Stimmungen und Parteikämpfe in Athen

[82] So ging der Krieg bereits ins siebente Jahr, ohne daß ein Ende abzusehen war. Der einzige wenigstens moralisch ins Gewicht fallende Erfolg der Feinde war die Eroberung Platääs; sonst hatten sie Athen nichts anzuhaben vermocht, trotz der Pest. Die Torheit der kleinmütigen Stimmung, die damals die Bürgerschaft befallen hatte, lag jetzt klar zutage. Aber auch Athen konnte seines Lebens nicht froh werden. Seine Machtstellung zur See war unerschüttert und im Westen gewaltig erweitert, Korinths Widerstandskraft fast gebrochen; aber ein entscheidender Erfolg war nirgends errungen und nicht in Aussicht. Das einzige, worauf man mit vollem Recht hoffen durfte, war, wie Perikles ausgesprochen hatte, die allmähliche Erschöpfung der Gegner; aber noch immer kam die Friedensstimmung bei ihnen nicht zum Durchbruch. Inzwischen war die Bürgerzahl und damit der Bestand der Feldarmee in Athen durch die Epidemie um mindestens ein Drittel, von etwa 55000 Männern über 18 Jahre auf etwa 36000-38000 zurückgegangen. Deshalb hat man das Hoplitenkontingent der Metöken jetzt ganz in die Feldarmee aufgenommen. Der Gedanke, zum Ersatz auch die Theten [82] zum Hoplitendienst heranzuziehen, ist in dieser Zeit von den Vertretern einer energischen Kriegführung erwogen worden; aber er war völlig undurchführbar, da man ihre Kräfte für die Ruderer der Flotte nicht entbehren konnte. Eher wäre es möglich gewesen, ein starkes Söldnerkorps anzuwerben, teils aus Griechenland – namentlich in Arkadien gab es kräftige Leute in Fülle, die bereit waren, in jedermanns Dienste zu treten, der sie gut bezahlte – teils aus den thrakischen Stämmen; die Erfahrung lehrte, wie wertvoll neben dem Hoplitenheer ein Korps von leichter bewaffneten und daher beweglicheren Peltasten sein würde, und das war von den Thrakern zu bekommen. Aber allen derartigen Plänen stand die Ebbe in den Finanzen entgegen; mehr als gelegentlich einige hundert Söldner in Dienst zu nehmen, war unmöglich. Der Schatz auf der Burg, die Grundlage der Kriegführung Athens, war bereits gewaltig zusammengeschrumpft. Die zweijährige Belagerung von Potidäa allein hatte 2000 Talente (10880000 M.) gekostet83, und ähnlich große Summen verschlangen alljährlich die Flotten – die Löhnung der Schiffsmannschaft und der 10 Epibaten einer Triere kostete im Monat nahezu 1 Talent. In der Höhe der Kosten liegt der Hauptgrund, weshalb man in den späteren Jahren nicht mehr wie 431 und 430 unter Perikles Flotten von 100 Schiffen um den Peloponnes und ins Ionische Meer entsandte, sondern sich mit Flotten von 30 Schiffen begnügte (428, 426), oder auch, wie 429 und 427 (bis die Revolution auf Korkyra die schleunige Entsendung einer starken Flotte nötig machte) diese Expeditionen ganz unterließ – und doch waren im Sommer 428 bei dem geplanten Angriff der Peloponnesier auf Attika (s.S. 65) zeitweilig 170 Trieren in See. Aus demselben Grunde hat man nach Sizilien nur eine in keiner Weise ausreichende Macht geschickt – und doch haben die 20 Schiffe des Laches, die zwei Jahre lang, vom Spätsommer 427 bis Spätsommer 425, allein Athens Stellung auf der Insel zu verteidigen hatten, nahezu 500 Talente (2720000 M.) Löhnung erfordert. Im Landheer erhielt jeder Hoplit 2 Drachmen täglich, eine für sich und eine für seinen Waffenknecht; und wenn die Peloponnesier ins Land einfielen, [83] mußte die gesamte Armee einschließlich des Landsturms mobil gemacht werden. Um so weniger konnte man daran denken, für Zwecke der Offensive neben den Flotten auch noch ein stärkeres Landheer aufzustellen, selbst wenn die Bevölkerungszahl und die strategischen Erwägungen dies gestattet hätten. Deshalb ist z.B. auch nach Thrakien seit der Niederlage von Spartolos, 429, kein Heer wieder entsandt worden; nach dem Scheitern des Angriffs des Sitalkes (s.S. 62) hat man die Chalkidier einstweilen sich selbst überlassen und sich auf die Defensive beschränkt. Man mußte eben lernen sich bescheiden, und je länger der Krieg dauerte, um so mehr sich nach den vorhandenen Mitteln richten84.

