Herwegh

[293] Herwegh, Georg, geb. 1817 zu Stuttgart, studierte in Tübingen Theologie, verließ dieses Studium und lebte als Belletrist einige Zeit in Stuttgart, wurde hierauf als militärpflichtig in Anspruch genommen und entfloh dem Garnisonsleben nach der Schweiz. In Wirths »Volkshalle« gab er seine ersten lyrischen Versuche heraus, die wenig beachtet wurden; um so größeres Aufsehen erregte aber ihre Sammlung als »Gedichte eines Lebendigen«, Zürich u. Winterthur 1841. H. beurkundete darin ein bedeutendes lyrisches Talent, dies verschaffte ihm jedoch weniger den ungeheuren Beifall, dessen sich jetzt die hochgestellten Spender schämen, als seine Wuth gegen die Kirche (wenn er z.B. dem Papste zuruft: »noch einen Fluch schleppʼ ich herbei, Fluch dir u. deiner Klerisei«), seine ungestümmen Freiheitslieder und der stürmische Patriotismus, der ihm wirklich Lieder eingab, »scharf wie Schwertesstreich«. Schon 1842 machte er einen wahren Triumphzug durch Norddeutschland bis Königsberg, wurde aber in Folge eines unartigen Schreibens an den König von Preußen ausgewiesen und mußte wieder zurück in die Schweiz, hatte aber durch die Heirath mit einer reichen Berlinerin seine Existenz recht gut gesichert. Er suchte nun, wie Heine. in Paris Trost für die Verbannung aus Deutschland, gefiel sich anfänglich gar nicht darin, bis die Februarrevolution alle Zustände änderte. Er stellte sich an die Spitze der deutschen Revolutionäre in Paris, schickte Sendschreiben voll Hohn gegen »die liberalen Leithämmel« voraus und ging endlich mit einer Colonne deutscher und französ. »Arbeiter« bei Kleinkems über den Rhein, wurde aber von nur einer Kompagnie Württemberger bei Dossenbach am 27. April geschlagen, wobei er sich als completter Feigling bewies. Er entrann glücklich und zog sich den Deutschen grollend in die Schweiz zurück, von den deutschen »Jungen« wohl derjenige, der von der Großmannsucht noch am wenigsten curirt ist.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 293.
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