nicht einmal das Bundesgenossenverhältnis gefallen7. Alexander Zebina war froh, daß ihn Hyrkan als König anerkannte, und nach dessen Untergang (123) sah Hyrkan den Augenblick gekommen, angriffsweise gegen Syrien zu verfahren. Zunächst ließ er sich den Besitzstand durch Rom sichern. Er schickte, wie sein Vater, eine Gesandtschaft nach Rom, drei Männer, Simon, Sohn des Dositheos, Apollonius, Sohn des Alexander, und Diodor, Sohn Jasons, um den Senat zu bitten, die Freundschaft, welche Rom verschwenderisch auch dem geringsten Völkchen erweist, mit dem judäischen Gemeinwesen zu erneuern, und zugleich Klage zu führen darüber, daß sich Antiochos Sidetes die wichtigen Festungen, Joppe mit dem Hafen, Gazara mit den Quellen und noch andere Plätze in Judäa angeeignet hatte. Rom pflegte stets sich der Schwachen gegen die Starken anzunehmen, nicht aus Gerechtigkeitssinn, sondern um sie zu schwächen und für sich willfährig zu machen. Die Demütigung des seleucidischen Königshauses lag ihm besonders am Herzen, weil dieses sich erlaubte, hin und wieder einen trotzigen oder mindestens einen [69] unfreundlichen Sinn gegen Rom zu zeigen. Die judäischen Gesandten wurden daher in Rom freundlich aufgenommen und aufmerksam angehört, und es wurde ihnen der Beschluß eingehändigt, daß Antiochos, der syrische Herrscher, gehalten sei, ihnen die Plätze wieder zuzustellen und daß es ihm weder gestattet sei, seine Truppen durch Judäa ziehen zu lassen, noch die Einwohner als seine Untertanen zu behandeln (um 123)8. Dann ging Hyrkan kriegerisch vor. Nach drei Seiten hin war Judäa von fremder Bevölkerung eingeengt. Im Süden von den Idumäern, welche ihr Gebiet bis tief nach Judäa hinein ausgedehnt hatten; in der Mitte von den verhaßten Samaritanern, deren Gebiet eine Scheidewand für die galiläischen Judäer bildete und sie verhinderte, auf dem kürzesten Wege Jerusalem zu erreichen; endlich war der Landstrich jenseits des Jordan und die Ufer dieses Flusses von Griechen bewohnt, die sich stets feindlich gegen die Judäer gezeigt hatten. Hyrkanos betrachtete es daher als eine Aufgabe, alle diese Gebiete wieder an Judäa zu bringen und die feindliche Bevölkerung entweder auszuweisen oder mit den Judäern eng zu verschmelzen. Denn so lange diese Enklaven fremder, feindlicher Bevölkerung im Herzen des Landes fortbestanden, waren die politische Unabhängigkeit und der religiöse Bestand gefährdet. Nicht nur gewährten diese feindlichen Völkerschaften auswärtigen Eroberern stets bereitwillige Unterstützung, sondern sie legten der religiösen Übung nicht selten Hemmnisse in den Weg und gaben dadurch Gelegenheit zu blutigen Reibungen. Hyrkan mußte sich also eben so sehr aus religiösen, wie aus politischen Gründen bewogen fühlen, diesen Herd beständiger Unruhe und Feindseligkeit zu ersticken. Aber um so große Ziele zu erreichen, bedurfte es des Aufwandes aller Kräfte und des Aufgebotes ausreichender militärischer Mittel, welche die judäische Nation aus sich selbst nicht hätte erschwingen können. Hyrkan sah sich also genötigt, um die Wehrkraft des Volkes nicht allzusehr anzustrengen, Soldtruppen in Dienst zu nehmen9. Die Mittel für die Söldner nahm Hyrkan, wie man sich erzählte, aus dem Schatze, den er im Grabmal Davids gefunden haben soll, wahrscheinlicher aber aus demjenigen, welchen seine Vorgänger durch die Kriege zusammengebracht haben mochten. Diese Mietlinge wurden in der Burg Birah (Baris) untergebracht.

