[321] Der Zusammenhang zwischen Marranen und Juden. Torquemada's Zwang gegen die Rabbinen, die Marranen anzugeben. Juda Ibn-Verga; Vertreibung der Juden aus Andalusien und Sevilla. Die jüdischen Hofleute unter Fernando und Isabella. Isaak Abrabanel, sein Lebensgang und seine schriftstellerischen Leistungen. Die Juden in Portugal unter Alfonso V. Gedalja und Joseph Ibn-Jachja. Abrabanel's Flucht aus Portugal und sein Amt in Spanien. Die Juden in Granada: Isaak Hamon; die Familie Gavison, Saadia Ibn-Danan und seine Schriften. Der Fall Malagas, die jüdischen Gefangenen, Abraham Senjor und Salomo Ibn-Verga. Uebergabe von Granada und trauriges Schicksal der spanischen Juden. Ausweisungsedikt Fernando's und Isabella's. Wirkung des Edikts. Torquemada mit seinen Bekehrungsmitteln. Die Auswanderung aus Spanien, Isaak Aboab nach Portugal. Die schmerzliche Trennung von den Gräbern. Zahl der Auswanderer. Sinken der Blüthe Spaniens durch den Verlust der Juden. Verwandlung der Synagogen und Lehrhäuser in Kirchen und Klöster. Die zurückgebliebenen Marranen, die Masse der Schlachtopfer der Inquisition. Torquemada's Todesangst. Sein Nachfolger Deza als heimlicher Jude angeklagt. Bajasid's treffender Ausspruch über die Vertreibung der Juden aus Spanien.
Das Ungethüm der Inquisition, das zuerst seine Wuth gegen die Neuchristen richtete, streckte nach und nach seine Fangarme auch nach den Juden aus und überlieferte sie einem thränenreichen Geschicke. Der Zusammenhang zwischen den Juden und vielen Marranen war zu eng, als daß die Erstern nicht auch in empfindliche Mitleidenschaft gezogen werden sollten. Sie standen mit einander im innigsten Verkehr, in brüderlicher Gemeinschaft. Die Juden empfanden für ihre unglücklichen Brüder, welche mit Widerwillen die Maske des Christenthums tragen mußten, ein inniges Mitleid und suchten sie in der Gemeinsamkeit zu erhalten. Sie unterrichteten die im Christenthume geborenen Marranen in den Riten des Judenthums, hielten heimlich mit ihnen religiöse Zusammenkünfte für's Gebet, lieferten ihnen Religionsschriften, zeigten ihnen das Eintreffen der Fast- und Festtage [321] an, lieferten ihnen zum Passah ungesäuertes Brod und für das ganze Jahr ritualmäßig zubereitetes Fleisch und beschnitten deren neugeborene Knaben1. Da es in Sevilla und Andalusien überhaupt zahlreiche Neuchristen gab seit den wilden Angriffen auf die Juden durch Fernando Martinez und später durch die wiederholten Verfolgungen von 1412-1414, so war dort ein ergiebiger Boden für die Thätigkeit der Juden, ihre abgefallenen Brüder im Judenthum zu erhalten. Am rührigsten zeigte sich darin Juda-Ibn-Verga2 in Sevilla, der ein Kabbalist und Astronom war und bei dem Statthalter von Andalusien in Ansehen stand. Als daher das Königspaar den Plan faßte, die Inquisition in's Leben zu rufen, war es vor Allem darauf bedacht, die Juden von den Christen und namentlich den Neuchristen auf's strengste zu sondern und jede Gemeinschaft mit ihnen zu vereiteln. Nur den jüdischen Aerzten3 war es gestattet außerhalb der Judenquartiere zu wohnen, weil sie die christliche Bevölkerung nicht missen konnte. Aber diese mit aller Strenge im ganzen Lande bewerkstelligte Absonderung der Juden und Marranen konnte das Band der Liebe zwischen Beiden nicht lösen. Sie blieben trotzdem in Verkehr mit einander, aber nur heimlicher, vorsichtiger. Je gefahrvoller die Entdeckung war, desto größer der Reiz trotz der Argusaugen der spionirenden Geistlichen und ihrer Helfer, einander zu begegnen, zu trösten und zu stärken. Diese Zusammenkünfte der Juden und Marranen hatten daher einen romantischen Anstrich wegen der geheimnißvollen Art und der dahinter lauernden Gefahren. Es gestaltete sich zwischen ihnen eine Art Liebesverhältniß, das um so fester und enger wurde, je mehr daran gearbeitet wurde, es zu lösen.
Dieses Liebesband zu zerreißen, war ein neuer teuflischer Plan des General-Inquisitors Torquemada. Durch Schreckmittel sollten die Rabbinen gezwungen werden, sämmtliche Gemeindeglieder zu verpflichten, die dem Judenthum treugebliebenen Marranen zu verrathen (o. S. 307), sie der Kirche zuzuführen oder vielmehr sie dem Scheiterhaufen zu überliefern. Welch ein durchwühlender tragischer Seelenkampf für die Rabbinen! Schwerlich haben sich viele dazu gebrauchen lassen und haben wohl eher die Strafen erduldet oder es durchgesetzt, daß die [322] Strafandrohung nicht vollzogen wurde. Juda-Ibn-Verga, von dem verlangt worden war, die Scheinchristen, welche heimlich dem Judenthum anhingen, anzugeben, verließ lieber seine Geburtsstadt Sevilla und entfloh nach Lissabon – wo er später als Märtyrer fiel – weil er die Marranen nicht verrathen wollte4. Die Inquisitoren hatten schwerlich ihren Zweck vermittelst der Juden erreicht, diese haben wohl trotz aller Vorkehrungen den heimlichen Verkehr mit den Neuchristen fortgesetzt. Um so strenger wurde die Absperrung der Juden im Verkehr mit der christlichen Gesellschaft überwacht.
Nach diesen traurigen Vorgängen hatten die castilianischen und aragonischen Juden darauf gefaßt sein sollen, daß ihr Bleiben nicht mehr von Dauer sein würde. Allein sie liebten Spanien zu sehr, als daß sie sich ohne dringenden Zwang davon hätten trennen können. Auch schützte sie das Königspaar öfter gegen Unbilde. Bei ihrer Uebersiedelung in besondere Judenquartiere nahmen Fernando und Isabella darauf Bedacht, daß ihnen keinerlei Schaden und Chikane zugefügt werden sollten. Die Königin Isabella verhehlte einst ihre Unzufriedenheit nicht mit judenfeindlichen Verordnungen der Behörden von Toledo und Guipuscoa5. Auch rechneten die spanischen Juden auf ihre Unentbehrlichkeit für die Christen. Leidende wandten sich nämlich lieber an jüdische Aerzte; die niedrigen Volksklassen holten den Rath von rechtskundigen Juden bei Processen ein und ließen sich sogar von ihnen Zuschriften von Geistlichen lesen6. Auch vertrauten sie zu viel auf die Hilfe der Menschen, auf den bei Hofe hochangesehenen Abraham Senior, welcher zum Großrabbinen ernannt war und vermöge seiner Finanzverwaltung und seines Reichthums die königliche Unternehmung gegen die letzten Mohammedaner in Granada förderte7. Von ihm erhofften sie Abwehr judenfeindlicher Einflüsse. Dazu kam noch, daß gerade zur Zeit als Torquemada seine Fangschlinge über Marranen und Juden warf, der berühmte Abrabanel vom castilianischen Hofe ein sehr wichtiges Amt erhielt und einflußreiches Vertrauen genoß, unter dessen Schutze die spanischen Juden aller Wuth der giftigen Dominikaner trotzen zu können vermeinten. Abrabanel's günstige Stellung am Hofe, der vermöge seines Charakters, seiner Liebe zum Judenthum und zur Wissenschaft und seiner erprobten Klugheit an Samuel Nagrela erinnerte, wiegte sie in falsche Hoffnungen.
[323] Don Isaak b. Juda Abrabanel (geb. in Lissabon 1437 gest. in Venedig 15088 beschließt würdig die Reihe der jüdischen Staatsmänner in Spanien, welche, mit Chasdaï Ibn-Schaprut beginnend, ihren Namen und ihre Stellung zum Schutze ihrer Stammgenossen verwerthet haben. Seine Abstammung vom königlich davidischen Hause, deren sich die Abrabanels rühmten – und die ihnen auch unangefochten eingeräumt wurde – wollten die Zeitgenossen in dem Adel seiner Gesinnung erkennen. Sein Großvater Samuel Abrabanel, der während der Verfolgung von 1391 wahrscheinlich nur für kurze Zeit sich zum Schein die Taufe gefallen ließ, war ebenfalls ein hochherziger, freigebiger Mann und unterstützte die jüdische Wissenschaft und ihre Träger. Von seinem Vater Juda ist aber wenig bekannt. Er war Schatzmeister eines Portugiesischen Prinzen, sehr reich und sehr wohlthätig. – Isaak Abrabanel war eine frühreife Natur von klarem Verstande, aber nüchtern, ohne Schwung und ohne Tiefe. Das Naheliegende, die Dinge und die Verhältnisse der Gegenwart, die handgreifliche Wirklichkeit umfaßte sein Geist mit untrüglichem Takte. Aber das Entfernte, das dem Auge und dem nüchternen Sinne Entrückte lag für ihn in Nebel gehüllt; er vermochte es nicht zu durchdringen und zu bewältigen. Die Ergründung des Judenthums, seines glanzvollen Alterthums und seines Gottesbegriffes war für Abrabanel von Jugend auf ein Lieblingsthema, und er verfaßte im jugendlichen Alter eine Schrift, um die allgemeine und besondere Vorsehung Gottes für das Volk Israel in's Licht zu setzen9. Allein philosophische Begriffe waren bei ihm mehr angebildet, als angeboren. Zur Lösung solcher Fragen fehlte bei ihm so gut wie Alles. Don Abrabanel war ein gewiegter Geschäftsmann, der das Finanzfach [324] und allenfalls auch die Staatswissenschaft gut verstand, aber er war durchaus kein philosophischer Kopf. Der damalige König von Portugal, Affonso V., ein gebildeter, leutseliger und liebenswürdiger Herrscher, wußte auch sein Talent zu würdigen; er berief ihn an seinen Hof, vertraute ihm das Finanzwesen an und zog ihn bei wichtigen Fragen in's Vertrauen10. Sein edles Gemüth, seine wahrhafte innige Religiosität, seine Bescheidenheit, die fern von allem Dünkel war, und seine uneigennützige Klugheit verschafften Abrabanel innerhalb und außerhalb des Hofkreises die aufrichtige Zuneigung christlicher Granden. Mit dem mächtigen, sanften und wohlwollenden Herzog Fernando von Braganza – der über fünfzig Städte, Flecken, Schlösser und Burgen gebot und 10,000 Mann Fußvolk wie 3000 Reiter in's Feld stellen konnte – mit ihm und seinen Brüdern, dem Marquis von Montemar, Connetable von Portugal, und dem Grafen von Faro, die brüderlich einträchtig zusammen lebten, mit allen diesen stand Abrabanel auf freundschaftlichem Fuße11. Mit dem gelehrten João Sezira, der bei Hofe in hohem Ansehen stand und ein warmer Gönner der Juden war, hatte Abrabanel ein sehr inniges Freundschaftsverhältniß12. Er beschreibt selbst seine glückliche Lebenslage am Hofe des Königs Affonso:
»Friedlich lebte ich in meinem ererbten Hause im gepriesenen Lissabon, daselbst hatte mir Gott Segen, Reichthum und Ehren gegeben. Ich hatte mir große Bauten und weite Säle angelegt. Mein Haus war ein Mittelpunkt für Gelehrte und Weise. Ich war beliebt im Palaste Affonso's, eines mächtigen und gerechten Königs, unter dem auch die Juden Freiheit und Wohlstand genossen. Ich stand ihm nah, er stützte sich auf mich, und so lange er lebte, ging ich in [325] seinem Palaste aus und ein.« Affonso's Regierung war die letzte goldene Zeit für die Juden eines Theils der pyrenäischen Halbinsel. Obwohl unter seiner Regierung die portugiesische Gesetzsammlung (Ordenaçoẽs de Affonso V.) zu Stande kam, welche byzantinische Elemente und kanonische Beschränkungen der Juden enthält, so hatte einerseits der damals noch unmündige König selbst keinen Antheil daran, und andrerseits wurden die gehässigen Gesetze nicht vollzogen. Die Juden trugen zu seiner Zeit keine brandmarkenden Abzeichen, sondern stolzirten auf Pferden und Mauleseln mit kostbaren Geschirren und glänzenden Schabracken, in langen Röcken mit feinen Capuzen – die übliche Landestracht – in seidenen Wämsern und mit vergoldeten Degen einher. Sie waren durch nichts von den Christen zu unterscheiden. Die meisten Finanzpächter in Portugal (Rendeiros) waren Juden. Selbst Kirchenfürsten stellten Juden als Einnehmer der Kirchentaxen an, worüber die Cortes von Lissabon Klagen führten13. Die Selbstständigkeit der jüdischen Gemeinden unter dem Großrabbinen und den sieben Provincial-Rabbinen blieb unter Affonso gewahrt und wurde in die Gesetzsammlung aufgenommen14. In dieser Gesetzsammlung wurde den Juden das Zugeständniß gemacht, daß die von ihnen ausgestellten Urkunden nicht in der portugiesischen Sprache abgefaßt zu sein brauchten, wie früher angeordnet war (o. S. 44), sondern daß sie sich dazu auch der hebräischen Sprache bedienen dürften15.