Aber selbst wenn man sich noch so sehr einschränkte, mußten die vorhandenen Barbestände binnen weniger Jahre erschöpft sein. In den sieben Jahren vom Ausbruch des korkyräischen Kriegs 433 bis zum Hochsommer 426 sind nach einer erhaltenen Abrechnung den Tempelschätzen insgesamt 4760 Talente (25894400 M.) entliehen worden; und zwar fällt der Hauptteil dieser Ausgaben in die Jahre 431-429. Wenn man so weiter wirtschaftete, gelangte man binnen kurzem auf den Standpunkt der Peloponnesier, die ohne disponible Mittel aus der Hand in den Mund lebten und eben darum zur Ausführung irgendeines größeren Unternehmens nicht gelangen konnten. Die regulären Einnahmen des Staates und des Reiches[84] wurden durch die Ausgaben für die Instandhaltung des Kriegsmaterials und die Verwaltung größtenteils verbraucht; und hier war eine Einschränkung um so weniger möglich, da, seit die Landbevölkerung ihren Erwerb verloren hatte, die Bürgerschaft in noch ganz anderer Weise als unter Perikles auf die vom Staat gezahlten Gelder, den Sold als Hopliten und Ruderer, die Richterdiäten, die außerordentlichen Spenden angewiesen war. So mußte, wer den Krieg energisch führen wollte, wie die Häupter der radikalen Partei, vor allem neue Einnahmequellen zu erschließen versuchen: nach wie vor stand die Finanzpolitik im Zentrum des attischen Staatslebens. Hier hat denn auch Kleon eingesetzt. Im Jahre 428/7 war er im Rat und hat hier sofort den vollen Einfluß errungen, den der Demagoge, der sich ernsthaft und systematisch in alle Fragen der Politik einarbeitete und imstande war, ein Budget aufzustellen, über die durch den Zufall des Loses zusammengewürfelten Kollegen gewinnen mußte. Ohne Zweifel ist es auf ihn zurückzuführen, daß man jetzt zum ersten Male wieder die andere Alternative ergriff, die neben der Anleihe beim Tempelschatz offen stand: es wurde eine Vermögenssteuer (Eisphora) von 200 Talenten (1088000 M.) ausgeschrieben und energisch beigetrieben. Daran schlossen sich fiskalische Prozesse in großer Zahl, Einziehung von Rückständen und Pachtgeldern aller Art, von angeblichen oder wirklichen Unterschlagungen und Bestechungssummen; in all diesen Prozessen war Kleon der energische und keine persönlichen Rücksichten kennende Anwalt des Staatsschatzes, unterstützt von »der hundertköpfigen Schar verfluchter Schmeichler, die sein Haupt umzüngeln« (Aristoph. vesp. 1033), emporstrebenden Anfängern wie Hyperbolos, Alkibiades, Theoros, Androkles, Peisandros. Mit derselben Rücksichtslosigkeit ging man gegen säumige Bündner vor; ständig waren Schiffe unterwegs, um Geld einzutreiben85. Im Jahre 427/6 wurde Kleon selbst Vorsitzender der Hellenotamien. Zu gleich versuchte man, freilich ohne Erfolg, das Bundesgebiet zu erweitern (s.S. 74) und dadurch die Tributsumme [85] zu erhöhen. Die lohnendste Maßregel wäre eine Erhöhung der Tribute gewesen; indessen das war jetzt noch nicht durchzusetzen. Auch bei den Versuchen, die Ausgaben zu beschneiden, namentlich den Aufwand für das aus der wohlhabenden Jugend sich rekrutierende Reiterkorps, hatte Kleon keinen Erfolg. Immerhin aber erreichte er, daß die Anleihen bei den Tempelschätzen gewaltig reduziert wurden: im Jahre 426/5 sind nicht ganz 262 Talente (1425000 M.) entliehen worden86.

Im übrigen suchte die Kriegspartei durch diplomatische Verhandlungen Athens Stellung zu stärken87. In alle Welt wurden Gesandte geschickt, nach Sizilien, zu den epirotischen Stämmen, zu [86] Sitalkes, von dem man aufs neue einen Hilfszug oder wenigstens die Entsendung von Soldtruppen erhoffte. Auch mit Thessalien und Argos (s.S. 109,2) wird man die Verbindung wieder herzustellen versucht haben. Vor allem aber waren die Hoffnungen auf Persien gerichtet, so seltsam das klingt. Seit dem Ausbruch des Krieges standen die Peloponnesier mit dem Hof von Susa in Verhandlung; aber sie kamen nicht vorwärts, offenbar weil sie sich doch nicht entschließen konnten, dem Nationalfeind bestimmte Anerbietungen zu machen. So nahm der Perserkönig ihre Vorschläge äußerst lau auf: »er könne nicht verstehen, was sie wollten, denn so viele Gesandtschaften von ihnen kämen, jede sage etwas anderes«, lautete die Depesche, die ein von Persien nach Sparta geschickter Gesandter Artaphrenes mit sich führte, den die Athener im Herbst 425 abfingen; »wollten sie eine bestimmte Erklärung abgeben, so sollten sie jemand mit Artaphernes an den Hof schicken«. So gab sich Athen dem Wahn hin, es könne Persien auf seine Seite herüberziehen und von ihm Subsidien bekommen; wiederholt sind athenische Gesandte in Susa gewesen88.