Zuerst wandte sich Hyrkan nach Osten, der Jordangegend, nach [70] Medaba. Gegen diese Stadt hatten die Hasmonäer einen alten Groll, weil die Bewohner derselben unter Anführung der Bne-Amri einmal einen der Hasmonäerbrüder, welcher die Frauen und Kinder der judäischen Krieger bei den Nabatäern in Sicherheit bringen wollte, überfallen und ihn samt den seinem Schutze anvertrauten Schwachen niedergemetzelt hatten10. Medaba muß aber so befestigt gewesen sein, und die Einwohner müssen so tapfer gekämpft haben, daß es Hyrkan erst nach sechs Monaten gelang, es einzunehmen und zu zerstören. Dann zog das Heer nach der am Jordan und am südlichen Ende des Tiberiassees gelegenen Stadt Samega11 (Kefar Zemach), welche für die Judäer eine besondere Wichtigkeit gehabt haben muß. Dann kamen die samaritanischen Städte an die Reihe. Die Hauptstadt Sichem und der auf dem Berge Garizim errichtete chutäische Tempel, welcher dem judäischen Volke stets ein Dorn im Auge war, wurden zerstört (21. Kislew um 125-20)12. Der Tag der Zerstörung dieses Tempels, der an drei Jahrhunderte gestanden hatte, galt der jüdischen Nation als ein besonders freudiges Ereignis, dessen Andenken unter dem Namen Garizim-Tag (Jom har-Garizim) alljährlich durch das Unterbleiben von Fasten und Trauer gefeiert wurde13. Seit dieser Zeit ist der Glanz der Samaritaner entschwunden; denn obwohl sie ihre Eigentümlichkeit noch Jahrtausende bewahrten und noch heutigen Tages fortdauern und noch immer fortfahren auf dem Berge Garizim zu opfern, so verkümmert doch ihr Wesen durch den Mangel an einem Mittelpunkte immer mehr. Die Zerstörung des Garizim-Tempels trug aber dazu bei, den Haß gegen die Judäer noch mehr zu schüren, und die Samaritaner schlossen sich stets denjenigen Völkern an, die es auf Unterdrückung der Judäer abgesehen hatten.