Abrabanel war übrigens nicht der einzige jüdische Günstling an Affonso's Hofe. Zwei Brüder Ibn-Jachja Negro, Söhne eines Don David – welcher seinen drei (oder vier) Söhnen vor seinem Tode empfohlen haben soll, seine reiche Hinterlassenschaft nicht inliegende Gründe anzulegen, da den portugiesischen Juden eine Ausweisung bevorstehe16 – diese beiden Brüder verkehrten ebenfalls an dem Hofe von Lissabon. Der eine Gedalja Ibn-Jachja, ein wissenschaftlich gebildeter Mann (geb. 1436 gest. 148717), war einer von Affonso's Leibärzten und Astronomen, wanderte aber nach dessen Tode aus und starb in Konstantinopel. Höher in Gunst bei diesem König [326] stand dessen Bruder Joseph Ibn-Jachja (geb. 1424 gest. in Ferrara 149818); er war einer der vertrauten Räthe Affonso's. Obwohl, wie es scheint, der jüdischen Literatur nicht sehr kundig, fördert sie Joseph Ibn-Jachja vielfach mit seinem reichen Vermögen. Der König Affonso, welcher ein Freund der Gelehrsamkeit war und Religionsgespräche liebte, legte einst seinem Günstling verfängliche Fragen vor19, die dieser muthig, aber nicht immer geschickt beantwortete. Die Fragen waren: Warum die Juden nicht anerkennen, daß Jesus eine Gottheit oder wenigstens ein Theil derselben sei, da er doch so viele Wunder verrichtet habe. Don Joseph sollte ferner den Beweis führen, in wie fern das Judenthum eine Offenbarung für alle Zeiten sei und von keiner neuen außer Kraft gesetzt werden könne. Endlich wenn Zauberei ein Unding sei und auf Täuschung beruhe, warum denn das mosaische Gesetz Strafe darüber verhängt hat. Affonso fragte ihn auch, ob, nach der Ansicht der Juden, das Gebet eines Christen Gehör bei der Gottheit fände, was Joseph Ibn-Jachja unbedingt bejahte, mußte sich aber eine Zurechtweisung vom König gefallen lassen, daß einige Talmudisten das Entgegengesetzte lehrten. Er machte ihm auch Vorwürfe darüber, daß er – vielleicht damals Großrabbiner – Männer und Frauen nicht davon zurückhielt, sich in augenaufreißenden Staat zu werfen. Das Volk sei dadurch zum Glauben berechtigt, die von Seide und Schmuck strotzenden Juden hätten ihren Luxus vom Raube, an den Christen begangen. »Ich verlange keine Antwort von Dir,« bemerkte der König: »denn ich weiß, nur eine Plünderung oder der gewaltsame Tod wird euch bessern.« Auch im vollen Becher fehlte den Juden der Wermuthstropfen nicht. Die Cortes nahmen auch dem Könige Affonso seine Judenfreundlichkeit übel und machten öfter Anträge, die Juden nach den kanonischen und Landesgesetzen zu beschränken.
So lange Isaak Abrabanel die Gunst des Königs genoß, war er für seine Stammgenossen »Schild und Mauer, rettete die Dulder vor der Gewalt ihrer Widersacher, heilte die Risse und wehrte die grimmigen Löwen von ihnen ab,« wie ihn sein dichterischer Sohn Juda Leon schildert20. Er, der ein warmes Herz für alle Leidenden hatte, der den Weisen ein Vater und den Trauernden ein Tröster [327] war, empfand noch tieferes Mitleid mit den Unglücklichen seines Stammes. Als Affonso die Hafenstadt Arzilla in Afrika eroberte, brachten die Krieger unter vielen tausend gefangenen Mauren 250 Juden, welche als Sklaven im ganzen Königreiche verkauft wurden. Juden und Jüdinnen zur elenden Sklaverei verdammt zu wissen, ertrug Abrabanel's Herz nicht. Auf seine Veranlassung trat ein Comité von zwölf Gemeindegliedern in Lissabon zusammen und sammelte Gelder. Er mit noch einem Collegen reiste darauf im ganzen Lande umher und erlöste die jüdischen Sklaven, öfter um einen hohen Preis. Damit war es aber noch nicht abgethan. Die losgekauften Juden und Jüdinnen, Erwachsene und Kinder, mußten bekleidet, untergebracht und erhalten werden, bis sie die Landessprache erlernt haben und für sich selbst zu sorgen im Stande sein würden.
Als der König Affonso eine Gesandtschaft an den Papst Sixtus IV. schickte, um ihm zu dessen Inthronisation zu gratuliren und ihm seinen Sieg über die Mauren Afrika's anzuzeigen, dabei sich auch der Doctor João Sezira befand, der mit Abrabanel ein Herz und eine Seele war, nahm er ihm das heilige Versprechen ab, mit dem Papst zu Gunsten der Juden zu verhandeln. Er bat daher seinen italienischen Freund, Jechiel von Pisa, sich gegen João Sezira auf jede Weise gefällig zu zeigen und ihm sowohl, wie dem Hauptgesandten, Lopo de Almeida, zu erkennen zu geben, wie angenehm den italienischen Juden die Nachricht von der Gunst des Königs Affonso für die Juden sei, damit sich dieser und seine Diener dadurch geschmeichelt fühlen sollten21. So that Abrabanel Alles, was in seinem Bereiche lag, für seine Glaubens- und Stammgenossen zu wirken.
Aus seinem Glücke, das er mit einer tugendhaften und gebildeten Frau und drei begabten Söhnen: Juda Leon, Isaak und Samuel, genoß, rissen ihn die politischen Vorgänge in Portugal. Sein Gönner Affonso V. war gestorben, und den Thron bestieg dessen Sohn João II. (1481-1495), seinem Vater durchweg unähnlich, von stärkerer Willenskraft, harter Gemüthsart und voller Verstellungskunst, der bereits beim Leben seines Vaters gekrönt worden war und eine finstere Miene machte, als Affonso, der Todtgeglaubte, plötzlich wieder in Portugal lebend eingetroffen war. João II. befolgte die Politik seines Zeitgenossen, des gewissenlosen Königs Ludwig XI. von Frankreich, sich der portugiesischen [328] Granden zu entledigen, um ein selbstständiges, absolutes Königthum zu schaffen. Zunächst hatte er es auf den Herzog Fernando von Braganza abgesehen, der selbst von königlichem Geblüte fast eben so mächtig, angesehen und jedenfalls beliebter als der König war. Ihn und seine Brüder, denen er persönlich gram war, wollte Don João II. aus dem Wege räumen. Während er den Herzog von Braganza liebkoste, ließ er eine Anklageschrift gegen ihn zusammenstellen, als habe dieser ein verrätherisches Einverständniß mit dem spanischen Königspaar unterhalten, dessen Richtigkeit noch heute nicht genügend ermittelt ist. Er verhaftete ihn mit einem Judaskusse, machte ihm den Proceß als Landesverräther, ließ ihn enthaupten und zog seine ausgedehnten Besitzungen ein (Juni 1483). Seine Brüder mußten die Flucht ergreifen, um nicht demselben Geschicke zu verfallen. Da Isaak Abrabanel in Freundschaft mit dem Herzog von Braganza und dessen Brüdern lebte, so faßte der König João auch gegen ihn Argwohn, daß er von dem angeblichen Verschwörungsplan Kunde gehabt hätte; Feinde des jüdischen Staatsmannes bestärkten ihn nur noch darin. Der König ließ ihm demgemäß einen Befehl zustellen, sich zu ihm zu verfügen. Nichts Arges ahnend, war Abrabanel im Begriffe dem Befehle Folge zu leisten, als ihm ein unbekannter Freund den Weg vertrat, ihm mittheilte, daß es auch auf sein Leben abgesehen wäre, und ihm zur eiligsten Flucht rieth. Durch das Schicksal des Herzogs von Braganza gewarnt, befolgte Abrabanel den Rath des Freundes und entfloh nach Spanien. Der König ließ ihn zwar durch Reiter verfolgen, sie konnten ihn aber nicht erreichen. So gelangte er sicher zur spanischen Grenze. In einem demüthigen, aber männlich gehaltenen Schreiben betheuerte er seine Unschuld an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen und sprach auch den Herzog von Braganza von jeder Schuld frei22. Der argwöhnische Despot, welcher der[329] Vertheidigungsschrift keinen Glauben schenkte, ließ nicht nur Abrabanel's ganzes Vermögen einziehn, sondern auch das seines Sohnes Juda Leon23, der bereits als Arzt selbstständig war. Aber Frau und Kinder ließ er ihrem Familienhaupte nach Castilien nachziehen.
In der Hauptstadt Toledo, wo er sich niedergelassen, wurde Isaak Abrabanel von der Judenschaft und namentlich von den Gebildeten ehrenvoll aufgenommen. Ein Kreis von Gelehrten und Jüngern sammelte sich um den hochgefeierten, unschuldig verfolgten portugiesischen Staatsmann. Mit dem Rabbiner Isaak Aboab (o. S. 218) und mit dem Obersteuerpächter Abraham Senior trat er in ein inniges Verhältniß. Dieser machte ihn gleich bei seiner Niederlassung zum Theilnehmer an der Steuerpacht24. Abrabanel machte sich Gewissensbisse, daß er wegen Staatsgeschäften und im Dienste des Mammon das Studium des Gesetzes vernachlässigt hatte, und erkannte sein Unglück als gerechte Strafe des Himmels in Demuth an. Sogleich machte er sich, auf das Dringen seiner neuen Freunde, an die Erklärung der vier geschichtlichen Propheten (2. Marcheschwan = 11. Oktober 148325), die bisher von den Erklärern wegen ihrer scheinbaren Leichtigkeit vernachlässigt worden waren. Da er sich schon früher vielfach damit beschäftigt hatte, so konnte er in sechszehn Tagen den Commentar zum Buche Josua, in fünfundzwanzig Tagen den zum Buche der Richter und in etwas mehr als drei Monaten (1483-1484) die [330] Erläuterung der beiden Bücher Samuel's vollenden. Gewiß war keiner, wie Abrabanel, befähigt, gerade dieses biblisch-geschichtliche Schriftthum auszulegen. Er hatte neben Sprachkenntniß seltene Welterfahrung und richtige Einsicht in politische Verhältnisse und Verwickelungen, welche durchaus nöthig sind, um manche Dunkelheit in der biblischen Darstellung aufzuhellen, manche Lücken auszufüllen, und namentlich in dem Verlaufe der Begebenheiten zwischen den Zeilen lesen zu können. Auch hatte er vor anderen Schrifterklärern voraus, daß er auch christlich-exegetische Schriften des Hieronymus, Nikolaus de Lyra und selbst des getauften Paulus von Burgos benutzen konnte, und er hat das Werthvolle von ihnen aufgenommen. Abrabanel hat daher in diesen Commentarien einiges Licht über manche dunkle Punkte verbreitet. Auf den Gang der Politik der israelitischen Richter und Könige, auf die Stufenleiter der Beamtenwelt, wie sie in den biblischen Schriften verzeichnet sind, auf das Münzwesen und auch auf noch manches Andere, was den älteren Commentatoren als Nebensache erschien, richtete er gerade sein Hauptaugenmerk. Er ließ überhaupt diesen Schriften eine wissenschaftliche Behandlung zu Theil werden, brachte Ordnung hinein, schickte jedem Buche eine lichtvolle Einleitung und Inhaltsangabe voran – ein Verfahren, das er den christlichen Gelehrten abgesehen und geschickt angewendet hat. Wenn Abrabanel nicht so weitschweifig und gedehnt geschrieben und nicht die Manier gehabt hätte, jedem Bibelabschnitt eine Reihe von oft überflüssigen Fragen voranzuschicken26, so wären wohl seine Auslegungsschriften volksthümlicher geworden oder hätten es wenigstens verdient. Freilich hätte er dann auch nicht über seinen Stand hinausgehen dürfen, um sich auch in philosophische Untersuchungen einzulassen. Je weniger Verständniß er dafür hatte, desto mehr verbreitete er sich darüber. Abrabanel nahm den gläubigen Standpunkt der nachmanisch-chasdaïschen Richtung ein und konnte darin auch nur breitgetretene Gemeinplätze auftischen. Er hatte nicht einmal die Duldung, ein freies Wort über das Judenthum und seine Glaubenslehren ruhig anzuhören, verketzerte die Forschungen Albalag's, Kaspi's, Narboni's und Samuel Zarza's und that ihnen gar den Schimpf an, sie mit dem gewissenlosen Apostaten Abner-Alfonso de Valladolid auf eine Linie zu stellen27. Auch [331] mit Levi b. Gerson schmollte er, weil er Manches im Judenthum philosophisch gedeutet und dem Wunderglauben nicht unbedingt gehuldigt hat. Wie die Stockgläubigen seiner Zeit, wie Joseph Jaabez, war er der Ueberzeugung, daß die Demüthigung und Verfolgung, welche die Juden in Spanien betroffen, in der Ketzerei ihren Grund hätten, die hier und da unter ihnen aufgetaucht sei28. Haben aber die überfrommen deutschen Juden, die keine Ahnung von der ketzerischen Philosophie hatten, weniger gelitten?
