Nebukadnezars Nachfolger. Amasis

[179] In seinen Inschriften bittet Nebukadnezar den Gott Nebo um langes Leben und zahlreiche Nachkommenschaft, um Besiegung seiner Feinde und Befestigung seines Reichs. Die Götter haben ihm einen ebenbürtigen Nachfolger versagt. Seitdem durch Eroberung begründete Reiche an die Stelle nationaler Staaten getreten sind, beruht ihr Schicksal weit mehr als früher auf der Persönlichkeit des Herrschers und der zufälligen Gestaltung der äußeren politischen Lage. So ist das mächtige babylonische Reich, das so fest begründet schien, kaum zwanzig Jahre nach dem Tode seines Organisators zugrunde gegangen. – Als Nebukadnezar im J. 561 starb, folgte ihm sein Sohn Amilmarduk (Beross. Ἀμιλμαρούδοκος, Reg. II 25 ךדרמ ליוא). »Da dieser ungerecht und schwelgerisch regierte«, sagt Berossos, »wurde er schon nach zwei Jahren von seinem Schwager Nergalšaruṣur (Νηριγλίσαρος) umgebracht.« Dieser, der sich in Inschriften »Sohn des Belšumiškun, Königs von Babel« nennt, hat an den Kaimauern und Tempeln der Hauptstadt gebaut (559-556). Gegen seinen Sohn Lâbašimarduk (Λαβασσοάραχος u. var.), »der durchweg eine bösartige Natur an den Tag legte«, verschworen sich die Hofleute und erhoben den Nabunâ'id (Ναβοννίδος, Ptol. Ναβονάδιος, Herod. Λαβύνητος), der dem Königsgeschlechte nicht angehörte, auf den Thron.

Auch Nabonid hat während seiner im wesentlichen friedlichen Regierung – die Fragmente seiner Annalen erwähnen nur zu Anfang seiner Herrschaft kleine Kämpfe – das Restaurationswerk fortgesetzt. In Babylon hat er, wie Berossos erwähnt und die [179] Ziegel bestätigen, an den Kaimauern gebaut. Seine Haupttätigkeit aber war den übrigen Städten des Landes und namentlich ihren Tempeln zugewandt. In Larsa, in Ur, in Sippara, ja auch am Mondtempel von Charrân, das erst durch den Sturz der Meder wieder in seinen Besitz kam, hat er gebaut. Unermüdlich suchte er namentlich nach den in den Fundamenten der Tempel vergrabenen Zylindern ihrer ersten Erbauer; diesem Umstande verdanken wir zahlreiche wichtige historische Nachrichten. In einer eigentümlichen Umgestaltung tritt uns diese Tätigkeit des Königs in einer Inschrift entgegen, welche die babylonischen Priester für Kyros verfaßt haben, und in der dieser seine Thronbesteigung verkündet. Nabonid, so heißt es, habe sich von Marduk, dem Herrn von Babel, abgewendet und den Göttern der übrigen Städte ausschließlich seine Verehrung zugewandt. Ganz besonders wird ihm zum Vorwurf gemacht, daß er im Kriege mit Kyros die Götterbilder aus einer Reihe babylonischer Städte nach Babel bringen ließ. Darüber er grimmt, habe Marduk sich einen ergebenen Diener gesucht und dem Kyros die Herrschaft über Babel anvertraut. So deutlich die Tendenz dieser Darstellung auf der Hand liegt, so charakteristisch ist es, daß gerade diese Motivierung für den Sieg der Perser gewählt wird. Sie zeigt, wie nahe die Anschauungen, von denen der israelitische Monotheismus ausgegangen ist, auch anderen semitischen Völkern gelegen haben.

Es erübrigt noch, einen Blick auf Ägypten zu werfen. Apries war zu Ende seiner Regierung von den Libyern zu Hilfe gerufen worden, welche sich der Griechen, die im J. 630 Kyrene gegründet hatten und jetzt in immer größeren Massen die Küsten besetzten, nicht mehr erwehren konnten (Herod. IV 159). Seine Truppen wurden indessen von den Kyrenäern vollständig geschlagen. In dem Glauben, der König habe es absichtlich ins Verderben geschickt, empörte sich das Heer und erhob Amasis zum Könige. Die Rivalität der ägyptischen Krieger und der fremden Söldner kam zu erbittertem Ausbruch. Ein großer Teil der Ägypter fiel den Rebellen zu; nur die griechischen Söldner blieben dem Pharao treu. Bei Momemphis kam es zur Schlacht, in der Amasis den Sieg und die Krone gewann (569 v. Chr.). Eine [180] Zeitlang wurde Apries neben ihm offiziell als König anerkannt; dann wurde er auf das Andringen der Ägypter erdrosselt. Obwohl Amasis die Herrschaft im Kampfe mit den griechischen Söldnern gewonnen hatte, war er womöglich in noch höherem Grade ein hellenenfreundlicher Fürst als sein Vorgänger (s.u. S. 624). Er legte die in den »Lagern« bei Bubastis angesiedelten Söldner als Besatzung nach Memphis; er gestattete den griechischen Kaufleuten die Ansiedlung in Naukratis (u. S. 623). Mit dem seegebietenden Polykrates von Samos, ebenso mit Kyrene stand er in Freundschaft; eine seiner Gemahlinnen, Laodike, stammte aus Kyrene – eine andere war eine Tochter Psammetichs II. Mehrfache Weihgeschenke in griechischen Tempeln werden von ihm erwähnt; auch zum Wiederaufbau des im J. 548/47 niedergebrannten Tempels von Delphi hat er beigesteuert. In der äußeren Politik scheint er friedliebend gewesen zu sein; nur die cyprischen Städte machte er sich tributpflichtig (Herod. I 182)317.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 179-181.
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