Von dem Siege über die Samaritaner schritt Hyrkan zum Kampfe gegen die Idumäer. Dieses Volk, obwohl durch die mannigfaltigen Wechselfälle der aufeinander folgenden asiatischen und mazedonischen Dynastieen tief herabgekommen und von den Nabatäern aus seinen Wohnsitzen verdrängt, hatte sich allein unter all den ehemaligen mit Israel stammverwandten Völkerschaften zu behaupten gewußt und seine feindselige Haltung gegen die Judäer aus der älteren Zeit bewahrt. Es hatte den südlichen Teil des ehemaligen Judäa besetzt und sein Gebiet bis Hebron, Marissa (Marescha) und Adora ausgedehnt14. Juda Makkabi hatte zwar die Idumäer geschlagen, ihnen Hebron entrissen und ihre Burgen zerstört; aber durch die ihnen eigene Zähigkeit hatten [71] sie sich wieder gestärkt und sich zum Nachteil der Judäer des Südens wieder bemächtigt. Hyrkan fühlte sich aber stark genug, sie unschädlich zu machen, belagerte ihre zwei Festungen Adora und Marissa in der Landschaft Gabalene und stellte ihnen nach Schleifung derselben die Wahl zwischen Annahme des Judentums oder Auswanderung. Sie zogen das erstere vor, unterwarfen sich der Beschneidung und blieben von der Zeit an äußerlich dem Judentume anhänglich15. Die idumäischen Götzentempel wurden selbstverständlich zerstört; doch blieben die Götzenpriester heimlich ihrem Kultus anhänglich16. So war denn Jakob und Esan, seit mehr als einem Jahrtausend in Haß gegeneinander entbrannt, von jetzt an vereinigt; der ältere Bruder diente dem Jüngern. Zum ersten Male zeigte hier das Judentum in seinem Fürsten Johann Hyrkanos Unduldsamkeit gegen andere Kulte und legte Religionszwang auf; aber es erfuhr bald genug mit empfindlichem Schmerze, wie höchst nachteilig es sei, den Eifer für die Erhaltung bis zur Bekehrung anderer zu treiben. Wenn Simon durch das Bündnis mit den Römern den ersten Keim zur Auflösung des judäischen Staates gelegt hat, so gab ihm sein Sohn durch die gewaltsame Bekehrung der Idumäer reichliche Nahrung, und er hat in kaum einem halben Jahrhundert die bittersten Früchte getragen, nicht bloß für die judäische Nation, sondern auch für das hasmonäische Fürstenhaus. Die Verschmelzung der Söhne Edoms mit den Söhnen Jakobs brachte diesen nur Unglück. Idumäer und Römer waren es, welche die hasmonäische Dynastie entthronten und dem judäischen Staate den Untergang brachten. Indessen wie hätten Fürst und Volk, unbelehrt durch die warnende Stimme von Propheten wie in früherer Zeit, gerade in den zwei glücklichen Erfolgen, dem schützenden Bündnisse mit den Römern und dem Siege über die uralten Feinde, die Samaritaner und Idumäer, eine Gefahr für die Zukunft erblicken sollen? Das Glück in der Gegenwart befriedigte sie. In dieser glücklichen Stimmung suchten die Vertreter des Volkes und der hohe Rat zum zweiten Male das Band der Brüderschaft mit den Judäern in Ägypten und besonders in Alexandrien enger zu knüpfen. Sie sandten im Namen Jerusalems und Judäas ein gewinnendes Sendschreiben an sie (124), um sie zu bewegen, die Festtage zum [72] Andenken an die Siege der Hasmonäer und an die Tempelweihe ihrerseits zu begehen, was so viel sagen wollte als den veränderten Zustand in der Urheimat anzuerkennen, nicht damit zu schmollen, vielmehr sich damit zu freuen und daran mit ganzem Herzen teilzunehmen. Der Zeitpunkt war gut gewählt. Denn während die Judäer in der Heimat durch die Selbstzerfleischung der seleucidischen Herrscher sich frei fühlten, drohte denen in Ägypten Unheil dadurch, daß Ptolemäus VII., Physkon, jenes Scheusal an Leib und Geist, der Übelwollen gegen sie hegte (o. S. 49), wiederum zur Herrschaft gelangte (127). Der jerusalemische hohe Rat richtete sein Sendschreiben zunächst an Juda Aristobul, den ehemaligen Lehrer des Königs Ptolemäus Philometor, »welcher vom Geschlechte der gesalbten Hohenpriester stammte«17, weil dieser wohl damals an der Spitze der alexandrinischen Gemeinde stand. Das brüderliche Sendschreiben beginnt mit einer Fürbitte für die Judäer im Nachbarlande: »Gott der Väter gebe euch Frieden, erhöre eure Gebete, sei euch gnädig und verlasse euch nicht in schlimmer Zeit.« Es erinnert an die Leiden, welche das Volk durch die Religionsverfolgung des Antiochos Epiphanes erduldet, an die Hilfe, die ihm Gott gewährt, an die Wiederherstellung des Heiligtums in seiner Reinheit und an den schmählichen Untergang des frevelhaften Königs, der Gott bekämpft habe. Indem es wiederholentlich die Brüder in Ägypten auffordert, die Feier der Tempelweihe ihrer seits zu begehen, auf die Wichtigkeit derselben hinweist und an die großen Verdienste des makkabäischen Helden Juda erinnert, schließt es mit einer Hoffnung: »Gott, der sein ganzes Volk gerettet und allen seinen Söhnen das Erbe und die Herrschaft und die Priesterschaft und die Heiligkeit zugesichert, wird uns bald Erbarmen zuwenden und alle aus den Ländern unter dem Himmel zum heiligen Orte sammeln. Denn er hat uns aus großen Nöten erlöst und hat den Ort (wieder) gereinigt.« Der Ton dieses in hebräischer Sprache gehaltenen Sendschreibens klingt wie ein verklingender Nachhall aus der biblischen Zeit und heimelt mit seiner Milde an. Wenn der Gesetzeslehrer Josua b. Perachja18 damals zu den Mitgliedern des hohen Rates gehört hat, derselbe, zu dessen Lebenszeit ein lebhafter Handelsverkehr mit Weizen zwischen Palästina und Alexandrien stattfand, und der seinen Jüngern einprägte, die Menschen nach der Seite der Unschuld zu beurteilen, so würde der milde Ton in dem Sendschreiben von ihm herrühren. Hyrkan ist in diesem Schreiben auch nicht versteckt wahrnehmbar: es durfte von ihm keine Rede sein, wenn die alexandrinische Gemeinde für die [73] Gemeinsamkeit gewonnen werden sollte. Die angesehensten Familien der Nachkommen Onias sollten durch nichts daran erinnert werden, daß die Hasmonäer Priestertum und Herrschaft besaßen, welche ihnen gebührten.