Nur kurze Zeit war es Abrabanel vergönnt, sein Lieblingsstudium zu pflegen, der Schriftsteller wurde bald wieder vom Staatsmanne verdrängt. Als er die Feder ansetzen wollte, um die Bilderreihe der judäischen und israelitischen Könige zu beleuchten, wurde er an den Hof Fernando's und Isabella's berufen, um ihm das Finanzfach anzuvertrauen29. Das spanische Heer hatte in den Kriegszügen gegen die Mohammedaner von Granada in dem Gebirge der Axarquia eine fürchterliche Niederlage im Frühjahr 1483 erlitten. Der Schatz war leer, auch die Subsidien, welche der Papst Sixtus für diesen sogenannten heiligen Krieg geliefert hatte, waren zerronnen. Fernando wollte die Waffen gegen die Ungläubigen ruhen lassen, nur die Königin war voll Eifer, dem Kreuze den endlichen Sieg über den Halbmond zu verschaffen. Aber woher die Gelder zu der neuen Kriegsrüstung nehmen? Da sollte der jüdische Finanzmann aus Portugal helfen. Die Staatseinkünfte müssen unter seiner Hand sehr gut gediehen sein; denn während der acht Jahre seiner Verwaltung (März 1484–März 1492) ist diese nie tadelhaft befunden worden. Mit seiner Klugheit und seinem Rathe stand er dem Königspaare bei. Abrabanel erzählte selbst, daß er sich in dem königlichen Dienste Reichthümer erworben und Grundbesitz angekauft habe, und daß ihm von Seiten des Hofes und der ersten Granden hohe Ehren erwiesen wurden. Wie unentbehrlich muß er ihnen gewesen sein, daß sie, die hochkatholischen Fürsten, unter den Augen des giftigen Torquemada trotz der kanonischen Gesetze und der wiederholten Cortes-Beschlüsse, keinen Juden zu irgend einem Amte zuzulassen, dem jüdischen Finanzminister den Nerv des Staatslebens anvertrauen mußten!
So viel Rücksicht scheint der Hof auf Abrabanel und andere jüdische Finanzmänner genommen zu haben, daß er zum Erstaunen von Freunden und Feinden der Juden die Uebertretung der kanonischen Beschränkungen, welche Päpste, Concilien und Cortes-Versammlung strengstens eingehalten wissen wollten, unbeachtet ließ. Papst Sixtus IV. [332] beklagte sich bitter (31. Mai 1484) über die ausgedehnten Freiheiten, welche den Juden in Spanien, besonders in der Provinz Andalusien, gewährt wurden, daß sie nicht das Schandzeichen an ihren Kleidern trügen, christliche Diener und Ammen im Hause hielten, jüdische Aerzte christliche Kranke behandelten und ihnen die Heilmittel reichten, daß die Pacht von weltlichen und geistlichen Gütern, ja selbst die Verwaltung der Staatseinnahmen in jüdischen Händen wären und überhaupt, daß Juden mit Christen unverwehrt Verkehr pflegten, was doch zur Schmach des katholischen Glaubens und zur Schädigung des Seelenheils einfältiger Christgläubigen führe. Selbstverständlich drang dieser Papst auf strenge Durchführung der Beschränkungen zur Demüthigung der Juden30. Ja, es scheint, daß die dem Königspaare nahestehenden Juden, wie Abrabanel und Abraham Simon, ihren Einfluß zur Milderung des bitteren Looses der von der Inquisition geplagten Marranen benutzten. Sie machten geltend, daß manches Thun und Lassen, weßwegen Neuchristen angeklagt zu werden pflegten, gar nicht den Charakter jüdischer Riten hätte und ferner, daß wenn Juden gegen Marranen Zeugniß ablegten, diese daraufhin nicht verurtheilt werden sollten, da sie nur von fanatischem Haß wider dieselben geleitet wären. Diese Verwendung für die Opfer der Inquisition scheint beim Hofe Gehör gefunden zu haben; denn die Dominikaner ließen es sich angelegen sein, eine Schrift: »Censur und Widerlegung des Talmuds« ausarbeiten zu lassen, die sie dem Generalinquisitor Torquemada zur Rechtfertigung seines Verfahrens in die Hand gaben31. Gewiß stand Abrabanel dieser Verwendung [333] für seine treugebliebenen Glaubensgenossen nicht fern. Wie viele Dienste er während seiner Verwaltung diesen geleistet, hat die Erinnerung der Dankbaren wegen des später hereingebrochenen betäubenden Unglücks nicht bewahrt. Aber er war gewiß in Castilien wie in Portugal eine schützende Mauer für sie. Denn an erlogenen und aufreizenden Beschuldigungen haben es ihre erbitterten Feinde, die Dominikaner, nicht fehlen lassen. Bald hieß es, die Juden hätten in irgend einem Kirchspiel ein Kreuz geschmäht, bald, sie hätten ein Christenkind geraubt und es gekreuzigt; in Valencia hätten sie es ebenfalls versucht, seien aber daran gehindert worden (1488-149032).
Inzwischen nahm der für die Mauren und Juden so unglückliche granadische Krieg, der mit Unterbrechung noch sieben Jahre dauerte (1484-1491), seinen Fortgang, zu dem auch die Juden beisteuern mußten. Den Gemeinden wurde eine außerordentliche Kriegsabgabe (Alfarda, Fremdensteuer) aufgelegt, welche der königliche Fiskal Villaris mit äußerster Strenge eintrieb. Während die Juden gewissermaßen selbst Holzstücke zu ihrem eignen Scheiterhaufen herbeischaffen mußten, lachte das Volk über einen zu ihrer Verspottung geschmiedeten Reim33. –
Im Staate Granada, der durch Hochmuth seinen Fall geradezu heraufbeschworen hat, lebten nicht wenig Juden, welche durch die Flucht der Marranen aus Spanien vor dem Feuertode noch vermehrt wurden. Sie hatten zwar auch da keine beneidenswerthe Lage; denn der Judenhaß der Spanier hatte sich auch dahin verpflanzt; aber ihr Bekenntniß wurde wenigstens nicht angefochten und ihr Leben war nicht immer gefährdet. Isaak Hamon war Leibarzt eines der letzten granadischen Könige und genoß hohe Gunst bei Hofe. Als einst eine Zänkerei in den Straßen Granada's entstand, beschworen die Umstehenden [334] beim Leben ihres Propheten die Streitenden, sich zu trennen, ohne Gehör zu finden. Als aber ihnen bedeutet wurde, beim Leben des königlichen Arztes vom Streite zu lassen, fuhren sie sofort auseinander. Dieser Vorfall, wobei sich zeigte, daß Isaak Hamon in höherem Respekt bei der Bevölkerung stand als der Prophet Mohammed, reizte einige Stockmohammedaner über die Juden Granada's herzufallen und sie niederzumetzeln. Gerettet blieben nur diejenigen, welche in der königlichen Burg Zuflucht fanden. Die jüdischen Aerzte von Granada beschlossen seit dieser Zeit, sich nicht mehr in Seide zu kleiden und nicht auf Rossen zu reiten34, um nicht den Neid der mohammedanischen Bevölkerung zu erregen.
In Granada lebte damals eine sehr geachtete Familie Gavison (Gabison), welche sich während der Verfolgung von 1391 aus Sevilla dahin geflüchtet und begabte Glieder, als Schriftsteller, Dichter und besonders auch todesmuthige Dulder erzeugt hat35. Rabbiner der Gemeinde Granada und wohl der Judenschaft des kleinen Staates war Saadia b. Maimun Ibn-Danân (blühte um 1460-150536) aus einer alten [335] Familie, der zu den Seltenheiten seiner Zeit gehörte; denn er hatte neben dem Talmudstudium und hebräischer Sprachkunde noch Interesse für Geschichte und Poesie, war selbst Dichter und sang auch Liebeslieder:
»Die Holde auf meinem Schooße,
Die Harfe auf ihrem Schooße,
So singt sie mich zu Tode.«
In dem arabisch redenden Theile Spaniens geboren und erzogen, war Saadia Ibn-Danân wenig berührt von der düster religiösen Stimmung, welche, mit Ankunft der Ascheriden im christlichen Spanien hervorgerufen und durch die Verfolgungen genährt, sich immer mehr der Gemüther bemächtigt hatte. Er bildete noch einen Nachhall aus der schönen Zeit Jehuda Halevi's und Ibn-Esra's. Der freudenfeindliche Rabbinismus und die finstere Ueberfrömmigkeit hatte sich noch nicht wie Bleigewicht an seine Seele gehängt und den Flug seiner Phantasie gelähmt. Saadia Ibn-Danân stellte die Poesie sehr hoch und achtete die Dichter als halbe Propheten und als vollgültige Propheten sogar, wenn ihre Muse sich in den Dienst der Religion begiebt. Aber Versmaaß und Reim, diese Mittel der neuhebräischen Poesie, schienen ihm weniger nothwendig, da sie die biblische Poesie nicht kennt. Wie auf die Dichtkunst, so legte er auch Werth auf die Kenntniß der jüdischen Geschichte. Für Jünger arbeitete Saadia Ibn-Danân einen kurzen Ueberblick aus über die israelitischen und jüdischen Könige von Saul bis Herodes und Bar-Kocheba mit Berücksichtigung der Zeitrechnung und eben so über die Reihenfolge der Ueberlieferer von dem Mischnah-Sammler Jehuda Naßi bis Maimuni, immer mit chronologischen Angaben37, so weit er sie aus Quellen ermitteln konnte.
Die Inquisition mit ihrer Mordwuth gab Saadia Ibn-Danân Veranlassung zu einer gutachtlich-rabbinischen Entscheidung. Ein Marrane, dessen Vorfahren fast ein Jahrhundert vorher durch Zwang zum Christenthum übergetreten waren, war aus Castilien nach Malaga entflohen, hatte sich dort zum Judenthume bekannt, geheirathet und war bald darauf kinderlos gestorben. Es war nun zweifelhaft, ob seine Ehe als eine von einem geborenen Juden oder als eine von einem Proselyten eingegangene zu betrachten, ob die hinterbliebene Wittwe an die Schwagerehe mit den im Christenthume oder Scheinchristenthume lebenden Brüdern des Verstorbenen gebunden sei. Als ein Unberufener sich dafür ausgesprochen hatte, daß die Neuchristen gesetzlich durchweg als Abtrünnige vom Judenthum zu behandeln seien, trat Saadia Ibn-Danân dem mit aller Entschiedenheit entgegen [336] und begründete sein Urtheil durch schlagende Beweise, daß die unglücklichen Marranen, welche den ihnen aufgezwungenen Glauben im Innern verwünschen, von den Christen selbst als Juden geschmäht und gehaßt werden, und öfter ihr Leben für das Bekenntniß ihres Glaubens opfern, daß sie, seien sie auch in der Kirche geboren und erzogen, als Juden zu behandeln seien38.
Nicht mehr lange war die schöne Hafenstadt Malaga, die Perlmuschel Andalusiens, eine Zufluchtsstätte für die unglücklichen Marranen, welche das Judenthum offen bekennen wollten. Durch die Zwietracht der rivalisirenden Fürsten von Granada ergab sich Malaga den siegenden Christen, und das überkatholische Königspaar zog im Triumph durch seine Thore ein (18. August 1487) Sämmtliche Einwohner wurden zur Sklaverei verurtheilt. Darunter befanden sich ungefähr 450 Juden. Die jüdische Barmherzigkeit nahm sich natürlich auch ihrer an. Der Obersteuerpächter von Castilien, Abraham Senior (und wohl auch sein Geschäftsgenosse Isaak Abrabanel) stellte sich an die Spitze, um Gelder für deren Auslösung zu sammeln. Der junge Salomo Ibn-Verga (Sohn des edlen Juda Ibn-Verga, derselbe, welcher später die Erinnerung an die Leidensgeschichte seiner zerstreuten Stammgenossen gesammelt hat) reiste in den spanischen Gemeinden umher und brachte 27,000 Golddublonen (ungefähr 98,000 Thaler) zusammen, womit die jüdischen Gefangenen losgekauft und nach der Berberei befördert wurden39. – Zwölf Juden, welche in Malaga erkannt wurden, daß sie vorher eine Zeit lang die Maske des Christenthums getragen hatten, wurden unter unsäglichen Qualen getödtet40.
Nach langem, blutigen Kriege ging endlich das herrliche Granada in die Hände der stolzen Spanier über. Der letzte leichtsinnige König Muley Abu-Abdallah (Boabdil, Abulhassan) unterzeichnete einen heimlichen Vertrag mit Fernando und Isabella (25. November 149141), [337] ihnen die Stadt und das Gebiet in zwei Monaten zu übergeben. Die Bedingungen waren, da nun einmal die Selbstständigkeit verloren war, ziemlich günstig. Die Mauren sollten ihre Religionsfreiheit, selbstständige Gerichtsbarkeit, Auswanderungsrecht und überhaupt ihre Sitten und Gebräuche behalten dürfen und nur dieselben Steuern zahlen, die sie bisher an die maurischen Fürsten gezahlt. Die Renegaten, d.h. die Christen, welche zum Islam übergetreten, oder richtiger die Mudejaren-Scheinchristen, welche vor der Inquisition nach dem Granadischen Gebiete entflohen und dort wieder zum Islam zurückgetreten waren, sollten unbehelligt und unangefochten bleiben; die Inquisition sollte keine Gewalt über sie beanspruchen dürfen. Die Juden der Hauptstadt Granada, des Quartiers Albaicin, der Vorstädte und der Alpujarren waren ausdrücklich mit eingeschlossen; sie sollten dieselbe Schonung und dieselben Rechte genießen; nur sollten die übergetretenen Marranen nur in dem ersten Monat nach der Uebergabe der Stadt auswandern dürfen42; die länger Zurückgebliebenen sollten der Inquisition verfallen. Bemerkenswerth ist ein Punkt, den sich der letzte granadische Maurenkönig ausbedungen: daß kein Jude als Steuereinnehmer oder Commissar oder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit für die unterworfenen Mauren beordert werden sollte43. Am 2. Januar 1492 hielten Fernando und Isabella mit ihren Heeren unter Glockengeläute und mit frommer Prahlerei ihren Einzug in Granada. Das mohammedanische Reich auf der Halbinsel war wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht verschwunden. Der letzte Fürst, Muley Abu-Abdallah, warf einen letzten trüben Abschiedsblick »mit dem letzten Seufzer« auf die ihm entschwundene Herrlichkeit, zog sich in das ihm überlassene Gebiet des Alpujarren-Gebirges zurück, konnte aber seinen Unmuth nicht überwinden und setzte nach Afrika hinüber. Nach fast acht Jahrhunderten war die ganze pyrenäische Halbinsel wieder christlich geworden, wie zur Zeit der Westgothen. Aber der Himmel konnte sich über diesen Sieg nicht freuen, da er neue Menschenopfer für die Meister der Hölle lieferte. [338] Die Juden empfanden zuerst die tragischen Wirkungen des Sieges über Granada.