[87] Moralisch stand Athen nach außen völlig isoliert. Zwar die Gesandtschaften aus dem Bundesgebiet flossen über von Loyalität und konnten sich nicht genug tun, »das veilchenbekränzte herrliche Athen« zu preisen, und die demokratisch gesinnten Massen hofften vielerorts auf seinen Sieg89. Auch führten ihnen gemeinsame politische Interessen gelegentlich Bundesgenossen zu, wie Korkyra und die Chalkidier Siziliens. Aber gerade hier bewies der Verlauf, wie wenig die regierenden Kreise von dem demokratischen Segen, den Athen brachte, und vollends von der Aufrichtung seiner Herrschaft wissen wollten. Die Sympathien der gebildeten griechischen Welt waren trotz alles Glanzes der Stadt, ihrer Kunst und ihrer Feste von Athen abgewandt; hier hatte das von Sparta aufgenommene Schlagwort der Autonomie und der Rückkehr zu den Verhältnissen der Väterzeit mächtig gewirkt. Auch Athen gab ja zu, daß seine Herrschaft eine Tyrannis, eine Knechtung freier hellenischer Gemeinden sei, und Männer wie Kleon und Alkibiades haben rücksichtslos die Konsequenzen daraus gezogen. Aber man meinte durch seine Taten und durch die Gestaltung der Weltlage dazu berufen zu sein, und den Ansprüchen der Gegner vollends sprach man jede Berechtigung ab; aus ihnen redete nichts als Neid. Wenn man sie im Felde einstweilen nicht vernichten konnte, so entlud sich der Haß nur um so grimmiger daheim. So hat Euripides in der Andromache (um 428) ein Bild des wahren Sparta nach athenischer Auffassung entworfen. Zu Unrecht haben die Spartaner in Hellas einen guten Ruf; sie sind die schlimmsten aller Sterblichen, verschlagen und verlogen, die Meister des Trugs, immer auf krummen Wegen, ohne gesunden Kern. In ihrem [88] gepriesenen Staat findet sich nur Schlimmes, nichts als Mordtaten (gegen die Heloten) und schimpfliche Gewinnsucht; jederzeit zeigt sich, daß sie das Gegenteil von dem im Sinne haben, was sie sagen. Auch mit der gefeierten Sittsamkeit der Frauen ist es nichts; wo sie halbnackt mit der männlichen Jugend sich in den Turnhallen herumtreiben, statt sittsam im Hause zu sitzen, wie können sie da anders werden als Helena, das Urbild aller Spartanerinnen? »Wäre nicht der Ruf ihrer Waffentaten, in allem anderen sind sie um nichts besser als die übrigen90«. Nicht anders reden bei Aristophanes die Acharner (425 v. Chr.): »weder Altar noch Treue noch Eid ist ihnen heilig, wie kann man da mit ihnen einen Vertrag schließen?« Groß war die Freude in Athen, als um das Jahr 429/8 Herodot von Halikarnassos die Summe seiner Forschungen zu dem großen Geschichtswerk zusammenfaßte, das vom Standpunkt des Perikles aus Athens Taten in den Freiheitskriegen in glänzenden Farben zeichnete und damit zugleich seine Ansprüche vor aller Welt rechtfertigte, während im Gegensatz dazu Spartas Politik mit leichter Ironie behandelt und als schwächlich und wankelmütig aufgezeigt, die Verdienste der Korinther nach Kräften geschmälert, der Vaterlandsverrat der Thebaner gebrandmarkt wurde. Die Wirkung des Werkes war so gewaltig, daß Athen dem Schriftsteller auf Antrag des Anytos, eines jungen Staatsmannes der Patriotenpartei, eine Belohnung von 10 Talenten (54400 M.) zuerkannte91.