Infolge der Eroberung des idumäischen Gebietes und der Bekehrung der Idumäer zum Judentume entstand ein neuer Krieg mit der Stadt Samaria, welche größtenteils mazedonische oder syrische Bewohner hatte. Hyrkan hatte in die Nähe Samarias Idumäer aus der Landschaft Marissa als Kolonie19 verpflanzt. Diese wurden indessen von den Nachbarn angefeindet und mißhandelt, welche dazu von den syrischen Königen Grypos und Kyzikenos ermutigt wurden. Ganz besonders zeigte der letztere, welcher durch seine Verschwendungssucht und seine Torheiten an Antiochos Epiphanes erinnert, einen feindlichen Sinn gegen Hyrkan, namentlich in der Zeit, als er im Alleinbesitze des syrischen Thrones war (113-111). Seine Truppenführer machten Streifzüge in Judäa, bemächtigten sich einiger fester Plätze in der Nähe der Küste und legten nach Joppe eine Besatzung. Hyrkan führte deswegen Klage beim römischen Senate, welcher früher die Zugehörigkeit dieser wichtigen Hafenstadt und anderer Plätze zu Judäa zugesichert hatte. Durch fünf Gesandte ließ Hyrkan die Gerechtigkeit seiner Sache in Rom geltend machen, darunter durch den bereits bei einer früheren Gesandtschaft verwendeten Apollonios, Sohn Alexanders; alle diese waren wohl des Griechischen kundig und redegewandt. Rom gab Hyrkan mit schönen Worten Recht. Es erließ einen Senatsbeschluß, daß Antiochos (Kyzikenos), Sohn des Antiochos, die Judäer, die Bundesgenossen der Römer, nicht feindlich behandeln, ihnen vielmehr die entrissenen Festungen, Hafenplätze und Landstriche zurückerstatten solle, ferner daß es den Judäern unverwehrt sei, Waren aus ihren Häfen auszuführen, aber keinem andern Volksgenossen, auch nicht einem König, sei zollfreie Ausfuhr gestattet, es sei denn dem König von Ägypten, als römischem Bundesgenossen. Endlich sollte die syrische Besatzung aus Joppe weichen20. Gleichviel, ob Roms Machtwort auf Antiochos Kyzikenos Eindruck gemacht hat oder nicht, es war immer von Wert für Hyrkan, daß es sich nicht gegen ihn ausgesprochen und ihn nicht gelähmt hat. Er konnte daher seine Kräfte frei entwickeln und seinen Feinden entgegentreten. Den Kyzikener scheint er in Schranken gehalten zu haben.