Der Krieg gegen die Mohammedaner Granadas, Anfangs nur zur Abwehr muthwilliger Grenzverletzung und zur Strafe des Vertragsbruches unternommen, hatte im Verlauf immer mehr den Charakter eines Kreuzzuges gegen Ungläubige, eines heiligen Krieges zur Verherrlichung des Kreuzes und zur Ausbreitung des christlichen Glaubens angenommen. Nicht blos die bigotte Königin und der salbungsvoll sich geberdende König, sondern auch sämmtliche Spanier wurden durch den Sieg in den Taumel eines glühenden Fanatismus hineingerissen. Die ungläubigen Mohammedaner sind besiegt, und die noch mehr ungläubigen Juden sollten sich frei im Lande bewegen dürfen, für welches die Jungfrau und der heilige Jakob so viele Wunder gethan? Diese Frage lag zu nah, als daß sie nicht eine für die Juden unheilvolle Antwort hätte finden sollen. Das Drängen des entmenschten Torquemada und seiner Gesinnungsgenossen, denen die Juden längst ein Dorn im Auge waren, sie zu vertreiben, Anfangs mit Achselzucken aufgenommen, fand bei den Siegestrunkenen mehr Gehör. Dazu kam noch, daß die Juden, die Geldspender, seit der Bereicherung durch die zahllose Beute in den reichen Städten des unterworfenen granadischen Gebietes entbehrlich schienen. Noch ehe die Kreuzesfahne in Granada wehte, dachten Fernando und Isabella schon daran, die Juden aus Spanien auszuweisen. Sie schickten zu diesem Zwecke eine Gesandtschaft an den Papst Innocenz VIII., daß sie Willens seien, die Juden über die Grenze ihrer Länder zu weisen, wenn er ihnen mit dem Beispiele vorangehen wollte, da er doch Jesu Stellvertreter sei und dessen Tod an seinen Mördern zu rächen habe. Aber dieser sonst so verworfene Papst, der sieben uneheliche Söhne und eben so viele Töchter erzeugte und gleich nach seiner Thronbesteigung einen feierlichen Eid gebrochen hatte, war nicht für die Vertreibung der Juden. Mit Freuden verkündete Meschullam aus Rom, welcher Nachricht von dem Entschlusse des Papstes hatte, die frohe Botschaft den italienischen und neapolitanischen Gemeinden, daß der Papst sich nicht zu ihrer Vertreibung verstehen wollte44. Das [339] spanische Königspaar beschloß aber die Verbannung der Juden ohne die päpstliche Zustimmung.
Um das letzte Bedenken des Königspaares über eine Maßregel von solcher Tragweite zu überwinden, wurde von den Drahtziehern des Inquisitionstribunals ein Proceß in Scene gesetzt, der, auf Lug und Trug beruhend, einen solchen Ausgang nehmen sollte, daß alle Christgläubigen einen Schauder über die an den Tag getretenen Unthaten der Juden und judaisirenden Marranen empfinden müßten, und der allen die Ueberzeugung von der Gefährlichkeit des Verkehrs der Neuchristen mit den Juden beibringen sollte. Es sollte nahe gelegt werden, daß, so lange Juden im Lande wohnen würden, Grauen erregende Lästerungen gegen die Grundlehren des Christenglaubens vorkommen würden. So geschickt war dieser aus einem Lügengewebe gesponnene Proceß veranstaltet und geleitet, daß das Schuldbekenntniß an erdichteten Unthaten einiger unschuldig Verurtheilten mehrere Jahrhunderte als erwiesen galt und noch heutigen Tages selbst von Urtheilsfähigen geglaubt wird. Der Proceß, welcher sich anderthalb Jahre hinzog (Juni 1490–November 1491) wurde damit eingeleitet, daß sechs Neuchristen und drei Juden in Kerkerhaft der Inquisition gebracht und von dem Ankläger vor diesem wegen seiner Unmenschlichkeit berüchtigten Tribunal der schwersten Verbrechen beschuldigt wurden: Daß die verhafteten Juden ihre neuchristlichen Genossen zum Judaisiren und zur Lästerung gegen Christus, seine Mutter und die christlichen Sakramente verleitet, daß sämmtliche Angeklagte einem Kinde von drei Jahren dieselben Martern angethan, wie ehemals die Juden an Jesus und es zuletzt umgebracht, daß sie ihm das Herz ausgeschnitten, daß sie sich eine geweihte Hostie verschafft und endlich, daß sie mit dem Herzen des Kindes und der Hostie ein Zaubermittel bereitet hätten, um die Thätigkeit der Inquisitoren zu lähmen, ja ihnen den Tod beizubringen und gar sämmtliche Christen zu vertilgen. Alle diese Anklagen waren eng verknüpft mit der Unthat an dem »heiligen Kinde von La Guardia«45. Der General-Inquisitor Torquemada übergab die Untersuchung seinen Untergebenen. Da die Angeklagten alles leugneten und kein Zeuge oder sonst ein verdächtiger Umstand sie Lügen strafte, so hätte sie jedes andere Gericht freilassen müssen, zumal die Anklage wegen des Kindes sich als eine augenfällige Erfindung aufdrängte, da keine Mutter ein solches vermißt hatte, der Ankläger selbst nicht dessen Zugehörigkeit zu einer Familie [340] oder einem Orte anzugeben vermochte. Das Inquisitionsgericht wußte sich aber zu helfen, um Scheinbeweise für die Schuld zu haben. Als einer der jüdischen Angeklagten schwer erkrankt war und einen jüdischen Beistand wünschte, der mit ihm die Sterbegebete sprechen sollte, schickte ihm die Inquisition einen Mönch als Rabbiner verkleidet. Dieser Spion und auch der den Kranken behandelnde Arzt legten ihm verfängliche Fragen vor, deren Beantwortung als ein Geständniß hätte angenommen werden können. Aber als Hauptmittel wendete die Inquisition die Folter an, die an sämmtlichen Angeklagten angewendet wurde und selbst ohne Schonung an einem Achtzigjährigen. Die beim ersten Male standhaft geblieben waren, wurden zwei und mehrere Mal mit Vermehrung der Schmerzen gefoltert. Die Geständnisse, welche die Gequälten unter der Folter auf ihnen vorgelegte Fragen ausgesagt haben, wurden niedergeschrieben. Es war auch in der Fragestellung dafür gesorgt, daß der Gefolterte nicht blos sich, sondern auch den einen oder den andern Mitangeklagten beschuldigte. So hatte das Blutgericht nun Beweise über Beweise, daß einige Juden und darunter ein ganz junger Schuhmacher und sein achtzigjähriger Vater mehrere Christen zur Verleugnung des Christenthums verführt, daß sämmtliche Angeklagte ein Kind zur Verhöhnung Jesu gemartert und getödtet und eine geweihte Hostie geschändet hatten. Alle wurden zum Tode verurtheilt, die Juden wurden bei lebendigem Leibe verbrannt und die Christen, weil sie Zeichen der Reue gegeben, vorher durch Erstickung getödtet.
Nun galt es, Kapital aus diesem Proceß von der Tödtung des »heiligen Kindes von La-Guardia« mit den sie begleitenden Umständen zu schlagen, damit alle Christgläubigen und auch das Königspaar die Frevelthaten erfahren möge. Zu diesem Zwecke wurde eilig ein Bericht von dem Proceß, dem Geständniß des Einen der Angeklagten, auf welches viel Gewicht gelegt wurde, und von der Hinrichtung sämmtlicher Angeklagten versendet mit der Ermahnung, daß dieser Bericht in den Kirchen von der Kanzel verlesen werde. Den Bewohnern des Städtchens von La-Guardia, welche unter einander ihren Unglauben an dem Processe zuflüsterten, da in ihrer Mitte und ihrer Nähe kein Kind vermißt worden, wurde ans Gewissen gelegt, einen Flecken Erde in ihrer Nähe, in welchem die Gebeine des Kindes vielleicht begraben sein könnten – die Gebeine eines erdichteten Phantoms – ungepflügt und geweiht zu lassen, weil von ihm aus sich noch Wunder ereignen könnten. Torquemada ließ gar diesen Bericht für die Catalonier, welche einen Groll gegen die Inquisition hatten und noch 1487 Widerstand gegen deren Einführung entgegengesetzt hatten46, in [341] ihre von der spanischen abweichende Mundart übersetzen. Und so erzählten sich die Spanier mit Schaudern, welche Ungeheuerlichkeiten von Juden und Neuchristen begangen worden seien. Der Bericht vom Geständnisse eines der Angeklagten und Verurtheilten, Bendito Garcia, war besonders geeignet, Entrüstung hervorzurufen. Dieser soll, von Juden verführt, nicht blos die Riten des Judenthums, Sabbat, Pascha, Fest- und Fasttage beobachtet und die christlichen mißachtet, Fleisch am Freitag und an den großen Fasten gegessen, sondern auch die Sakramente gelästert, von ihnen gesagt haben, sie seien Aberglauben, daß das, was die Christen von Jesus und Maria glauben, eine Posse sei, daß er nicht geglaubt habe, Jesus sei von einer Jungfrau geboren, er sei vielmehr der Sohn von Joseph und einer verdorbenen Frau (fijo de mujer corruta), daß die Christen Götzendiener seien, indem sie eine Hostie anbeten, welche weiter nichts als ein wenig Mehl und Wasser sei, und daß ihm alle Bilder der christlichen Heiligen wie Götzenbilder vorgekommen wären. Das alles hätte Bendito Garcia eingestandenermaßen gesagt und gethan und dazu hätten Juden ihn verleitet. In Avila, wo die Unschuldigen auf dem Scheiterhaufen gelitten hatten, erregte der Vorfall eine solche Erbitterung gegen die Juden, daß sie ihres Lebens nicht sicher waren, und das Königspaar um Schutz anflehten47.
Gleichviel ob dieser für die Christen schauderhafte Proceß den Entschluß des Königspaares zur Vertreibung der Juden gefördert hat oder nicht, kaum fünf Monate nach dem Feuertode der Angeklagten ist sie verhängt worden.
Aus dem Zauberpalaste der Alhambra erließen die »katholischen Könige« einen Befehl, daß sämmtliche Juden Spaniens innerhalb vier Monaten aus allen Gebietstheilen Castiliens, Aragoniens, Siciliens und Sardiniens bei Todesstrafe auswandern sollten (31. März 149248). Ihr Hab und Gut sollten sie mitnehmen dürfen, aber nicht [342] Gold, Silber, Münzen, oder die dem Ausfuhrverbot unterliegenden Waaren, sondern nur Werthe in solchen Artikeln, die ausgeführt werden durften. Isabella's und Fernando's herzloser, kalter Erlaß suchte die Härte durch Gründe zu rechtfertigen mehr der eigenen Bevölkerung und dem Auslande gegenüber, als vor den Betroffenen. Er wirft den Juden keineswegs vor, daß sie übermäßigen Wucher getrieben, sich unrechtmäßig bereichert, dem Volke das Mark ausgesogen, Hostien geschändet oder Christenkinder gekreuzigt hätten. Von allem dem spricht der Erlaß nicht, sondern er setzt auseinander, daß der Rückfall der Neuchristen in »den jüdischen Unglauben« im Umgange und Verkehr mit den Juden Grund zur Unzufriedenheit gegeben. Um dieses Uebel zu vermeiden, habe das Königspaar einerseits die Juden in eigene Quartiere abzusondern befohlen und andererseits die Inquisition eingeführt. Allein obwohl das Tribunal Schuldige entdeckt und bestraft habe, so dauere das Uebel noch fort, wie Inquisitoren und andere geistliche wie weltliche Personen berichten, und zwar immer durch die Gesellschaft und den Verkehr der Bekehrten mit den Juden. Denn die Letztern gäben sich alle erdenkliche Mühe, jene zu verführen, zu verderben, von dem katholischen Glauben abzubringen und im Judenthum zu erhalten – was natürlich eine Schmach für den heiligen katholischen Glauben sei.