Geholfen freilich haben diese Äußerungen Athen nicht viel; sie wirkten nur, wo man schon im voraus überzeugt war. Vielmehr traten eben jetzt die Schäden der Demokratie, deren Leistungen Herodot verherrlicht, die der absterbenden Generation das Ideal gewesen [89] war, so handgreiflich hervor, daß in aller Welt die Gebildeten sich von ihr und damit um so mehr von dem Staate abwandten, der ihr Träger war. Überall war durch den Krieg und die politischen Gegensätze, die er schuf, zugleich der Klassenkampf aufs neue entfesselt. Auf Korkyra hatte er sich bereits in blutigen Revolutionen entladen, die nicht eher ein Ende fanden, als bis die eine Partei so gut wie ausgerottet war. So weit ist es in Athen nicht gekommen, dazu war der Bürgersinn zu groß und stand zu viel auf dem Spiel; aber seit dem Sturze des Perikles kam auch hier der Parteikampf nicht mehr zur Ruhe. Von der demokratischen Politik, die auf eine Verewigung des Krieges hinauslief, wollten die Konservativen und das Landvolk nichts wissen; die Vermögenssteuer traf sie um so empfindlicher, da ihre Güter verwüstet und ihre Einnahmen auf Jahre hinaus aufs stärkste geschmälert waren. Überdies war erst durch Perikles' Sturz die Demokratie zur vollen Wahrheit geworden: jetzt wollte wirklich der Stadtpöbel das Regiment führen, und an seiner Spitze die Emporkömmlinge aus dem Volk und aus den Gewerben, rohe ungebildete Leute von schlechten Manieren – es erregte schweren Anstoß, daß Kleon auf der Rednerbühne polterte und gestikulierte, mit aufgeschürztem Gewande, statt die ruhige Haltung zu bewahren, die man von dem gebildeten Redner verlangte. Die Leute aus gutem Hause sahen sich beiseite geschoben und bedrückt; dagegen brachte das neue Regiment eine Masse neuer Leute zu Ämtern und Einfluß, junge unbedeutende Menschen, die, wie die Gegner behaupteten, weiter kein Verdienst hatten, als daß sie Anhänger und Schmeichler Kleons waren. Besondere Entrüstung erregte, wie zahlreiche Stellen der Komödien zeigen – Eupolis hat dem Gegenstand eine ganze Komödie, die Ἀστράτευτοι, »die nicht ins Feld ziehen«, gewidmet –, daß sie den anderen die am besten bezahlten Posten wegschnappten oder, wenn sie schon zur Armee ausgehoben waren, sich schnell noch durch ihre Verbindungen eine einträgliche Gesandtschaft zu verschaffen wußten und dadurch zugleich vom Kriegsdienst befreit wurden. Dazu kam die scharfe persönliche Färbung des Kampfes, die fortwährenden Prozesse, die Verurteilungen, die unnachsichtige Beitreibung der Steuern und Strafsummen, die Schmähungen und Verleumdungen [90] gegen jeden, der im politischen Leben hervortrat, in denen beide Parteien sich nach Kräften zu überbieten suchten. Dadurch kam ein stets roherer Ton in die Verhandlungen: für die Masse des Volkes wurden sie oft genug zu einem vergnüglichen Schauspiel, an dem sie sich mit Lärmen und Niederschreien mißliebiger Redner beteiligte. Kleons Popularität beruhte zum guten Teil gerade auf seiner Rücksichtslosigkeit gegen jedermann, ob vornehm oder gering. Unbekümmert um jedes andere Gefühl verlangte er, daß der athenische Demos nur seine Interessen im Auge haben und sie bis zum Äußersten durchsetzen müsse; die Weichheit und humane Vertrauensseligkeit, welche ihn gelegentlich anwandle, wie bei den Verhandlungen über Mytilenes Schicksal, könne ihm nur schaden. Oft genug hat er den Athenern gesagt, daß eben darum die Demokratie nicht imstande sei, die Herrschaft über andere zu behaupten (Thuk. III, 37).