Als er aber Samaria wegen der Feindseligkeit gegen die Marissener züchtigen wollte und die Stadt durch Graben und Wälle so eng belagern [74] ließ, daß ihr jede Zufuhr abgeschnitten war, und Hungersnot sich einstellte, kam ihr dieser König zu Hilfe. Er wurde indessen in einem Treffen von Aristobul, Hyrkans ältestem Sohne, welcher mit seinem jüngern Bruder Antigonos die Belagerung leitete, geschlagen und mußte nach Betsan (Skythopolis) entfliehen. Zu schwach, den Judäern Schaden zuzufügen, rief er den Mitregenten Ägyptens, Ptolemäus VIII. Lathuros (Lathyros), zu Hilfe gegen sie. Dieser König ließ sich aus Abneigung gegen die Judäer Ägyptens leicht dazu bewegen. Seine Mutter Kleopatra, der er vom Volke als Mitherrscher aufgezwungen worden war, führte einen stillen Krieg gegen ihn und begünstigte nach dem Beispiel ihrer Eltern, ihres Vaters Ptolemäus Philometor und seiner Schwester-Frau Kleopatra, die Judäer. Zwei Söhne Onias' IV., Helkia und Anania, als Befehlshaber des Bezirkes Onion und als Arabarchen (o. S. 37), standen ihr zur Seite21. Eben deswegen scheint ihr Sohn eine Abneigung gegen die Judäer im allgemeinen empfunden zu haben und folgte der Einladung des Kyzikenos, Hyrkan zu bekriegen und ihn zu zwingen, die Belagerung Samarias aufzuheben. Gegen den Willen seiner Mutter führte Lathuros 6000 Mann Kyzikenos zu Hilfe. Zu schwach jedoch, eine Schlacht auf offenem Felde gegen das judäische Heer zu wagen, mußte dieser sich darauf beschränken, das Land hie und da zu verwüsten, in der Hoffnung, dadurch die Belagerung Samarias zu stören. Indessen hoben die judäischen Prinzen die Belagerung nicht ganz auf und zwangen den Feind, durch Überrumpelung von sicherem Hinterhalte aus, den Kriegsschauplatz zu verlassen und sich nach Tripolis zurückzuziehen22. Einen der Siege über Kyzikenos soll eine Stimme aus dem Allerheiligsten in dem Augenblicke Hyrkan verkündet haben, als seine Söhne ihn erfochten hatten. In aramäischer Sprache soll er die Worte vernommen haben: »Die jungen Prinzen haben über Antiochos gesiegt!« gerade als er im Tempel das Räucherwerk darbrachte. Das wunderbar Vernommene habe er beim Heraustreten sofort den Anwesenden mitgeteilt. Später habe es sich ergeben, daß diese wunderbare Kunde gerade im entscheidenden Augenblicke des Kampfes gehört worden war23. Zwei Feldherren, die zur Fortsetzung der Feindseligkeiten zurückgelassen waren, Kallimandros und Epikrates, waren nicht glücklicher; der erstere verlor sein Leben in einem Treffen, der letztere, durch Geldbestechung gewonnen, übergab den judäischen Prinzen die Stadt Betsan und noch andere Städte der Ebene Jesreel bis zum Karmelgebirge24, welche [75] bisher in den Händen der Griechen oder Syrer gewesen waren. Sofort wurden die heidnischen Einwohner aus den neuerworbenen Städten ausgewiesen. Die Tage der Wiederbesetzung von Betsan und der Ebene (Bekaata) von Judäern (15. und 16. Siwan, Juni um 110) gehörten fortan zu der Zahl der Siegestage25. – Die Einwohner von Samaria, von auswärtiger Hilfe nun verlassen und zu ohnmächtig zu weiterem Widerstande, kapitulierten und überließen nach einem Jahr der Belagerung die Stadt den Siegern. Sei es aus Rachegefühl oder Vorsicht, Hyrkan ließ Samaria bis auf den letzten Stein zerstören und mit Wassergräben und Kanälen durch ziehen, um nicht eine Spur von der ehemals blühenden Stadt übrig zu lassen; man nannte Samaria seitdem in judäischen Kreisen die Grabenstadt (Ir Nebrechta); der Tag der Einnahme (25. Marcheschwan, November um 110) wurde ein neuer Gedenktag26. So hatte Hyrkan die weitgehenden Pläne der Hasmonäer verwirklicht und ihrem Werke die Krone aufgesetzt. Judäa war in seiner Selbständigkeit gesichert und zur Höhe der Nachbarstaaten emporgebracht. Die Feinde, die es von allen Seiten bedroht hatten, Syrer, Idumäer, Samaritaner, waren größtenteils besiegt und das Land von den Schranken befreit, welche seine Entwickelung gehemmt hatten. Die glücklichen Zeiten des judäischen Volkes unter David und Salomo schienen wiedergekehrt, fremde Stämme mußten dem judäischen Herrscher huldigen. Der alte Haß zwischen den Bruderstämmen Judäas und Idumäas war getilgt, Jakob und Esan waren wieder Zwillingsbrüder geworden. Moabitis, die Tochter des Arnon, mußte wieder zum Berge der Tochter Zions Geschenke senden. Die Jordanufer, die Meeresküste, die Karawanenstraßen, die von Ägypten nach Syrien und Kleinasien führten, waren ganz in der Gewalt Judäas. Auch seinen Feind Ptolemäus Lathuros sah es gedemütigt. Dieser, welcher in Zerwürfnis mit seiner Mutter-Mitregentin lebte, wurde ihr zuletzt so unerträglich, weil er Freunde und Anhänger ihrer Eltern, Philometors und Kleopatras – worunter ohne Zweifel auch Judäer – aus dem Wege räumte, daß sie das Volk gegen ihn aufstachelte und ihn aus Alexandrien vertrieb (108). Als er zu Schiff nach Cypern floh, sandte Kleopatra ihm ein Heer nach, um ihn unschädlich zu [76] machen. Indessen gingen die Truppen, die sie nacheinander zu seiner Verfolgung ausgesandt hatte, zu ihm über; nur die judäische Schar aus dem Bezirk von Onion, befehligt von den judäischen Truppenführern Helkia und Anania, Onias' Söhnen (o. S. 75), blieben der Königin treu und bedrängten ihn, um ihn auch aus der Insel Cypern zu verjagen27. In Alexandrien wie in Judäa spielten die Judäer damals eine Hauptrolle und arbeiteten einander in die Hände. Beide führten den Kampf gegen gemeinsame Feinde, gegen Lathuros und seinen Verbündeten Antiochos Kyzikenos.

