Jung [2]

[515] Jung , genannt Stilling, Joh. Heinr., Schriftsteller u. ein wegen seinen Schicksalen u. Augenkuren bekannter Arzt, geb. 1740 zu Grund bei Siegen im Nassauischen, der Sohn blutarmer Leute, wurde Kohlenbrenner, Dorfschneider, Hauslehrer, 1770 Student der Medicin zu Straßburg, wo Göthe u. Herder mit ihm bekannt wurden, 1772 Arzt zu Elberfeld, 1778 Professor an der Kameralakademie zu Kaiserslautern, 1784 zu Heidelberg, 1787 Professor der Oekonomie zu Marburg, lebte seit 1803 ohne Amt in Heidelberg und Karlsruhe, st. 1817. Göthe fand in ihm »einen gesunden Menschenverstand, der auf dem Gemüthe ruhte, Enthusiasmus für das Gute, Wahre; Rechte in möglichster Reinheit, einen unverwüstlichen Glauben an Gott und Dessen ununterbrochene Vorsorge«. Dies Alles spiegelt sich in »H. St. s Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft u. häusliches Leben« (Berlin 1777–78) und »H. St.s Leben, eine wahre Geschichte« (Berl. 1806, 5 Bde.), wozu Schwarz später »H. St.s Alter« (Heidelb. 1817) lieferte. Compendien, die J. als öffentlicher Lehrer schrieb, kamen niemals besonders in die Höhe, seine Romane (Geschichte des Herrn von Morgenthau, Florentius von Fahlendorn u.s.w.) sind längst vergessen, seine mystischen Schriften, namentlich das »Heimweh« sammt dem »Schlüssel zum Heimwehe«, Muster von Langeweile, seine »Theorie der Geisterkunde« verlor sich in einem Gebiete, wo der Verstand der Verständigen vollends zu Ende geht. Dagegen lieferte J. tiefempfundene religiöse Gedichte und liebte Sagen und Volkslieder mit der Begeisterung eines Herder.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 515.
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