So wurde bei den Besitzenden, soweit sie nicht der städtischen Kapitalistenpartei angehörten, die Empfindung immer stärker, daß sie lediglich dazu da seien, von den anderen ausgebeutet zu werden und die Lasten des Staates zu tragen, während der Pöbel und seine Führer den Gewinn davon hatten und herrschten. Um so lebendiger wurde das Streben, die bestehenden Zustände zu ändern und den leitenden Einfluß zurückzuerobern, auf den sie einen ererbten Anspruch hatten. An gewaltsames Handeln, an eine Revolution dachte die Mehrheit dabei nicht, und Athens Machtstellung wollte sie aufrechterhalten. Aber es galt den Demagogen die Zügel zu entreißen; hatte man dann einmal das Heft in Händen, so mochte man versuchen, die verderblichsten Bestimmungen der von Perikles geschaffenen Verfassung zu beseitigen, vor allem die aktive Teilnahme der Besitzlosen am Regiment und die Besoldung der Ämter. Rückkehr zu der Verfassung des Kleisthenes und Solon war die Losung die ser Partei. Offen vor dem Volk durfte man derartige Pläne nicht aussprechen; als nach zwei Jahrzehnten der Herrschaft radikaler Demagogen der Moment gekommen war, da zeigte sich, wie viele Anhänger diese Anschauungen gewonnen hatten. Einstweilen konnte man nur insgeheim für das Ziel zu wirken suchen; wie die Gegner organisierte man sich in Klubs, Hetärien, die auf die Wahlen [91] und die Gerichte Einfluß zu üben strebten92. Wie Kleon und sein Anhang den Vornehmen, so paßten diese den demokratischen Beamten, namentlich den untergeordneten Finanzkommissionen und dem Schreibervolk, auf die Finger und zogen sie wegen Unterschleifs vor Gericht: vor allem aber bekämpfte man jede Maßregel, die der radikalen Politik diente und die Stellung der Demagogen befestigen konnte93. Daneben gab es Heißsporne, die den Umsturz je eher je lieber herbeiführen wollten, und einzelne klare Köpfe, die die Aussichtslosigkeit des ganzen Strebens erkannten, es sei denn, daß man mit allen Vorurteilen breche und mit rücksichtsloser Entschlossenheit das Vaterland den Feinden in die Hände spiele, um es mit ihrer Hilfe aus dem Pfuhl der demokratischen Verderbnis zu erretten. Uns ist eine Broschüre aus der Zeit des archidamischen Krieges erhalten, in der dieser Standpunkt mit skrupelloser Klarheit ausgesprochen wird, die oft zitierte Schrift vom Staat der Athener. Die Demokratie, in der anstatt der Tüchtigen das Gesindel den Vorteil hat, ist eine durchaus verwerfliche Staatsform; aber für ihre Zwecke ist sie vortrefflich eingerichtet und durchaus konsequent, wie sie denn auch aus der Seestellung Athens mit Notwendigkeit erwachsen ist. Das wird in scharfsinniger Weise an allen Institutionen der Reihe nach erwiesen. Kleinigkeiten können hier und da gebessert werden; der Glaube aber, sie lasse sich reformieren und so gestalten, daß anständige und tüchtige Leute sich ihr anschließen und für sie wirken können – eine Ansicht, die so viele Aristokraten teilten, die sich früher Perikles angeschlossen hatten und jetzt Nikias unterstützten, unter ihnen auch Thukydides (VIII, [92] 97, 2) –, dieser Glaube ist ein Wahn und läßt sich niemals verwirklichen. »Das, was du schlechte Gesetze nennst, eben dadurch hat der Demos Kraft und Freiheit; wenn du gute Gesetze einführen willst, mußt du die Tüchtigen ans Regiment bringen und den Demos züchtigen und knechten.« Ebensowenig Berechtigung hat die naive, aber weit verbreitete Meinung, Athen möge sich selbst regieren, wie es wolle, aber wenigstens bei den Untertanen und Verbündeten solle es die besseren Elemente unterstützen, nicht das demokratische Gesindel: wo immer es das getan hat, ist es ihm schlecht bekommen. Sit ut est aut non sit. Auch die Hoffnung auf eine Revolution, auf einen Umsturz aus eigener Kraft, ist illusorisch; und mit den zahlreichen zum Verlust der Ehrenrechte Verurteilten läßt sich auch nichts machen, selbst wenn einige von ihnen mit Unrecht verurteilt sind. Denn weitaus die meisten von diesen sind Angehörige des herrschenden Volkes, die sich Schlechtigkeiten haben zuschulden kommen lassen, und so verkommen wie dieses. Die Machtmittel des Staates und des gebietenden Demos sind gewaltig; bei seiner absoluten Überlegenheit zur See ist ihm auch durch Krieg nicht beizukommen – unter der Verwüstung des Landes leiden nur die Landwirte und die Reichen, dem Demos ist das gleichgültig; und das Landheer, so groß seine Schwächen sind, reicht immer noch aus, um Athens Herrscherstellung aufrechtzuerhalten. So gibt es für Männer von aristokratischer Gesinnung keinen Raum in der Demokratie. »Dem gemeinen Manne ist es zu verzeihen, wenn er die Demokratie aufrechterhalten will; und doch gibt es selbst unter ihnen Leute, die recht eigentlich aus dem Volke hervorgegangen und doch ihrer Natur nach keine Volksmänner sind. Wer aber durch seine Abstammung nicht zum Demos gehört und doch für die Demokratie eintritt, statt für die Oligarchie zu wirken, der trägt sich mit schlimmen Absichten und weiß, daß er seine Schlechtigkeit in einer Demokratie besser verhüllen kann als in einer Oligarchie.« Nur einen Mangel hat Athens Stellung: es liegt auf dem Festlande, nicht auf einer Insel. So ist es möglich, daß die Feinde herangezogen werden und ihnen durch einige wenige die Stadt in die Hände gespielt wird. Das ist die einzige Chance, die sich einer konsequenten oligarchischen Politik bietet.