Selbstverständlich ließ Hyrkan auch judäische Münzen und zwar mit althebräischen Schriftzeichen prägen28, wie eine Anzahl Exemplare [77] aus Kupfer bestätigen. Er ging aber von der bescheidenen Weise seines Vaters ab. Er ließ nämlich seinen Namen darauf prägen: »Jochanan, Hoherpriester.« Ein Teil dieser Münzen hat wenigstens noch neben seinem Namen die Inschrift: »und das Gemeinwesen der Judäer (Cheber ha-Jehudim), als hielte er es für nötig anzudeuten, daß er das Münzrecht im Namen des Volkes übe. Andere Münzen Hyrkans haben aber eine veränderte Inschrift: »Jochanan der Hohepriester und Oberhaupt des Gemeinwesens der Judäer« (Rosch Cheber ha-Jehudim), als hätte er damit die republikanische Regierungsform in Vergessenheit bringen und sich als alleinigen Inhaber der Regierungsgewalt hinstellen wollen. Als Sinnbild auf den Münzen ließ er nicht gleich seinem Vater eine Lilie anbringen, sondern mit Annäherung an das Vorbild der mazedonischen Herrscher ein Füllhorn.

Gegen Ende seiner Regierung schlug Hyrkan immer mehr eine weltliche Richtung ein. Vergrößerung des Landes und Erhöhung seiner Macht war sein Streben. Hyrkan scheint auch auf das ausgedehnte Gebiet, das die Straße nach Damaskus beherrschte, ein lüsternes Auge geworfen zu haben; die Eroberung von Ituräa, dem Strich östlich vom Hermongebirge, die sein Nachfolger vollendete, scheint von ihm angebahnt worden zu sein. Aber er wurde durch eine gewaltige Bewegung im Innern, der er nicht Herr werden konnte, und durch seinen bald darauf erfolgten Tod an der Ausführung gehindert. Und diese Bewegung, so unscheinbar in ihren Anfängen, nahm eine so unglückliche Wendung, daß der mühsam aufgeführte Bau der Hasmonäer erschüttert wurde. Zum zweiten Male erfuhr es der judäische Staat, daß er, auf dem Gipfelpunkt seiner Macht angelangt, sich nicht in äußerlicher Größe behaupten sollte.


Fußnoten

1 Josephus Altert. XIII, 8, 1.


2 Das. XIII, 8, 1. Vergl. Note 8.


3 Josephus Altert. XIII, 8, 1.


4 Josephus XIII, 8, 3 und Fragment des Diodor Exc. c. 34, 1. Über die chronologischen Data dieses Krieges vergl. Note 8. Wenngleich Diodor (das.) referiert: Antiochos habe die ganze Mauer Jerusalems zerstören lassen: τὰ τείχƞ περιελών, so ist Josephus' Angabe doch vorzuziehen, daß es lediglich die Mauerkrone betroffen hat: τὴν στεφάνƞν. Josephus hatte Diodors Bericht vor Augen (vergl. das. 8, 2-3); er muß also einen Grund gehabt haben, in diesem Punkte von ihm abzuweichen, wahrscheinlich gestützt auf eine andere Quelle, vielleicht auf Posidonius von Apamea. Wäre die ganze Mauer abgetragen worden, so hätte berichtet sein müssen, daß Hyrkan sie wieder aufgerichtet habe. Davon wird aber nichts erwähnt. [Vgl. jedoch I. Makkab. 16, 23, worauf Schürer, I3, 260, Anm. 6, mit Recht hinweist.]


