[243] Herwegh, Georg, der hervorragendste unter den deutschen politischen Lyrikern der 1840er Jahre, geb. 31. Mai 1817 in Stuttgart, gest. 7. April 1875 in Liestal bei Basel, bezog das protestantisch-theologische Stift in Tübingen, verließ es jedoch bald, um sich der Literatur zu widmen. Von der Schweiz aus ließ er seine »Gedichte eines Lebendigen« (Zürich u. Winterthur 1841; 12. Aufl., Stuttg. 1896) erscheinen, die eine so frische, jugendliche Glut atmeten und dem unbestimmten Freiheitsdrang der Jugend so wohltönenden Ausdruck gaben, daß sie rasch populär wurden. Von großer Einfachheit, Klarheit und Kraft, sind sie wie aus Einem Guß geschaffen, ohne alles Spielende und Gesuchte. Ihr Pathos freilich war das unklare Pathos der gärenden Jugend jener Epoche, die,-zwischen nationalen und kosmopolitischen, monarchischen und republikanischen Idealen schwankend, klar nur im Bruch mit den alten herrschenden Zuständen war. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris machte H. im Herbst 1842, um Mitarbeiter für eine beabsichtigte Zeitschrift zu gewinnen, eine Reise durch Deutschland, die einem wahren Triumphzug glich. Selbst König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ließ sich den Dichter vorstellen und redete ihn mit den Worten an: »Ich liebe eine gesinnungsvolle Opposition«. Als sich H. jedoch von Königsberg aus im Dezember 1842 in einem Schreiben an den Monarchen, das alle konventionellen Formen vermissen ließ und gegen seinen Willen veröffentlicht ward, sehr bitter über das Verbot seiner Zeitschrift beschwerte, wurde er aus dem preußischen Staat ausgewiesen. Er kehrte nun nach der Schweiz zurück, fand aber auch hier in mehreren Kantonen Anfechtung, bis er endlich im Kanton Baselland das schweizerische Bürgerrecht erlangte, worauf er sich mit Emma Siegmund, der Tochter eines reichen jüdischen Bankiers in Berlin, verheiratete (gest. 27. März 1904 in Paris). Nach einer Reise nach Südfrankreich und Italien nahm H. seinen bleibenden Aufenthalt in Paris und ließ von hier aus einen zweiten Band der »Gedichte eines Lebendigen« (1844) erschienen. Hier trat zwar Herweghs republikanische Tendenz klarer und bestimmter hervor; aber die Begeisterung erscheint infolge mancher ihm gewordenen Enttäuschung bedeutend abgeschwächt. Daneben übersetzte er Lamartines »Sämtliche Werke« (Stuttg. 184344, 12 Bde.). Gleich nach der Februarrevolution von 1848 trat H. bei mehreren Kundgebungen der Deutschen in Paris als Führer auf und fiel im April an der Spitze einer deutsch-französischen republikanischen Arbeiterkolonne in Baden ein, ward jedoch 27. April bei Schopfheim von den württembergischen Truppen geschlagen und verdankte sein glückliches Entkommen nur dem Mut seiner Frau. Er lebte darauf lange in Zurückgezogenheit in Paris, später in Zürich, schließlich in Liestal bei Basel. Er veröffentlichte noch, abgesehen von einzelnen Gedichten, die Übersetzung mehrerer Shakespeareschen Dramen für Bodenstedts Ausgabe. Aus seinem Nachlaß erschienen »Neue Gedichte« (Zürich 1877), die von krankhafter Verbitterung Zeugnis ablegen. Sein Sohn Marcel gab »Briefe von und an Georg H.« (Münch. 1895 und 1896) heraus. Ein Denkmal Herweghs (Granitblock mit Reliefporträt) wurde im Oktober 1904 auf seinem Grabe in Liestal eingeweiht.