[93] Die weitere Entwicklung hat die Richtigkeit dieser Anschauungen vollauf bestätigt; sie ist den Weg gegangen, den der Verfasser dieser Schrift gezeichnet hat. Aber sie selbst lehrt, daß derartige Anschauungen auch unter seinen Parteigenossen nur auf wenige nüchterne Köpfe beschränkt waren und daher einstweilen politisch noch nicht in Betracht kamen. Weitaus die meisten der sogenannten »Oligarchen« waren von warmem Patriotismus erfüllt; sie wollten Athen groß und glücklich erhalten und eben darum seine Verfassung bessern, soweit es möglich war. Männer wie Nikias, Thukydides und ihre zahlreichen Gesinnungsgenossen haben sich mit voller Überzeugung und Hingebung in den Dienst des Staates gestellt, trotz seiner jetzigen Verfassung. Nicht aus der Demokratie als solcher machten sie Athen einen Vorwurf, sondern aus der Gestalt, die sie zur Zeit in den Händen unfähiger und verächtlicher Menschen angenommen hatte. Am offensten trug die Jugend ihre Gesinnung zur Schau, allen voran der Nachwuchs der reichen und adligen Häuser, der in dem Reiterkorps, dem Stolz der Feste Athens, seinen Mittelpunkt hatte. Sie machten kein Hehl daraus, daß sie die neuen Demagogen und die von ihnen geschaffenen Zustände gründlich haßten und verachteten und statt dessen in den Einrichtungen Spartas ihr Ideal sahen: sie trugen kurze spartanische Mäntel und Stöcke, sie rasierten sich den Schnurrbart weg, sie turnten und boxten eifrig und zerschlugen sich die Ohrläppchen, sie lebten und hungerten nach den Vorschriften der spartanischen Küche94. Dahinter bargen sich bei den meisten durchaus nicht hochverräterische oder auch nur unpatriotische Gesinnungen, wie man wohl gemeint hat – die so offen vor aller Augen zu manifestieren, würde man sich wohl gehütet haben, und an Patriotismus standen Aristophanes' Ritter keinem Athener nach –, wohl aber demonstrierte man damit für die gute alte Zeit: es sei höchste Zeit, daß Athen sich aus der demokratischen Zuchtlosigkeit herausreiße und zu festen Ordnungen zurückkehre, wenn es ein würdiger Rivale des Eurotasstaates sein wolle. Und in diesen Anschauungen begegnete sich die aristokratische Jugend mit dem Alter, mit den [94] Greisen aus dem Mittelstand, die nichts anderes kannten und von nichts anderem wissen wollten als von der Demokratie, für die sie gekämpft, unter der sie herangewachsen waren und an deren Erfolgen sie sich gesonnt hatten, die sich jetzt aber entrüstet von dem modernen Treiben abwandten, das sie beiseite schob und auf ihre Ideale mit geringschätzigem Lächeln herabsah.

Den lebendigsten Widerhall fand der Kampf der Parteien, der in den Volksversammlungen und vor Gericht seine Entscheidung suchte, in der Komödie. Hier dominierte die Opposition vollkommen, wie schon zur Zeit des Perikles. Die Führung übernahmen zwei junge Dichter, Eupolis (zuerst, angeblich 17jährig, aufgetreten 429) und Aristophanes (zuerst aufgetreten 427). Mit dem ganzen Feuereifer der Jugend warf sich Aristophanes in den Kampf. Er ist durchdrungen von der Überzeugung, daß es so in Athen nicht bleiben darf wie bisher, und so ergreift er alle Mittel, die ihm die komische Muse bietet – auch die ernsten Worte, die er in die Parabase einlegen darf –, um die Athener aufzurütteln und ihnen ins Gewissen zu reden. Ein ausgearbeitetes politisches Programm darf man weder von dem Komiker erwarten noch von einem Dichter, der kaum dem Knabenalter entwachsen war; und noch verkehrter wäre es, ihn als einen Sittenrichter und Tugendprediger zu betrachten. Im Gegenteil, er genießt das Leben der Gegenwart mit vollen Zügen; aber ihr den Spiegel vorzuhalten, der all ihre Schwächen und Gebrechen in der grotesken Verzerrung der Karikatur wiedergibt, ist die Aufgabe seiner Dichtung. So wild die Sprünge sind, zu denen die komische Muse ihn lockt, ein Grundgedanke geht durch alle Stücke seiner Jugendzeit, der Glaube an die Ideale der Opposition. Eben weil er noch jung ist, ist er um so tiefer von ihnen durchdrungen. Auf der komischen Bühne kann sich hervorwagen