5 Jos. Altert. XIII, 8, 4, nach Nikolaos von Damaskus oder richtiger nach Posidonius. Hyrkanos' Beteiligung an der parthischen Expedition war keineswegs eine gezwungene Heeresfolge – sonst hätte Antiochos nicht auf die religiösen Bedenken desselben Rücksicht genommen – sondern eine freiwillige συμμαχία.


6 Das. 9, 3; 10, 1. Josephus' Schreibweise Ζεβινᾶς ist richtiger als Ζαβινᾶς, denn der Name bedeutet im Syrischen einen gekauften Sklaven, also אניבז [zevina]. [Vgl. Schürer, I3, S. 175. 265.]


7 Das. 10, 1.


8 Vgl. Note 9. [Vgl. hierzu Schürer, I3, S. 261 ff., der trotz großer Bedenken die Gesandtschaft in die ersten Jahre der Regierung Hyrkans setzen möchte.]


9 Josephus das. 8, 4. In der talmudischen Literatur werden solche im judäischen Dienste stehenden Soldtruppen אינסכא ξένιοι genannt.


10 Oben S. 8.


11 [Vgl. Buhl, a.a.O., S. 266.]


12 Josephus Altert. XIII, 9, 1.


13 S. Note 1, IV, 10.


14 I. Makkab. 4, 61. 5, 3. 65 ff. Vgl. Bd. II b, S. 164.


15 Josephus Altert. XIII, 9, 1.


16 Das. XV, 7, 9. Die mit einer Fabel gemischte Geschichte von dem Idumäer Zabid, welche Apion er zählt, bei Josephus contra Apionem II, 9, gehört wohl in diese Zeit. Das von dem ersteren angeführte und von Josephus verkannte Dora ist Adora, eine idumäische Stadt in dieser Zeit. Ebenso ist verschrieben Altert. XIV, 5, 3. Δῶρα Μάρισά τε statt Ἄδωρα, wie in der Parallelst. jüd. Kr. I, 8, 4. Μάρισσα καὶ Ἀδώρεως.


17 Vgl. Note 10 [und Schürer III3, 361 f.]


18 Abot I, 6. Tosefta Machschirin III. 2.


19 Jos. Altert. XIII, 10, 2. Zu beachten dabei ist der Ausdruck: Μαρισσƞνοὺς ἀποίκους. Es war eine marissenische Kolonie, welche die Bewohner Samarias feindlich behandelt haben. Diese muß also in der Nähe angesiedelt gewesen sein.


20 Das. XIV, 10, 22, s. Note 9. [Vgl. Schürer, I3, 267, N. 21.].


21 Josephus Altert. XIII, 10, 4. Vgl. Note 4.


22 Das. 10, 2


23 Tosefta Sota c. 13. Babli Sota 33 a. Joseph. das. 10, 3.


24 Josephus Altert. XIII, 10, 3 und Note 1, IV, 12.


25 Josephus Altert. XIII, 10, 3 und Note 1, IV, 12.


26 Note 1, IV, 11. Die Zeit ist durch den Umstand bestimmbar, daß Lathuros damals noch nicht mit seiner Mutter zerfallen und aus Alexandrien verdrängt war (Jos. das.). Seine Flucht nach Cypern fand nach Porphyrius' Angabe statt 108. Folglich fallen die Belagerung und Einnahme Samarias – 1 Jahr – zwischen 111 und 108. Dieses Faktum hat keinen Zusammenhang mit der Besiegung der Chuthäer (o. S. 71). Samaria gehörte nicht diesen, sondern griechischen Einwohnern.


