Vasall

[1040] Vasall, mittelalt. vassus und vasallus, ein wahrscheinlich aus dem Keltischen zu den Franken gewandertes Wort, das anfangs den unfreien Diener bedeutete, bezeichnet ursprünglich denjenigen, der in den Schutz, in das Mundium eines andern aufgenommen ist; der Eintritt in ein solches Schutzverhältnis trägt den Namen Kommendation. Schon in der merovingischen Zeit hatte dieselbe besonders gegenüber dem König einen sehr weiten Umfang, indem ganze Klassen der Bevölkerung einen Anspruch auf den Königsschutz hatten, namentlich Witwen und Waisen. Auch ausdrücklich wird er häufig erteilt: Geistlichen bloss für ihre Person oder zugleich für ihre Kirche, Kaufleuten, Juden, Frauen. Kommendation tritt auch regelmässig bei den jungen Männern ein, die an den Hof des Königs gebracht werden, um sich hier zum Dienste vorzubereiten oder in ein bestimmtes Hofamt einzutreten. Doch beschränkte sich dieses Verhältnis nicht auf den König; auch Grafen, Bischöfe, geistliche Stifter konnten einen ähnlichen Schutz erteilen. Alle nun, die sich kommendiert haben, mag es ein niederer Landbesitzer einem Stift oder einem anderen Herrn gegenüber, ein vornehmer Weltlicher dem König gegenüber sein, tragen den Namen vassus oder vasallus, seit der Karolinger Zeit auch gasindus, homo, derjenige aber, der den Schutz gibt, heisst dominus oder senior.

Mit der Zeit unterschied man von den Schutzverhältnissen überhaupt als eine besondere Art derselben die Vasallität, und zwar erfolgte die Kommendation, welche die Vasallität begründete, durch einen bestimmten, symbolischen Akt, in der Weise, dass der Vasall seine Hände zusammengefaltet in die des Schutzherrn legte; nach der Handreichung erfolgte regelmässig ein besonderes Treuversprechen.

In der karolingischen Periode zeigt sich noch eine grosse Verschiedenheit in den Verhältnissen der Vasallen. Zwar dem Stande nach sind es regelmässig Freie; dagegen ist der Unterschied zwischen den Vasallen des Königs und denjenigen anderer Herren ein grosser. Manche Vasallen leben als Aufseher über die Dienerschaft oder über die Ökonomie im Hause des Herrn,[1040] andere haben Land vom Herrn empfangen, oft hat der Vasall wieder andere Vasallen unter sich. Königliche Vasallen werden für staatliche Angelegenheiten in Anspruch genommen, als Königsboten, Heerführer, Beamte. Die grosse Zahl der königlichen Vasallen und die noch grössere derjenigen, die zu geistlichen Stiftern und zu weltlichen Grossen im Verhältnis der Vasallität stehen, hängt zum grossen Teil damit zusammen, dass sich der Grundsatz feststellte, alle die, welche Beneficium empfingen, hätten sich dem Verleiher zu kommendieren, sich in die Vasallität zu begeben. Freilich war das nicht bei jeder Landverleihung der Fall, z.B. da nicht, wo der Schenker sein Gut zum Niessbrauch wieder erhielt, und überhaupt nicht in bäuerlichen Verhältnissen; durch Empfang von Benefizien verschiedener Herren konnte einer Vasall mehrerer Herren werden. Das Verhältnis der Vasallität war von beiden Seiten lösbar und erlosch jedenfalls mit dem Tode, konnte aber natürlich von den Söhnen erneuert werden. Die Verpflichtungen der Vasallität waren gegenseitige, und der Herr war dem Vasallen Schutz zu leisten verpflichtet; unterliess er es, so konnte ihn dieser verlassen. Auch eine gewisse Gerichtsbarkeit steht dem Herrn über seine Vasallen zu, und namentlich konnten die Sachen der Vasallen vor das königliche Gericht gebracht werden. Eine besondere Anwendung wurde diesem Verhältnis schon vor Karl d. Gr. dadurch gegeben, dass man, um die im Frankenreich aufgekommenen mächtigen territorialen Gewalten wieder zu unterwerfen, die Inhaber derselben zur vasallitischen Huldigung anhielt. Ebenso mussten unter Karl d. Gr. und seinen Nachfolgern fremde Fürsten, die sich dem fränkischen Könige unterwarfen, die Huldigung leisten, was ausdrücklich bei sarazenischen, britischen, slawischen und dänischen erwähnt wird.

Seine spätere engere Bedeutung erhielt nun die Vasallität erst, seitdem die vasallitische Huldigung mit der Ausbildung des Lehenwesens ein wesentliches und charakteristisches Erfordernis des Lehenempfangs wurde. Lehnsmann und Vasall wird jetzt gleichbedeutend, Lehn- oder Feudalrecht ist zugleich Recht der Vasallität, und da der Hauptzweck der Belehnung die Verpflichtung zu kriegerischen Leistungen ist, so nimmt der Begriff Vasall nunmehr auch diese Richtung. Daher kommen jetzt auch vasallus, vir, homo, miles nebeneinander und in gleicher Anwendung vor. Vgl. den Art. Lehnswesen. Nach Waitz, Verfassungsgeschichte.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1040-1041.
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