und für den Moment zur Wirklichkeit werden, was in den harten Kämpfen des realen Lebens zurückgedrängt und erstickt wird, hier ist es möglich, mitten im Kriege das Bild des Friedens mit all seinen Freuden hervorzuzaubern, den brutalen Gerber durch einen noch brutaleren Demagogen, den Wursthändler, zu stürzen und durch diesen das alte Athen der marathonischen Zeit wieder ins Leben zu rufen. Friedenssehnsucht, Sehnsucht nach der Freiheit und den [95] Genüssen des Landlebens bricht in allen Stücken hervor, und daneben der Kampf gegen die rohen, ungebildeten, prosaischen Elemente, welche jetzt die Herrschaft haben und das Ideal mit Füßen treten. Seine Vertreter sind die Alten, die Greise, in deren Namen Aristophanes gegen den modernen Unfug kämpft, und neben ihnen die vornehme Jugend Athens: für seinen großen Angriff auf Kleon hat ihm die Ritterschaft den Chor gestellt. Aber nur um so deutlicher empfindet man, daß die alte Zeit unwiederbringlich dahin ist, die hier im vollen Glanze der Poesie erstrahlt, deren Gebrechen und Kämpfe über ihrer Herrlichkeit vergessen sind. Aristophanes selbst ist ganz auf dem modernen Boden erwachsen, und seine Ideale haben wohl Raum in der Traumwelt der Komödie, aber nicht in der Wirklichkeit. Die Mittel, mit denen er die Gegner bekämpft, sind dieselben, welche er diesen zum schwersten Vorwurf macht, und können keine anderen sein, wenn sie wirken sollen: die rücksichtslose Verleumdung, die Vorwürfe des Eigennutzes, der Bestechlichkeit, des Unterschleifs, der Erschleichung des Bürgerrechts, die sophistischen Künste, das Niederschreien der Gegner und vor allem der Appell an die Begehrlichkeit der Massen, denen die wahren Volksführer noch viel mehr gewähren werden als die argen Demagogen, die nur an ihren eigenen Vorteil denken. – Der Hauptgegner ist Kleon; gegen ihn hat Aristophanes den Kampf Jahr für Jahr mit unerbittlicher Energie geführt. Zuerst 426 in den Babyloniern, in denen das Treiben der demokratischen Beamten, die Reichsverwaltung und das Wesen der Demokratie, welche Athen in den abhängigen Städten ans Ruder brachte, gegeißelt war – Kleon hat den kecken Dichter deshalb vor den Rat zur Verantwortung gezogen –; dann 425 in den Acharnern, der Verherrlichung des Friedens, und 424 in dem großen Hauptangriff der Ritter, wo Kleon selbst in Gestalt eines betrügerischen paphlagonischen Sklaven des alten Herrn Demos, dem dieser blindlings vertraut, auf die Bühne gebracht und schließlich gestürzt wird. Dann setzt sich der Kampf 422 in den Wespen, der Bekämpfung der Richterwut der athenischen Bürger, und nach Kleons Tod 421 im Frieden weiter fort. Eine politische Entscheidung konnte die Komödie nicht herbeiführen, wenn sie auch gelegentlich die Stimmung beeinflussen [96] mochte; aber der Bühnenerfolg des kühnen Dichters war gewaltig. Sowohl mit den Acharnern wie mit den Rittern gewann er den ersten Preis, und das Thema, das er in diesen angeschlagen hat, haben sofort alle seine Rivalen aufgenommen. Zwar an Kleon getrauten sie sich nicht heran; aber gegen den einflußreichsten seiner Sekundanten, Hyperbolos, hörten fortan die Angriffe nicht mehr auf. Er ist Jahr für Jahr von Hermippos (Ἀρτοπώλιδες), Eupolis (421 im Marikas), Leukon (421 in den Φράτερες), Plato (um 419 im Hyperbolos) auf die Bühne gebracht worden. – Eupolis hat dem Aristophanes bei der Abfassung der Ritter geholfen, während nachher die Rivalität zwischen den Dichtern, die beide auf die erste Stelle unter den Komikern Anspruch erheben durften, gelegentlich zum Ausbruch kam. Bei Eupolis ist, soweit wir sehen können, in den politischen Komödien die persönliche Invektive meist gegen die allgemeine Schilderung der Zustände und des Kontrastes der Gegenwart zu der idealisierten Vergangenheit zurückgetreten, so in den »Städten« (wahrscheinlich 424), die zugleich die Art geißelten, wie Athen sein Regiment führte, in dem »goldenen Zeitalter« (wahrscheinlich 422), und einige Jahre später in der vielleicht berühmtesten seiner Komödien, den Demen (s.S. 148).