27 Strabo bei Josephus das. 10, 4. Auch bei Porphyrius kommt ein Passus vor, welcher von der Einmischung der Judäer in die Kronstreitigkeiten zwischen Kleopatra und ihrem Sohn Lathuros oder beiden Söhnen zu sprechen scheint. (Fragment bei Eusebius Chronicon, ed. Schöne, I, p. 166, 20-21, bei C. Müller fragm. hist. graecc. III, p. 722): προσέκρουσε γὰρ αὐτοῖς διά τινας Ἰουδαϊκὰς ἐπικουρίας. Der Passus hat aber gar keinen Zusammenhang mit dem Vorausgehenden. Es ist da die Rede von der Zahl der Regierungsjahre der beiden Söhne Kleopatras, Lathuros und Alexandros, und dazu paßt der Satz durchaus nicht. Es läßt sich weder das Subjekt noch das Objekt αὐτοῖς erkennen. Der Sinn: »er (oder sie) war ihnen feindlich oder nachteilig durch die judäische Hilfeleistung«, – Majus' lat. Übersetzung aus dem Armenischen: cui rei Judaeorum quoque studio (subsidio) ab fuerunt – scheint jedenfalls die Hilfeleistung der Judäer für Kleopatra gegen die Alexandriner oder gegen Lathuros und seinen Anhang anzudeuten. Der Passus ist jedenfalls das Trümmerstück einer längeren Erzählung bei Porphyrius von Kleopatras Verfahren gegen ihre Söhne.


28 Über Münzen von Hyrkanos vergl de Saulcy, Madden, Merzbacher und Note 30. Die bisher gefundenen sind bloß Kupfermünzen. Unter mehreren unbedeutenden Varianten der Hyrkanischen Prägung sind nur zwei hervorzuheben. Eine Gruppe hat die Inschrift םידוהיה רבחו לודגה ןהכה ןנחוהי und eine andere die Variante םידוהיה (auch רבחה) שאר לודגה ןהכה ןנחוהי רבח. Die tiefere Bedeutung dieser Variante ist nicht erkannt worden, weil das Wort רבח durchweg verkannt wurde. Was ist nicht alles daraus gemacht worden! Ewald, der mit de Saulcy רבח [chaver] gelesen, machte daraus einen General, M. A. Levy nach der L.-A. רבח [chever], einen Senat, Geiger eine priesterliche Genossenschaft. Andere kamen wohl dem Richtigen nahe, natio, populus, gens oder Cavedoni als πολίτευμα τῶν Ἰουδαίων, aber sie konnten keine Analogie aus dem hebräischen Sprachgebrauche dafür beibringen. Aber in der Mischna und der damit verwandten Literatur wird öfter der Ausdruck gebraucht ריע רבח [chever ir], was nichts anderes bedeuten kann, als »städtisches Gemeinwesen«. Wer noch daran zweifeln wollte, der kann sich Belehrung aus Jerus. Berachot IV, p. 8 c. holen. Dort heißt es anknüpfend an ריע רבח in Form einer Frage: ןירופיצב ריע רבח ןיאו? Hat etwa Sepphoris kein städtisches Gemeinwesen, bildet die Stadt nicht eine geschlossene Einheit, eine Gemeinde? Dieselbe Bedeutung hat das Wort auch Babli Megilla p. 27 a, b. ריע רבחל ןתנת, wenn ein Fremder Almosen gelobt hat, so soll es der Stadtgemeinde übergeben werden. Ebenso Rosch ha-Schana p. 34 b. Das Wort רבח ist unstreitig eine Übersetzung des griechischen κοινόν. Josephus gebraucht öfter diesen Ausdruck; ὑπὸ τοῠ κοινοῠ τῶν Ἰεροσολυμιτῶν (Vita 12 u.a. St.). Die Bezeichnung auf den Münzen: םידוהיה רבחו לודגה ןהכה ןנחוי, kann also nichts anderes bedeuten, als κοινὸν τῶν Ἰουδαίων. Mir scheinen die Münzen mit dieser Inschrift den ersten Regierungsjahren, dagegen die anderen mit der Legende ןהכ םידוהיה רבח שארו לודגה, »das Haupt des Gemeinwesens der Judäer« einer späteren Epoche anzugehören. Allerdings haben die Münzen Aristobuls I., Alexanders, Hyrkanos II. und Antigonos nur die Inschrift הדוהי םידוהיה רבחו usw. ohne שאר. Allein von den Münzen dieser Könige sind nur wenige Exemplare vorhanden. Geiger hat den Terminus ריע רבח mißverstanden (Urschr. 122 fg). Tosefta Megilla c. III und Chullin p. 94 a ריע רבח היה םאו muß gelesen werden ריע רבחב, wie Semachot c. 14.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1905, Band 3.1, S. 79.
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