Der Erlaß führt weiter aus: Es wäre in der Ordnung gewesen, schon früher die Juden wegen ihrer verführerischen Anreizung zum Abfall zu verbannen; allein das Königspaar habe es Anfangs mit Milde versucht, nur die Juden Andalusiens ausgewiesen und die am meisten schuldigen Juden bestraft im guten Glauben, daß dieses Mittel genügen werde. Da sich aber dieses Mittel nicht bewährt habe, die Juden vielmehr täglich ihre schlimmen Vorsätze zur Abwendung der Neuchristen vom katholischen Glauben fortsetzen, so bleibe dem Königspaare nichts weiter übrig, als durch deren vollständige Vertreibung ihnen die Gelegenheit zu benehmen, diejenigen, welche bisher treu im Christenthume verharrt, als auch diejenigen, welche zwar abgefallen waren, aber sich gebessert und zur heiligen Mutterkirche zurückgekehrt [343] sind, ferner abtrünnig zu machen. Weiter wird zur Entschuldigung angeführt: daß jede Körperschaft aufgelöst werden müsse, in deren Mitte einige Glieder sich schandbare Verbrechen zu Schulden kommen lassen, und die schlechten Einwohner einer Stadt müssen verbannt werden, wenn sie deren Ruhe stören. Um so mehr sei die Verbannung der Juden nothwendig, wegen ihrer gefährlichen und ansteckenden Frevel gegen den katholischen Glauben. Daher habe das Königspaar in Berathung mit einigen Kirchenfürsten, Granden und Gelehrten beschlossen, die Juden aus allen seinen Staaten auszuweisen. Kein Christ sollte bei Strafe der Güterentziehung Juden nach Ablauf des Termins schützen oder beherbergen. – Das Edikt Fernando's und Isabella's legt ein günstiges Zeugniß für die damaligen Juden Spaniens ab, daß ihnen kein anderes Verbrechen zur Last gelegt werden konnte, als daß sie treu in ihrem Glauben blieben und ihre marranischen Stammgenossen darin zu erhalten suchten. Zur Entschuldigung dieser unmenschlichen Ungerechtigkeit wurde ein Märchen erfunden: das Königspaar sei deßwegen gegen die Juden so erbittert gewesen, weil der Infant in einer Pomeranze, die ihm ein jüdischer Hofmann geschenkt, ein Jesusbild in lästerlicher Stellung gefunden habe49.
So war denn endlich der von Fernblickenden längst gefürchtete Streich geführt. Die spanischen Juden sollten das Land verlassen, mit dem alle Fasern ihres Herzens verwachsen, in dem die Gräber ihrer Vorfahren seit mindestens fünfzehn Jahrhunderten waren, und zu dessen Größe, Reichthum und Bildung sie so viel beigetragen hatten. Betäubend wirkte der Schlag auf ihre Gemüther. Abrabanel und Abraham Senior glaubten ihn noch durch ihren Einfluß abwenden zu können. Sie eilten zum Königspaare und boten ihm die überschwenglichsten Summen von den Juden an, wenn das Edikt wieder aufgehoben würde. Ihre christlichen Freunde, angesehene Granden, unterstützten ihr Gesuch. Fernando, der mehr auf Bereicherung, als auf die Verherrlichung des katholischen Glaubens sah, war schon geneigt, nachzugeben. Da soll der fanatisch-giftige Generalinquisitor Torquemada seinen Machtspruch dagegen erhoben haben. Er habe im Palast, so wird erzählt50, die Unterhandlung vernommen, [344] sei in den Saal zum Königspaare geeilt, habe ein Crucifix hingehalten und die geflügelten Worte gesprochen: »Judas Ischariot hat Christus für dreißig Silberlinge verkauft, Eure Hoheiten wollen ihn für 300,000 Dukaten verkaufen. Hier ist er, nehmet und verkaufet ihn!« Darauf habe er den Saal verlassen. Diese Worte oder die Einflüsse anderer Geistlichen haben zunächst auf Isabella gewirkt, standhaft auf dem Edikt zu beharren, und sie, die überhaupt kühner als der König war, wußte auch diesen in der judenfeindlichen Stimmung zu erhalten. Juan de Lucena, Mitglied des königlichen Rathes von Aragonien, so viel wie Minister, war ebenfalls beharrlich thätig, das Edikt aufrecht zu erhalten51. Ende April zogen Ausrufer und Trompeter52 durchs ganze Land und verkündeten: daß die Juden nur bis Ende Juli im Lande bleiben dürften, um ihre Angelegenheiten zu ordnen; wer von ihnen noch später auf spanischem Boden betroffen würde, sollte dem Tode verfallen.
Wie unsäglich groß auch die Verzweiflung der spanischen Juden war, sich von dem theuren Geburtslande und der Asche ihrer Väter loszureißen und einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen in der Fremde, unter Völkern, deren Sprachen sie nicht verstanden, und die vielleicht noch feindseliger als die spanischen Christen gegen sie verfahren würden, so mußten sie sich doch mit dem Gedanken vertraut machen und ernstliche Vorbereitungen zur Auswanderung treffen. Bei jedem Schritte gewahrten sie, daß sie einem noch grausigeren Geschicke entgegen gehen würden. Hätten sie mit ihren Reichthümern ausziehen können, wie die englischen Juden gegen Ende des dreizehnten und die französischen ein Jahrhundert später, so würden sie sich in der Fremde eine leidliche Existenz haben gründen können. Aber die jüdischen Kapitalisten durften ihre Baarschaft nicht mitnehmen und waren daher gezwungen, sie auf Wechsel zu geben. [345] Spanien hatte aber damals wegen seines vorherrschend ritterlichen und kirchlichen Charakters keine Welthandelsplätze, wo Wechselpapiere im Werthe gewesen wären, wie in Italien. Das Geschäft im Großen war meistens in Händen der Juden und der Neuchristen – und die Letztern waren aus Furcht vor der Inquisition gezwungen, sich von ihren Stammgenossen fern zu halten. Diejenigen, welche Grundstücke hatten, mußten sie um einen Schleuderpreis losschlagen, weil sich kein Käufer fand, und mußten bei Christen betteln, ihnen dafür nur die geringste Werthsache zu geben. Ein Zeitgenosse, Andreas Bernaldez, Pfarrer von Los Palacios, berichtet: daß die schönsten Häuser und die prachtvollsten Landgüter der Juden um einige Kleinigkeit verkauft wurden. Ein Haus wurde um einen Esel und ein Weinberg um ein Stück Tuch oder Leinwand verschleudert53. So zerrannen die Reichthümer der spanischen Juden in Nichts und konnten ihnen in den Tagen der Noth nicht helfen. In Aragonien, Catalonien und Valencia erging es ihnen noch schlimmer. Torquemada, welcher bei dieser Gelegenheit seine bis dahin erwiesene Unmenschlichkeit noch übertreffen wollte, untersagte den Christen jeden Verkehr mit ihnen. In diesen Ländern ließ der König Fernando auf das Eigenthum der Ausgewiesenen Beschlag legen, damit davon nicht blos ihre Schulden gedeckt, sondern auch die Ansprüche, welche die Klöster an sie zu haben vorgaben, befriedigt würden54. Auch dieses teuflische Mittel wollte er zum Zwecke der Kirche gebrauchen. Die Juden sollten zur Verzweiflung getrieben werden und sich an das Kreuz anklammern. Torquemada machte es daher den Dominikanern zur Pflicht, ihnen überall das Christenthum zu predigen und sie aufzufordern, die Taufe zu empfangen und im Lande zu bleiben. Dagegen ermahnten die Rabbiner die Gemeinden, im Glauben standhaft auszuharren, die Trübsale als Prüfungen hinzunehmen und ihrem Gott zu vertrauen, der ihnen so oft in Nöthen beigestanden55. Es bedurfte aber gar nicht der feurigen Ermahnung von Seiten der Rabbinen. Einer ermuthigte den Andern zur Treue und Standhaftigkeit für das Judenthum. »Lasset uns stark sein«, so sprachen sie zu einander, »für unsere Religion und für die Lehre unsrer Väter vor den Lästerern und Feinden. Wenn sie uns leben lassen, werden wir leben, wenn sie uns tödten, werden wir sterben. Wir wollen den Bund unsres Gottes nicht entweihen, unser Herz soll nicht [346] verzagen, wir wollen im Namen unsres Gottes wandeln«56. Hätten sie sich etwa taufen lassen sollen, um dem Blutgerichte der Inquisition zu verfallen? Das Kreuz hatte auch für die lauesten Juden seine Anziehungskraft verloren, seitdem sie gesehen, unter welchen nichtigen Vorwänden ihre Stammgenossen dem Scheiterhaufen überliefert wurden. In den letzten vier Jahren (1488-92) vor dem Erlaß der Verbannung wurden von dem Tribunal in Toledo allein auf dem Scheiterhaufen mehr als vierzig Männer und mehr als zwanzig Frauen verbrannt, darunter ein Weltgeistlicher und zwei Mönche, die das jüdische Bekenntniß nicht verleugnen mochten. Eine neuchristliche Frau hatte die Standhaftigkeit, auf dem Scheiterhaufen laut zu verkünden, daß sie im Gesetz Mose's sterben wolle, welches die einzige Wahrheit sei, und ihr letztes Wort war: »Adonai«57. Und wie viele sind von den übrigen Tribunalen zum Feuertode verurtheilt worden, deren Zahl nicht aufgezeichnet wurde? Und wie viele schmachteten in den Inquisitionskerkern, von Ungeziefer und Schmutz zur Verzweiflung gebracht? Und diese schauderhaften Glaubensakte, deren Zeugen sie waren, sollten die Juden für das Christenthum gewinnen? Auch blieb es den Juden nicht unbekannt, mit welcher Falschheit Torquemada die Schlachtopfer anzulocken wußte. Nach Granada hatten sich viele Scheinchristen aus Sevilla, Cordova und Jaen geflüchtet und waren dort zum Judenthum zurückgetreten. Nach der Eroberung dieser Stadt ließ Torquemada einen Aufruf an sie ergehen, wenn sie zur Mutterkirche zurückkehren wollten – »welche ihren Schooß stets offen hält, um diejenigen aufzunehmen, die mit Zerknirschung und Reue sich an sie wenden« – sollten sie mit Milde behandelt werden (8. Febr. 1492). Einige ließen sich von der süßlichen Stimme verlocken, begaben sich nach Toledo und wurden zum Feuertode begnadigt58. Daher kam es, daß trotz der Predigten der Dominikaner und trotz der unsäglich verzweifelten Lage nur ein geringer Theil der Juden im Jahre der Ausweisung aus Spanien zum Christenthum übergingen59.
[347] Von bekannten Namen fügten sich der Taufe der reiche Steuerpächter und Groß-Rabbiner Abraham Senior mit seinem Sohne und seinem Schwiegersohn Meïr, der ebenfalls Rabbiner war, mit seinen zwei Söhnen. Man erzählte sich, sie hätten mit Verzweiflung im Herzen die Taufe empfangen, weil die Königin, welche den Finanzminister nicht missen mochte, gedroht habe, über die abziehenden Juden noch mehr Elend zu verhängen, wenn dieser sich nicht fügen sollte. Groß war in der That die Freude bei Hofe über die Bekehrung Senior's und seiner Familie. Das Königspaar selbst und der Cardinal vertraten Pathenstelle bei ihnen. Die Täuflinge nahmen sämmtlich den Familiennamen Coronel an, und ihre Nachkommen sollen später die höchsten Staatsämter verwaltet haben60. Abrabanel dagegen, an den gewiß ebenfalls verlockende Versuchungen gemacht wurden, blieb felsenfest. Er und seine Söhne waren vom Judenthum erfüllt. Abrabanel verließ die angesehene Stellung und Reichthümer und wanderte nach Neapel aus.
Das gemeinsame Unglück und der gleiche Schmerz erzeugten bei den spanischen Juden in der letzten Zeit vor ihrer Auswanderung ein Gefühl innigster Brüderlichkeit und eine gehobene Stimmung. Die Reichen unter ihnen, obwohl ihr Vermögen zusammengeschmolzen war, theilten brüderlich mit den Armen, ließen ihnen an nichts fehlen, damit sie nicht in die Klauen der Seelenhäscher geriethen, und sorgten für die Kosten ihrer Auswanderung61. Der greise Rabbiner Isaak Aboab, der Freund Abrabanel's reiste im Voraus mit dreißig angesehenen Juden nach Portugal, um mit dem König João II. wegen Uebersiedelung oder Durchreise der spanischen Auswanderer durch dessen Land Unterhandlungen anzuknüpfen62; es gelang ihnen auch mit ihm einen verhältnißmäßig günstigen Vertrag abzuschließen. Freilich ließ sich der Schmerz der Trennung von der schwärmerisch geliebten [348] Heimath nicht überwinden. Je näher der Tag des Scheidens heranrückte, desto mehr durchwühlte er das Herz der Unglücklichen. Die Gräber der Vorfahren, das war ihnen das Theuerste, davon konnten sie sich am schwersten trennen, und der Gedanke daran erfüllte sie mit düsterer Trauer. Die Gemeinde der Stadt Vitoria schenkte, um die Entweihung der Gräberstätte zu verhüten, der Commune den jüdischen Friedhof mit dem dazu gehörigen Acker für ewige Zeiten unter der Bedingung, daß er niemals abgebrochen, noch bepflügt werden sollte. Es wurde eine Urkunde über diese Schenkung ausgestellt, welche der jüdische Richter (Rabbiner), der Vorsteher und der Bürgermeister der Stadt mit noch anderen unterzeichneten. Der letztere mußte die übernommene Unverletzlichkeit des jüdischen Friedhofes beschwören63. Die Juden von Segovia brachten drei Tage vor ihrer Auswanderung auf den Gräbern ihrer Vorfahren zu, vermischten mit deren Staube ihre Thränen und rührten durch ihre herzzerreißenden Klagen die Gemüther der Katholiken64. Die Leichensteine rissen sie aus, nahmen sie mit als theure Reliquien oder schenkten sie den zurückbleibenden Marranen.
