Athen gegen Ägina

[330] Der Konflikt zwischen Athen und Ägina war von dem Moment an vorhanden, wo Attika eine selbständige kommerzielle Bedeutung zu gewinnen versuchte. Die Überführung Athens vom Pheidonischen zum Euböischen Maßsystem durch Solon bezeichnet sein erstes Stadium. Seitdem mag es wiederholt zu Fehden gekommen sein; was freilich davon berichtet wird, scheint meist aus den späteren Ereignissen fälschlich in die alte Zeit übertragen zu sein. Im Jahr 507 ergriffen die Ägineten die Waffen zur Unterstützung Thebens (Bd. III2 S. 742 und begannen die attischen Küsten zu verwüsten und attische Schiffe zu kapern; im Jahr 491 benutzten die Athener die Huldigung an Persien, um die Insel mit Spartas Hilfe zu demütigen (o. S. 303). Wollte man wirklich zu einer Seemacht gelangen, so mußte man, statt Raubzüge gegen die Kykladen zu unternehmen, versuchen, die Macht der stolzen Insel zu brechen, die den Häfen Athens unmittelbar vorgelagert war. So mag Themistokles schon lange zum Krieg gedrängt haben; [330] um das Jahr 487 kam er zum Ausbruch. Den entscheidenden Anlaß soll der Überfall eines athenischen Festschiffs gegeben haben, durch den die Ägineten sich einen Ersatz für ihre in Athen internierten Geiseln verschafften. Einen willfährigen Bundesgenossen fand Athen in Korinth, Äginas altem Rivalen; die Korinther haben allezeit Athens Emporkommen eifrig unterstützt, bis Athen auch sie zu überflügeln begann. Jetzt überließen sie den Athenern zwanzig Kriegsschiffe. Auch auf Ägina selbst fand Athen Unterstützung in der demokratischen Partei, an deren Spitze ein ehrgeiziger Adliger, Nikodromos, stand. Den Athenern gelang es, die äginetische Flotte zu schlagen und sich auf der Insel festzusetzen. Aber sie waren um einen Tag zu spät gekommen: die Demokraten hatten bereits losgeschlagen und waren überwältigt worden. Jetzt wandten sich die Ägineten an Argos. Hier grollte man ihnen zwar, weil sie wenige Jahre vorher Kleomenes unterstützt hatten, und versagte von Staats wegen die Hilfe; aber eine große Schar Argiver unter Eurybates ergriff mit Freuden die Gelegenheit, Korinth und Sparta Schaden zu tun. Eine neue Gruppierung der Mächte schien sich vorzubereiten. Dem argivischen Hilfskorps gelang es, die Athener abzuschneiden und trotz tapferer Gegenwehr großenteils zu vernichten; ihre Schiffe wurden von den Ägineten angegriffen und geschlagen. Das Unternehmen war vollständig mißlungen und konnte, da die Ägineten jetzt das Meer beherrschten, nicht wieder erneuert werden. Der kleine Krieg dauerte noch jahrelang ohne Entscheidung. Die Geiseln wurden vermutlich gegen die Gefangenen ausgewechselt. Nikodromos und wer sonst von den Demokraten entkommen war, wurde in Sunion angesiedelt und unternahm von hier aus Raubzüge gegen Ägina; die übrigen, 700 an der Zahl, wurden hingerichtet. Die reichen Adelsgeschlechter haben die Herrschaft über die Insel bis ans Ende behauptet394.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 330-331.
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