Jahrelang schwankte der Kampf um die Politik ohne festes Ergebnis hin und her. Es standen sich ja keine geschlossenen Parteien gegenüber, sondern die Stimmungen und Interessen kreuzten sich aufs mannigfachste, und überdies konnte ein einzelner Akt gar nicht ein für allemal den Ausschlag geben, sondern bei jeder Abstimmung und jeder Wahl standen die grundlegenden Fragen immer aufs neue zur Entscheidung. Auch Kleon, so groß sein Einfluß auf die Massen war, war doch seiner Anhänger keineswegs sicher: mehr als einmal ließ ihn die Majorität im Stich, so bei den Verhandlungen über Mytilene. Versuche, zum Frieden zu gelangen, sind mehrfach gemacht worden95. Auch in Sparta war offenbar, da man zu keinem Erfolg gelangen konnte und nicht wußte, was man weiter anfangen sollte, die Friedensstimmung gewachsen; nur forderte man einige Konzessionen, etwa die Rückgabe von Ägina. Aber weiter [97] als zu privaten Besprechungen und Vermittlungsvorschlägen kam es nicht; der Rat, der offizielle Vertreter der athenischen Regierung, verhielt sich ablehnend. In den Feldherrnwahlen tritt das Schwanken der Stimmungen am stärksten hervor96. Die Stellung des Oberstrategen, der in Athen die militärischen Angelegenheiten leitete und nur bei großen Unternehmungen, nicht bei den Kämpfen auf den Nebenschauplätzen, selbst ins Feld zog, lag Jahr für Jahr in anderen Händen: im Jahre 427/6 war es Hipponikos, der Sohn des Kallias, Proxenos der Spartaner und daher vermutlich ein Anhänger der Friedenspartei, im Jahre 426/5 Hippokrates, Perikles' Neffe, im nächsten Jahre Nikias, dann wieder Hippokrates. Im Jahre 426/5 erscheinen fast nur neue Namen in der Strategenliste, meist Anhänger der radikalen Kriegspolitik; selbst Nikias ist in diesem Jahre nicht gewählt worden. Wie sehr durch dies Schwanken das Ansehen der Strategie sinken mußte, liegt auf der Hand: »Leute, die ihr ehemals nicht einmal zu Weinschauern für die Feste gewählt hättet, die haben wir jetzt zu Strategen; Stadt, Stadt, wie viel mehr Glück hast du als Verstand!« sagte Eupolis in den Πόλεις (fr. 205). »O ihr Herren Miltiades und Perikles«, bittet er in den Δῆμοι (fr. 100), »laßt nicht mehr zu, daß liederliche Jünglinge in die Ämter kommen, die den Feldherrnposten an den Knöcheln nach sich schleppen« (wir würden etwa sagen: ihrer Taille verdanken). »In Gegenwart so vieler«, heißt es ebenda (fr. 117), »weiß ich nicht, was ich sagen soll: so tiefen Schmerz empfinde ich, wenn ich unser politisches Treiben sehe. Denn nicht so haben wir Alten zu unserer Zeit den Staat verwaltet; sondern erstlich waren bei uns die Strategen aus den größten Häusern, an Reichtum und Geschlecht die ersten, zu denen wir wie zu Göttern [98] beteten, denn das waren sie; und so lebten wir in Sicherheit; jetzt aber wählen wir den Auswurf zu Feldherren und ziehen, wenn es dazu kommt, unter ihrer Führung ins Feld.« Eben darum aber konnten die Strategenwahlen keine politische Entscheidung bringen97; je mehr das Amt an Bedeutung verlor, desto mehr wurde es von dem Souverän und seinen Beratern abhängig. Kleon und seine Genossen ließen keine Gelegenheit vorübergehen, um sich die Strategie ganz untertänig zu machen. Jahr für Jahr erlebte Athen seinen Feldherrnprozeß; wenn nicht die Kriegführung selbst, so gab irgendein Posten der Rechnungsablage den Anlaß zur Erhebung einer Anklage. So ist Phormio, der Sieger von Naupaktos, zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die er nicht zahlen konnte; daher wurde im nächsten Jahre, 428, nicht er, sondern sein Sohn Asopios nach Akarnanien gesandt (s.S. 65). Paches, der den lesbischen Aufstand niedergeworfen hat, gab sich im Rechenschaftsprozeß selbst den Tod, als er sah, daß die Stimmung der Richter gegen ihn ging. Laches wurde nach seiner Rückkehr aus Sizilien (s.S. 8080) von Kleon wegen Unterschleifs verklagt, aber freigesprochen – ein Mißerfolg, der für Kleon um so empfindlicher sein mochte, da Laches ein entschiedener Gesinnungsgenosse des Nikias und der Friedenspartei war98. – So vielfach indessen all diese Streitigkeiten den Gang der Politik durchkreuzten und im einzelnen verschoben, ein festes Resultat konnten sie nicht schaffen, sondern nur der[99] Gang des Krieges selbst. Gelang es hier, einen entscheidenden Erfolg zu gewinnen, so mußte das ausschlaggebend auch auf die innere Politik zurückwirken. Das ist im Jahre 425 geschehen.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 4/2, S. 82-100.
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Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

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