Endlich rückte der Tag heran, an dem die spanischen Juden zum Wanderstabe greifen mußten. Sie hatten sich noch eine Galgenfrist von zwei Tagen ausgewirkt und durften statt am 31. Juli zwei Tage später das Land verlassen, und es fiel gerade auf den Trauertag des neunten Ab, der so vielfach an den Untergang der Herrlichkeiten im Alterthum erinnert und so oft im Verlaufe der jüdischen Geschichte die Söhne Israel's in Trauer und Schmerz sah65. Etwa 300,000 Juden66 verließen das Land, das sie so sehr [349] geliebt und das sie verwünschen mußten, und wanderten theils nach Norden, nach dem nahegelegenen Königreiche Navarra, theils nach dem Süden, um nach Afrika, Italien oder der Türkei überzusiedeln, größtentheils aber nach Portugal. Um die Menge nicht bei der Wanderung traurigen Gedanken zu überlassen, welche den Einen und den Andern hätte geneigt machen können, den Entschluß zu ändern, zum Kreuze zu greifen, um im Lande bleiben zu können, ließen manche Rabbinen Frauen und Knaben singen, mit Pfeifen und Trommeln rauschende Musik machen, um der Menge auf kurze Zeit den nagenden Schmerz vergessen zu machen67. Spanien verlor damit den zwanzigsten Theil seiner gewerbfleißigsten, betriebsamsten, gebildetsten Bewohner, überhaupt seinen gesunden Mittelstand, diejenige Volksklasse, welche den Landesreichthum nicht blos schuf, sondern ihn auch wie das Blut im Organismus in steter Bewegung hielt. Denn es gab unter den spanischen Juden nicht blos Kapitalisten, Kaufleute, Ackerbauer, Aerzte und Gelehrte, sondern auch Handwerker, Waffenschmiede und Metallarbeiter aller Art und jedenfalls keine Müßiggänger, die den ganzen Tag Siesta hielten. Die Juden hätten durch die bald darauf erfolgte Entdeckung Amerika's Spanien zum reichsten, blühendsten und dauerhaftesten Staat erhoben, der vermöge seiner Regierungseinheit jedenfalls mit Italien hätte wetteifern können. Torquemada wollte es aber nicht; er zog es vor, die Spanier für ein bluttriefendes Götzenthum zu erziehen. Der Abzug der Juden aus Spanien machte sich bald auf eine empfindliche Weise für die Christen bemerkbar. Der schwungvolle Geist, die Rührigkeit und die blühende Cultur wanderten mit den Juden aus Spanien aus. Die kleinen Städte, denen die Anwesenheit der Juden einiges Leben gegeben hatte, entvölkerten sich rasch und sanken zu unbedeutenden Flecken herab, verloren den Sinn für Selbstständigkeit und Freiheit und leisteten dem immer mehr sich zuspitzenden Despotismus der spanischen Könige und der blödsinnigen Glaubenswuth der Priester Vorschub statt Widerstand. Manche Städte wurden völlig verödet68. Die spanischen Granden beklagten sich nicht lange nach der Vertreibung der Juden, [350] daß ihre Städte und Plätze bedeutungslos und menschenleer geworden seien, und bemerkten, wenn sie die nachtheiligen Folgen hätten ahnen können, würden sie sich dem königlichen Befehle widersetzt haben69. Der Mangel an Aerzten stellte sich zunächst ein. Die Stadt Vitoria mit der Umgegend war genöthigt nach dem Abzug der Juden, einen Arzt aus der Ferne kommen zu lassen und ihm einen hohen Jahresgehalt auszusetzen70, oder die Bevölkerung fiel in Krankheitsfällen den menschenhinraffenden Quacksalbern, aufschneiderischen Pfuschern oder dem Aberglauben betrügerischer oder selbstbetrogener Beschwörer in die Hände. Mit einem Worte Spanien ging durch die Vertreibung der Juden der Barbarei entgegen, und das Geld, welches die Anlegung der amerikanischen Colonien nach dem Mutterland führte, trug nur dazu bei, die Einwohner träger, dümmer und knechtischer zu machen. Der Name Jude schwand immer mehr aus dem Lande, wo dieser Volksstamm eine so gewichtige Rolle gespielt hatte, und dessen Literatur mit jüdischen Elementen so sehr geschwängert war, daß die Männer der Bildung immer wieder an die Juden erinnert wurden. Lehrhäuser, Hospitäler, wie überhaupt Alles, was die Juden bei ihrer Auswanderung nicht mitnehmen konnten oder durften, ließ der König für den Fiskus einziehen und verwandelte die Gebethäuser in Kirchen, Klöster oder Schulen, in welchen das Volk verdummt und zu knechtischer Unterthänigkeit abgerichtet wurde. Die prachtvolle Synagoge in Toledo, welche der jüdische Staatsmann Don Pedro's, Samuel Abulafia, erbaut hatte, wurde anderthalb Jahrhunderte seit ihrem Bestande in eine Kirche (de nuestra Señora de san Benito oder del Transito) verwandelt und bildet noch heute mit ihrem maurischen Style, ihren zierlichen Säulen und ihren weiten Räumen eine Zierde dieser Stadt71. Aber in den übrigen Städten Spaniens, die in der Erinnerung der jüdischen Geschichte und bei den Nachkommen der Vertriebenen in strahlender Glorie fortlebten: in Sevilla, Granada, Cordova, in dem judenreichen Lucena, in Saragossa und Barcelona, verlor sich jede Spur vom einstigen Aufenthalte der Söhne Jakob's oder des judäischen Adels (wie die stolzen Juden Spaniens behaupten). Zwar blieben noch Juden zurück, Juden mit der Maske des Christenthums. [351] viele Judenchristen oder Neuchristen. Sie hatten ihren abziehenden Brüdern eifrigen Beistand geleistet. Viele von ihnen hatten Gold und Silber von den Auswanderern in Empfang genommen und es ihnen bei Gelegenheit durch zuverlässige Personen nachgeschickt oder verwahrt72, oder dafür Wechsel für auswärtige Plätze ausgestellt. Diese Vorschubleistung war oft trügerisch. Denn als das fanatische Königspaar Kunde davon erhielt, ließ es die hinterlegten Werthsachen aufsuchen und mit Beschlag belegen und suchte die Zahlung der Wechsel zu hintertreiben. Einige ausgewanderte Juden hatten sich einen Schuldschein auf die Summe von 428,000 Maravedis auf einen in London wohnenden Spanier Diego de Soria ausstellen lassen, und da dieser die Zahlung verweigerte, hatten sie durch das englische Gericht Beschlag auf dessen Vermögen legen lassen. Dieser beklagte sich darüber bei Fernando und Isabella, und sie hatten nichts Eiligeres zu thun, als den spanischen Gesandten in London zu ermächtigen, sich in ihrem Namen bei dem König Heinrich VII. zu verwenden, daß die Pfändung des Diego aufgehoben werden möge, und dem König ans Herz zu legen, daß er ihnen damit einen besonderen Dienst erweisen würde. Die jüdischen Gläubiger, das machten sie geltend, hätten das Recht auf Einziehung dieser Summe verwirkt, weil sie verbotene Güter bei ihrer Auswanderung ausgeführt hätten73.
Indessen, wie groß auch die Hindernisse waren, manche Marranen erkalteten nicht in ihrem Eifer für ihre vertriebenen Stammgenossen. Sie verfolgten diejenigen, welche sich unmenschlicher Härte gegen die Auswanderer schuldig gemacht hatten, mit unerbittlichem Hasse und überlieferten sie dem Ketzergerichte – das Werkzeug gegen die Urheber kehrend. Auf Betrieb der Marranen wurde der Bruder des mächtigen Ministers Fernando's, des Don Juan de Lucena, in einen Inquisitionskerker geworfen und unter strengem Gewahrsam gehalten, und keiner seiner Verwandten wurde zu ihm gelassen, weil der Minister (dem die Inquisition wegen seines eximirten Standes nicht beikommen konnte) die Verbannung der Juden gerathen und betrieben und sein Bruder die hinterlassenen Güter derselben unnachsichtig [352] eingetrieben hatte74. Aber die Marranen mußten jetzt noch mehr als früher auf ihrer Hut sein, durften nicht gegen das Geringste verstoßen, mußten um so eifriger sich bekreuzen, Rosenkränze zählen und Paternoster murmeln, je anhänglicher sie in ihrem Innern dem Judenthume waren. Manchmal war ihre Empfindung stärker als ihr Wille, durchbrach den Damm der Lippe und wurde zu einer folgenschweren That, wie bei jenem Marranen in Sevilla75, der beim Anblick eines nachgebildeten Leibes, der Jesus vorstellen sollte, und zur Anbetung in der Kirche erhoben wurde, ausrief: »Wehe, wer so etwas sehen, so etwas glauben muß!« Oder wie jener Marrane in Lissabon vor einem wunderthätigen Crucifix, das zur Zeit einer Dürre von allem Volk wegen seines feuersprühenden Glanzes auf den Knieen angebetet wurde, die ironische Bemerkung nicht unterdrücken konnte: »das Bild sollte lieber seine Wunderthätigkeit mit Wasser beweisen.« Solche Aeußerungen in unbewachten Augenblicken gaben natürlich die beste Gelegenheit für Untersuchung, Einkerkerung, Folter und Autos da Fé nicht blos an dem auf frischer That ertappten Marranen, sondern auch an seinen Verwandten, Freunden und allen denjenigen seines Geschlechtes, die Vermögen besaßen. Es war ohnehin dem, durch den öfteren Anblick der Todesqualen der Schlachtopfer abgestumpften Volke ein Bedürfniß geworden, von Zeit zu Zeit öfter feierliche Schauspiele von Menschenopfern zu sehen. Es ist daher gar nicht zu erstaunen, wenn unter dem ersten Generalinquisitor Thomas de Torquemada in vierzehn Jahren so viele Tausende als unbußfertige Sünder verbrannt worden sind76. Freilich war er so verhaßt, daß er in steter Todesfurcht lebte. Auf seinem Tische hatte er ein Einhorn, dem der Aberglaube jener Zeit die Kraft zuschrieb, die Wirkung der Gifte aufzuheben. Ging Torquemada aus, [353] so war er stets von einer Leibwache (Familares) von fünfzig Reitern und zweihundert Soldaten zu Fuß begleitet, welche ihn vor Anfällen schützen sollte77. Den Neuchristen war Torquemada selbstverständlich in der Seele verhaßt, und er fürchtete sich vor ihnen. Als er in Avila ein neues Kloster errichtet hatte, erbat er sich von Alexander VI. Schutz für dasselbe, daß kein Marrane darin als Mönch Aufnahme finden sollte, weil solche von diesem Geschlechte aus Haß gegen ihn auf die Zerstörung desselben sinnen würden. Der Papst gewährte ihm dieses Gesuch vom 12. Nov. 1496 mit den Worten: sed cum persona tua neophitis Christanis ... plurimum est exosa, verisimile times, ne, si forte homines illius generis indicto monasterio admitterentur, processu temporis ... inquisitoris odio in perniciem et destructionem ejusdem molierentur (Boletin XIII. Jahrg. 1887). Sein Nachfolger, der zweite Generalinquisitor Deza, errichtete noch mehr Scheiterhaufen: aber es kam bald dahin, daß die Blutmenschen einander selbst zerfleischten. Deza wurde vor seinem Ende als heimlicher Jude angeklagt78. Als dann noch die Verfolgung gegen die zurückgebliebenen Mauren und Moriscos und gegen die Anhänger des deutschen Kirchenreformators Luther hinzukamen, wurde Spanien durch die Wuth des heiligen Officiums buchstäblich in eine Menschenschlachtbank verwandelt. Was bedeutet Nero's Grausamkeit dagegen? Er hat ein einziges Mal in einem Anfall von Cäsaren-Wahnsinn einige wenige Christen, welche zur Zeit in Rom waren, zur Schaulust verbrennen lassen. Die Inquisition dagegen hat Jahr aus Jahr ein mit nüchternem Sinn und unter Anrufung des Namens Gottes Tausende dem Feuer überliefert. Mit Recht tadelten fast sämmtliche europäische Fürsten und sogar das Parlament von Paris die Verkehrtheit Fernando's und Isabella's bitter, eine so nützliche Volksklasse vertrieben zu haben. Der damalige Sultan Bajasid (Bajazet) bemerkte dazu: »Ihr nennt Fernando einen klugen König, er, der sein Land arm gemacht und unser Land bereichert hat!«79
1 Ausweisungsedikt von Fernando und Isabella, Amador III. documentos III p. 603 f.
2 Ibn-Verga, Schebet Jehuda No. 62. הלודגה ריעב םש הריקחה האב רשאכו ל"ז אגריו 'ן הדוהי 'ר היה איליבש םיגהונ םיסונאהמ םה ימ תעדל וצרי םאש ץראה יבשות ורמא לכ םישוע ויה ודי לע יכ אגריו 'ן הדוהי 'רהל ושפתיש תודהי םתוצמו םידוהיה השעמ. Vergl. über ihn das. Nr. 38. Von ihm existirt eine astronomische Schrift: קפואה ירב רפסמה רוציק '?ו הגריב ןב הדוהי. Maskir V. p. 128.
3 Vergl. o. S. 294; Revue d. Et. XIII 247.
4 Ibn-Verga, Schebet Jehuda das.
5 Pulgar, Letras No. 31.
6 Landazuri, historia civil de la Ciudad de Vitoria bei Kayserling die Juden in Navarra, S. 127.
7 Vergl. Note 4.
8 Eine kurze Biographie Abrabanel's entwarf Baruch Usiel Chaskitu von Ferrara 1551, als Einleitung zu Abr.'s העושיה יניעמ. Ergänzt und erweitert hat sie Carmoly in Ozar Nechmad II. c. 47 ff., und er hat auch handschriftliches Material dazu beigebracht, Abrabanel's interessantes Sendschreiben an Jechiel von Pisa (das. p. 65 f.) und eine Elegie von Juda Leon Abrabanel (p. 70 f.). Ueber Abrabanel's Todesjahr Note 5. Die richtige Aussprache des Namens braucht man nicht aus Codices zu beweisen. Der Portugiese Samuel Usque, der noch mit dessen Nachkommen verkehrte, nennt seinen Sohn: O senhor Dom Samuel Abravanel und dessen Frau Senhora Benvenida Abravanela (Consolacões III. No. 32). Ebenso Imanuel Aboab, Nomologia II. c. 27 p. 304. Wie es scheint, haben erst italienische und deutsche Juden den Namen in Abarbanel verwandelt. Ueber Juda Abrab., den Vater, vergl. Kayserling, Geschichte der Juden in Portugal S. 73.
9 Abrabanel's Jugendarbeiten sind das Werk תרטע םינקז (Sabioneta 1557) und sein Commentar zu Deuteronomium, verfaßt um 1472. Vergl. Carmoly a.a.O. p. 48.
10 Abrabanel's Einl. zum Josua-Commentar.
11 Das. sagt Abrabanel: רש (שדח ךלמ ןאוי ןוד) שופתיו וסנ הרה םיראשנהו ויחאו ברחב ותוא תמיו ךלמל הנשמו לודגו תא המוצע יתבהא התיה ... התמדק םדק ימימ ... םשפנל וחרב יתצע ומל ומדיו הלאה םיפדרנה םירשה. Dieses bezieht sich nicht, wie Carmoly meint, auf den Herzog von Viseu, den leichtsinnigen Schwager des Königs Don João (das. p 49, 71), sondern auf den Herzog von Braganza, der am 20. Juni 1483 hingerichtet wurde, in dem selben Jahre, in dem Abrabanel nach Castilien entfloh, während der Herzog von Viseu erst am 23. August 1484 vom König erstochen wurde (Schäfer, Geschichte von Portugal II. p. 632, 640). In dieser Zeit war das Vorwort zu Josua, Richter und Samuel bereits geschrieben. Denn die Commentarien zu diesen waren beendet 13. Adar = 9. Febr. 1484, also zur Zeit, als noch der Herzog von Viseu lebte und erst den Verschwörungsplan betrieb, war Abrabanel entflohen.
12 Gordo, memoria sobre los Judeos de Portugal, in der historia e Memorias da Academia real das sciencias de Lisboa 1823 T. VIII. Th. II. p. 8.
13 Bei Lindo history of the Jews in Spain p. 326, Cortes von 1473.
14 Ordenancoẽs de Affonso L. II. Titel 81 (Coimbra 1792).
15 Das. L. II. T. 93.
16 Ibn-Jachja, Schalschelet p. 49a.
17 Das. und Carmoly, Biographie der Jachjiden p. 16 f. Es ist wohl derselbe, von welchem die Chronik des Don Duarte und des Affonso berichtet: Mestre Guedelha Judeu fisico e grande Astrologo, in der Colleçaõ das cronicas ineditas I. p. 76 f. 205 f.
18 Das. 59 b und Carmoly, a.a.O. p. 14 f. 27 unten f., wo auch sein Zeitalter angegeben ist nach der Einleitung in רוא הרות des Joseph Ibn-Jachja IV.
19 Ibn-Verga, Schebet Jehuda No. 65. Der Dialog trägt alle Merkmale der Echtheit an sich: vergl. auch das. Nr. 32 p. 61 ff.
20 Juda Leon's Gedicht vor Abrabanel's Commentar zu den Propheten.
21 Carmoly, das. p. 68. Von der Gesandtschaft des Lopo d'Almeida im Jahr 1472 vergl. de Pina, Cronica de Affonso V. c. 168.
22 Einl. zum Josua- und zum Könige-Commentar. Sagenhaft ist gewiß die Nachricht (in Gavison's רמוע החכשה p. 21 c f.): daß die portugiesischen Granden Abrabanel aufgefordert hätten, sich an einer Verschwörung gegen das Leben des Königs zu betheiligen, und daß er, von ihnen gedrängt, seine Unterschrift unter die Liste der Verschworenen zu zeichnen, sie in zweideutiger Fassung gesetzt hätte: לאנברבא יש ל"ז לאנברבא ה?והי ןב ק?צי יפא ונ וי ריואלפא שירוינש שוא, d.h. Se os senhores apalavar, eu no (das Wort יפא, das »ich entfliehe« bedeuten soll, kann ich nicht enträtseln, vielleicht von afugir = fugir) d.h. »wenn die Herren einverstanden sind, so entziehe ich mich nicht«. Dann habe er einen Theil seines Vermögens in seinem Hause vergraben, einen Theil eingesteckt, alle die Seinigen – Söhne und Tochter – mitgenommen und die Flucht auf Pferden und Mauleseln angetreten, deren Hufeisen verkehrt angeschlagen gewesen wären, um die Verfolger irre zu führen. So sei er mit den Seinigen nach Spanien entflohen. Der portugiesische König habe aber an den spanischen geschrieben, Abrabanel des Undanks angeklagt und den spanischen König vor ihm gewarnt, daß Abrabanel ihm eben so vergelten werde. Dieser habe ihn aufgefordert, sich zu rechtfertigen, und habe ihm zur Bestätigung der Anklage die Unterschrift gezeigt. Abr. habe aber seine Unterschrift anders gedeutet: »Wenn auch die Herren einverstanden sind, ich nicht, ich entziehe mich«. Durch seine Klugheit habe also Abr. sich, die Seinigen und sein Vermögen gerettet. Diese Nachricht widerspricht Allem, was Abr. selbst von seiner Flucht mittheilt.
23 Juda Leon in der Elegie (Ozar Nechmad II. p. 71). Hier müssen einige Verse zum besseren Verständniß emendirt werden (die durchschossenen Wörter sind Correcturen):
וירשוקב יבא אלה ,ויחאו (ןאוי ךלמב) וב ונגס ורשק תעו יבזכב םש
יבורכ בכור תוממ וליצהו ויחא גורהל שקבו
.... איילטשקל טלמנ אוהו
.יבהז םע יפסכו יבוט זבו יד ילב דע ישוכר ללש זאו
24 Abrabanel Einl. zum Josua-Commentar; Amador III. p. 295 nach Bernaldez' Bericht. Imanuel Aboab Nomologia II. c. 27 p. 302: Todo el tiempo que estuvo en Castilia (don Ishac Abravanel) tuvo intima amistad y comunicacion en lo tocante al estudio de la Ley divina con el Rab Ishac Aboab, y en lo que tocava a sus negocios con don Abraham Senior, que lo tomó por compañero en la massa de las rentas Reales, que tenia sobre si. Joseph Caro in הנשמ ףסכ zu Maimuni II. Berachot IV.
25 Abrabanel Schluß zu Josua-, Richter- und Samuel-Commentar.
26 Carmoly hat überzeugend nachgewiesen, daß Abrabanel Plagiate an Bibago und an Isaak Arama begangen hat (Ozar Nechmad III. p. 54fg.). Ein wichtiges Urtheil über Abrabanel's schriftstellerische Art hat der sabbatianische Kabbalist Jona Salvador, Lehrer des Richard Simon, gefällt (Lettres choisies de Rich. Simon III. 2, p. 11). Quand je lui (à Jona Salvador) ai parlé de Abarbanel comme d'un commentateur exact,.. il m' a temoigné que c'etait un pur compilateur et babillard.
27 Josua-Commentar zu c. 10 und öfter in seinen Schriften.
28 Das.
29 Einl. zum Commentar der Könige.
30 Die Bulle vom 31. Mai 1484, welche Sixtus IV. ad perpetuam rei memoriam erlassen hat, war bisher unbekannt. Fidel Fita hat sie, wie noch andere unbekannte päpstliche Erlasse bezüglich der Inquisition aus einer handschriftlichen Sammlung Breves y Bullas apostolicas veröffentlicht (Boletin de la Real Academia de la historia 1889. T. XV, p. 443 f.). Jedesmal, wenn in einem päpstlichen Erlaß des XV. und XVI. Jahrhunderts angegeben ist: motu proprio, non ad alicuius nobis super hac oblatae petitionis instantiam, wie auch in dieser Bulle, kann man ohne Weiteres annehmen, daß sie im Gegentheil auf Anregung von einer Seite erfolgt ist. Diese ist gewiß auf Antrag der spanischen Inquisition erlassen worden, weil diese Indulgenz gegen die Juden ihrer Thätigkeit im Wege war, was Fidel Fita mit Recht präsumirt. Sie ist direkt nur gegen Juden erlassen, und wenn auch darin von Judaei et Saraceni insimul permixti cum Christianis habitare, so ist das als eine Curialformel anzusehen; denn Mohammedaner oder Mudejares in Spanien haben nicht die exactio publicarum funcionum in Händen gehabt. Vgl. o. S. 191.
31 Isidor Loeb hat aus einem lateinischen Ms. der Pariser Nationalbibliothek (356 Fonds espagnol) betitelt: Censura et confutatio libri Talmud, interessante Excerpte veröffentlicht (Revue des études j.T. XVIII, Jahrg. 1889, 231 ff.). Es ist eine Art Promemoria, welches zwei Inquisitoren bei zwei Verfassern bestellt und Torquemada übergeben haben. Gerichtet ist es gegen den Talmud und die Marranen. Ein interessanter Passus darin (p. 232) hat entschieden einen historischen Hintergrund: quod est contra instigantes apud serenissimos reges, dicentes quod Judaei non valent pro testibus (contra hereticos) quia obligantur ad interficiendum istos ex praecepto legis et per consequens ex inimicia moventur ad testificandum etc. Ueber die Grundtendenz dieser Schrift vergl. Revue d. Et. Jahrg. 1890.
32 Llorente, histoire de l'Inquisition I. p. 259.
33 Judio de longa nariz,
Paga la farda a Villaris,
Paga la farda a Villaris,
Judio de longa nariz.
Es ist enthalten in Discurso sobre el estado de Judios von de Asso (im Werke el fuero viejo de Castilla) p. 152. Ferreras, Geschichte von Spanien VII. p. 119.
34 Ibn-Verga, Schebet Jehuda No. 37.
35 Abraham Gavison in החכשה רמוע p. 138.
36 Ueber Saadia Ibn-Danân, von dem man nur eine vage Vorstellung hatte, hat Edelmann (in Chemda Genusa Einl. p. XVII f. und Text p. 13 f. p. 25 ff.) erst Licht verbreitet. Sein hebräisches Lexicon ('ס םישרשה) beendete er 1468, das Vorwort dazu fügte er 1472 hinzu. Das Gutachten über die zurückgetretenen Marranen (םיסונאה רבד לע הלאש) ist geschrieben zwischen der Einführung der Inquisition in Spanien und der Eroberung von Malaga 1481-1487. Das Responsum über die jüdischen Könige bis Bar-Kocheba (in Respp. רודה ראפ No. 225) hat das Datum Granada 1485. Wahrscheinlich lebte er noch bis zur Vertreibung der Mauren und Juden 1502, als die Letztern – 200 Personen – nach Tlemsen auswanderten (Gavison in Omer ha-Schikcha p. 138a): יבא ריאמ ןב םהרבא רמא ונאבו הטאנרג ריעמ דרפסב רמה שודיגה עריאשכ הרמז תושפנ םיתאמ ומכ ןאסמלתל. Gavison, der viel von ihm erzählt, giebt aber nicht an, daß Ibn-Danân in der Verfolgung von Granada umgekommen wäre. Ueber ihn und seine Schriftstellerei berichtet Gavison noch (das. p. 131 b): לעב ל"ז ןנאד ןב הידעס 'ר לודגה ברה יכ אמוחנתו דומלת הנשמ ארקמ חינה אלש וכותמ הארנ יכ ךורעה ןכ יפ לע ףאו ד"בה לכ לע םישרש יתיאר התע םג .דמל אלש םיינפוגל םיעגונ םירישמ המכו המכ ונאצמ וירישב. Dukes hat im Orient. Ltbl. Jahrg. 1848 col. 228 f. aus einem Codex und Edelmann a.a.O. Einl. p. XIV f. einige erotische und polemische Verse von Ibn-Danân mit getheilt. Gavison theilt zwei Distichen von ihm mit (das. p. 125 b), von denen das letztere nicht ohne Werth ist:
?ואב םיזורח הזמ יאו יחא ועדת םא םררושמה יבא אוה ימ
.ואבנ תמאב ,'ה תרות וללה םה םאו ,םה םיאיבנ יליא
Ein Gedicht von Abr. Gavison auf einen seiner Nachkommen in Tlemsen 1562, Maimun Ibn-Danân, das. p. 121 b. Saadia Ibn-Danân schrieb auch über den Zankapfel der Exegeten, das 53te jesaianische Kapitel. Vergl. Katal. Bodl. Ms. No. 1492, 2061, 3, daß er vielleicht noch 1505 am Leben war.
37 Respp. רורה ראפ No. 225 (auch die übrigen Piecen bis zum Schlusse gehören Saadia J. D. an) und bei Edelmann a a.O. p. 25 f.
38 Vergl. o. S. 150, 153, 284, Anmerk.
39 Bernaldez, Reyes Catolicos, Joseph von Arevalo, Anecd. Oxon. am Ende; Zacuto, Jochasin ed. Filipowski p. 227 a; Ibn-Verga, Schebet Jehuda (ed. Hannover p. 108): תולהק ינוחלש הגריו ןב המלש לדה ינאו הגאלמ ייובשל ןוידפ ץבקל דרפס (?תולהקל). Aus Omer-ha-Schikcha p. 126 d ist eine Notiz erhalten, woraus hervorgeht, daß 1493 wieder Juden in Malaga waren. Es heißt dort: ירימז םהרבא 'ר ידבד) םיקותמה וירבד ולאו דשפנ דידיל יתררוש ג"נר 'ה תנש הקלאמב יתויהב (ררושמה טארקב םהרבא 'ר ברה. Darauf ein langes Gedicht. Durften Juden noch in Malaga, sowie im Granadischen überhaupt auch nach der Vertreibung von 1492 wohnen? Schwerlich, das Datum ist wohl corrumpirt.
40 Zurita, Annales de Aragon L. XX. Kap. 71. Llorente I. p. 263.
41 Dieser Vertrag ist zum ersten Mal aus dem Archiv von Simancas vollständig mitgetheilt in Lafuente's historia general de España T. XI. im Anhange p. 547 ff.
42 A. a.O. § 38: Item que los Judios naturales de la dicha ciudad de Granada e del Albaicin e sus arrabales e de las otras dichas tierras que entraren en este partido ó asiento, gocen (gozen) deste mismo asiento ó capitulacion, e que los Judios que antes eran Cristianos, que tengan termins de un mes se pasar allende.
43 Das. § 13: Item, es asentado e concordato, que ningun Judio non sea recabdador (Recaudador), nin receptor, nin tenga mando con jurisdicion sobre ellos (los maometanos).
44 Die Nachricht in Ibn-Verga's Schebet Jehuda (zu Ende): לכ תולהקל ימור שיא םלושמ ... רשה חלש רשא בתכ עישומה יכ םכל ועד ... שילופאנ תלשממו רויפיפאה תלשממ דימת דמועה אוה םדק ימיב םכילע דמע רשא ןמאנו ברה ןמ םירש ינש רויפיפאה ינפל ואב לאדאנל ןושאר םוי .םכליצהל אוה םשרגישו ותוכלמב רשא םודוהיה שרגל דרפס ךלמ ךלמה וכו הנושאר, scheint mir dem Kerne nach echt historisch zu sein und in die Regierungszeit Fernando's und Isabella's gesetzt werden zu müssen. Im Verlaufe heißt es: םשרגל דרפס יכלמ ושקבי םא, was eben nur auf zwei zusammenstimmende Könige, auf das katholische Königspaar, paßt. Manche Züge sind aber sagenhaft ausgeschmückt.
45 Vergl. darüber Note 11.
46 Llorente I. p. 211.
47 Vergl. Note 11.
48 Die wenig beachtete Urkunde des Edikts zur Vertreibung der Juden ist in extenso mitgetheilt in Janguas y Miranda diccionario de Historia y Antiguadades de Navarra, Artikel Judios, und bei Amador III. 603 f. Auch Elia Kapsali hat diese Urkunde von der Vertreibung der Juden erhalten und sie Hebräisch übersetzt in seiner Schrift והילא יבד, im Auszug aus dieser Schrift םינוש םיטוקל von M. Lattes de vita et scriptis Eliae Kapsali p. 68 fg. Ein scheinbarer Widerspruch in Betreff des Präclusiv-Termins bis zur Auswanderung in jüdischen und christlichen Quellen ist, so viel ich weiß, bisher nicht berührt worden. Die Urkunde wiederholt öfter, daß den Juden Zeit gegönnt sei bis Ende Juli, also von Ende März volle vier Monate, und so setzten sämmtliche christliche Historiographen den Termin. Abrabanel giebt dagegen wiederholentlich an, daß nur drei Monate Frist gewährt war (Einl. zum Könige-Comment.): ... ליחב ארק אזורכו בקעי םשב ארקי רשא לכמ דסרפ ראשת אל םישדח שלשמכו; ebenso zu Jeremias c. 2, zu Hosea c. 6 העושיה יניעמ Einl. Zacuto giebt Aufschluß darüber. Er berichtet (Ed. Filipowski p. 227 a): שבכ וריניא ח"ר ... ב"נר תנשבו םישדח העברא רחאו םידוהיה לע שורג ורזג זאו הטנארג תא תורציצחב הנידמו הנידמ לכב (לירבא l.) לברא ףוסב זורכה ונתנ םימי העבשל עיגהש ,םישדח 'ג דע ותוכלממ םידוהיה לכ וכליש בא שדוחמ. Hiermit ist der Widerspruch gelöst. Vom Erlaß des Edikts war der Termin 4 Monate, aber Ende April haben Herolde mit Trompeten bekannt gemacht, daß die Juden nur noch drei Monate zu bleiben haben, bis zum Endtermin, Ende Juli = 7ten Ab.
49 Janguas y Miranda diccionario de Antiguadades de Navarra Artikel Judios II. p. 117. Die Quelle war wohl der Anhang zum grünen Buche p. 289 f.
50 Die Nachricht von Torquemada's Aeußerung hat zuerst Llorente a.a.O. I. p. 250 ohne Quellenangabe mitgetheilt. Lafuente hält es für unwahrscheinlich, daß sich der Inquisitor gegen die Majestäten eine so kühne Sprache erlaubt haben sollte (a.a.O. IX. p. 408 Note). Amador citirt die Erzählung Bravo's, daß Torquemada eine solche Sprache dem Königspaar gegenüber geführt hätte bei Gelegenheit, als die Marranen von Cordova eine hohe Summe angeboten hätten, die Inquisition nicht in ihre Stadt einzuführen (III. 272 Note). Aus Abrabanel's Angabe geht aber mit Sicherheit hervor, daß Isabella am entschiedensten gegen den Widerruf des Ediktes war, und daß sie Fernando, der geneigt war, darauf einzugehen, umgestimmt hat (Einl. zu Comment. d. Könige): ונימי לע תדמוע הבלמהי והשעמ תושעל החקל בורב ותטה ,ונטשל (ודנאנרפ ךלמה ןימי) רמגו לחה. Nun, hinter der Königin kann man sich sehr gut ihren Beichtvater oder ihre Beichtväter und jedenfalls auch Torquemada denken. Daß sich die Inquisitoren nicht vor den Majestäten gescheut haben, kühn aufzutreten, haben sie mehr als einmal bewiesen. Gebrauchte doch Torquemada in seinen Erlassen den Majestätsstyl: Nos Thomas Torquemada Inquisitor general en todos sus Reynos (bei Llorente IV. p. 368) und stellte sich hiermit den Fürsten gleich.
51 Vergl. weiter unten.
52 Vergl. o. S. 43 N.
53 Bernaldez Chronik citirt von allen Geschichtsschreibern dieser Epoche.
54 Zurita, Annales de Aragon V. p. 9.
55 Bernaldez.
56 Abrabanel Einl. zu Könige-Commentar.
57 Vergl. Note 12.
58 Llorente IV. 368 ff. das vollständige Dokument.
59 Wenn der Zeit- und Leidensgenosse Joseph Jabez referirt, daß sich fast sämmtliche philosophisch gebildete Juden bei der Ausweisung taufen ließen: םכילא םיברה ה"ועב ונשרוג רשא ינא דרפס תלוגמ .ארקא םישנא םדובכ תא ורימה םלכ טעמכו המכ?ב םיראפתמה בורו םימוצעהו תשדק לע םנוממו םפוג ורסמ ץראה ימעו םישנהו רמ םויב םארוב (Or-ha-Chajim p. 5 a und p. 12a), so kann das nur von den portugiesischen Juden gelten; aber dort gingen auch fromme Rabbinen aus gräßlicher Verzweiflung über. Von den spanischen Juden dagegen bemerkt Bernaldez Cronica Cap. 112: E siempere por onde iban, les conuidaban al bautismo é algunos ... se convertian et quedeban, pero muy pocos. Das bezieht sich indeß auf diejenigen, welche bereits ihre Heimath verlassen und auf der Auswanderung begriffen waren. Der Zeitgenosse Abraham B. Salomon aus Torrutiel, welcher sein הלבקה רפס 1508 verfaßt hat, berichtet: ורימהו םתיבב ובשי םהיטפושו םהירידאו םהילודגו םידוהיה בורו ... רואינש םהרבא ןוד ברה םיסרוקיפאה ןומה םשארבו ... םתד תובברז םיפלאל הלאכו (Neubauer Anecdota oxoniensia p. 112).
60 Cronicon de Valladolid; Elia Kapsali S. 73. Vergl. Note 4.
61 Bernaldez.
62 Imanuel Aboab, Nomologia II. c. 27:.. luego que en fin de Março del año 1492 hizieron en Granada la prematica contra los Judios, se fue el venerable Sabio (Rabi Ishac Aboab), con otras treinta casas de nobles Israelitas a Portugal a concertar con el Rey Juan II. Fueron bien recebidos del Rey.
63 Die Urkunde bei Amador III. p. 610 f. Gaon ist in dieser Urkunde öfter verschrieben für Cacon = Chacon. Im Jahre 1851 erfuhr das jüdische Consistorium von St. Esprit, daß aus diesem Begräbnißplatz Ausgrabungen gemacht und Gebeine herausgenommen worden wären, wendete sich an den Stadtrath von Vitoria und erinnerte an den Vertrag von vor 350 Jahren. Der Alcade gab hierauf einen befriedigenden und urbanen Bescheid. Das. 611 f.
64 Colmenares historia de Segovia c. 35.
65 Abrabanel bemerkt, daß sich die Auswanderung auf wunderbare Weise bis zum 9ten Ab hingezogen hat (zu Jeremias c. 1): לב לע שורג דרפס ךלמ רזגשכ הנה היהו םלשנ םישדה שלשמכ ואציש ותוכלמ לכב רשא םידוהיה םימשה ומ ולאכ רבד ןמזה הזמ עדי אל אוהו באב 'ט האיציה םוי הזה ןמזה תלבגהל והוכירדה. (zu Hosea c. 6): דמשה הז הנהו םישדח השלשל ... היכלמ דרפסב רשא םלשורי שורג ... ןורחאה םצעב ... באב 'ט םוי היה םניד רזג םתהנ וב רשא ןורחאה םויו דרפס תוצרא לכמ 'ה תואבצ לכ ואצי הזה םויה. Der letzte Termin war aber 31. Juli = 7. Ab. Die Juden müssen sich also noch zwei Geduldtage ausgewirkt haben. Abrabanel, der schon früher nach Neapel ausgewandert war, wußte davon nichts und hielt das Zusammentreffen des Auswanderungstages mit dem 9ten Ab für eine Art wunderbare Tragik.
66 Note 10.
67 Bernaldez. Cronica Cap. 112: E los Rabbies los iban esforçando e facian cantar á las mugeres é mancebos è tañer pandores è adfues, para alegrar la gente.
68 Tapia, historia de la civilizacion Española bei Amador III. 419. El golpe mas fatal de todos fue la expulsion de los Judios, porque convirtio en desiertos sus mas pingues distritos, despoblandolos de una clase de ciudadanos, que contribuian mas que todos los otros no sólo à los intereses gererales del estado, mas tambien á los peculiares de la corona.
69 Imanuel Aboab a.a.O. p. 295.
70 Urkunden bei Landazuri Amador III. 410 N. Conosciendo la nesessidad en que la Ciudad (Vitoria) é su terra é comarcas estaba de Fisicos por la ida é absencia de los Judios é Fisicos de la ciudad. Der Rath klagte schon ein Jahr nach der Vertreibung der Juden: de haber escasez de Medicos por la ida e absencia de los Judios.
71 Vergl. B. VII.2, S. 393.
72 Urkunde von Fernando und Isabella vom 12. Sept. 1492 bei Llorente IV. B. Appendix p. 371: ... en el Arzobispado de Toledo hagais perquisa cerca de las personas, que contra nuestro vedamiento han sacado de nuestros reynos dinero, é oro é plato é moneda, o otras cosas vedadas, que eran de los Judios que ... salieron de nuestros Reynos y lo tienen guardado de ellos para lo sacar etc.
73 Bergenrath, Calender of letters etc. I. c. LI aus dem Archivo general de la corona de Aragon. Das Schreiben des Königspaares an den spanischen Gesandten datirt August 1494.
74 Urkunde b. Llorente das. IV. p. 377 ff. Klage des Ministers Juan de Lucena beim Könige Fernando vom 26. Dec. 1503 (p. 380): Certifico a Vuestra Altezza, que si de Judios (conversos) no, no es posible que de otri sea testiguado; y de Judios no me maravillo, porque como enemigos nuestros lo han fecho à causa de la expulsion dellos, la qual todo atribuian à mi, y a causa que el dicho mi hermano fué uno de los comisarios deputados por V. A. para ocupar los bienes dellos ... y se conjuraron para facernos falso testimonio.. y es muy publico en esta ciudad.
75 Ibn-Verga Schebet Jehuda No. 64 p. 96.
76 Llorente a.a.O. I. p. 272 ff. und IV. p. 242 ff. giebt die Zahl der Verbrannten auf 8000 an. Die Berechnung ist aber nicht stichhaltig. Mariana hist. C. XXIV Cap. 17 giebt folgende Zahlen: A Torquemada edictis proposita spe veniae homines promiscuae aetatis, sexus, conditionis ad decem et septem millia ultro crimina confessantes memorat, duo millia crematos igne.
77 Llorente das. I. p. 285.
78 Das. I. p. 347.. tous les habitants de Cordoue et plusieurs membres du conseil de Castille se déclarèrent contre Deza, et publièrent qu'il était de la race de Marranos.
79 Im. Aboab a.a.O. p. 295. Abarca Reyes de Aragon T. 2. p. 310. Lafuente a.a.O. IX, p. 414).
Buchempfehlung
Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.
266 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro